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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"O nein, nein. Es war ihm Ernst, ganz und gar.
Aber es würd' ihm zu schwer gemacht worden sein.
Rund heraus, er wäre gescheitert."

"Woran?"

"An seinen Freunden vielleicht, an seinen Feinden
gewiß. Und das waren die Junker. Es heißt immer,
das Junkertum sei keine Macht mehr, die Junker fräßen
den Hohenzollern aus der Hand und die Dynastie züchte
sie bloß, um sie für alle Fälle parat zu haben. Und
das ist eine Zeit lang vielleicht auch richtig gewesen.
Aber heut ist es nicht mehr richtig, es ist heute grund¬
falsch. Das Junkertum (trotzdem es vorgiebt, seine
Strohdächer zu flicken, und sie gelegentlich vielleicht auch
wirklich flickt) dies Junkertum -- und ich bin inmitten
aller Loyalität und Devotion doch stolz, dies sagen zu
können -- hat in dem Kampf dieser Jahre kolossal an
Macht gewonnen, mehr als irgend eine andre Partei,
die Sozialdemokratie kaum ausgeschlossen, und mitunter
ist mir's, als stiegen die seligen Quitzows wieder aus
dem Grabe herauf. Und wenn das geschieht, wenn
unsre Leute sich auf das besinnen, worauf sie sich seit
über vierhundert Jahren nicht mehr besonnen haben,
so können wir was erleben. Es heißt immer: ,un¬
möglich'. Ah bah, was ist unmöglich? Nichts ist un¬
möglich. Wer hätte vor dem 18. März den ,18. März'
für möglich gehalten, für möglich in diesem echten und
rechten Philisternest Berlin! Es kommt eben alles mal
an die Reihe; das darf nicht vergessen werden. Und
die Armee! Nun ja. Wer wird etwas gegen die Armee
sagen? Aber jeder glückliche General ist immer eine
Gefahr! Und unter Umständen auch noch andre. Sehen
Sie sich den alten Sachsenwalder an, unsren Zivil-
Wallenstein. Aus dem hätte schließlich doch Gott weiß
was werden können."

"Und Sie glauben," warf der Graf hier ein, "an

„O nein, nein. Es war ihm Ernſt, ganz und gar.
Aber es würd' ihm zu ſchwer gemacht worden ſein.
Rund heraus, er wäre geſcheitert.“

„Woran?“

„An ſeinen Freunden vielleicht, an ſeinen Feinden
gewiß. Und das waren die Junker. Es heißt immer,
das Junkertum ſei keine Macht mehr, die Junker fräßen
den Hohenzollern aus der Hand und die Dynaſtie züchte
ſie bloß, um ſie für alle Fälle parat zu haben. Und
das iſt eine Zeit lang vielleicht auch richtig geweſen.
Aber heut iſt es nicht mehr richtig, es iſt heute grund¬
falſch. Das Junkertum (trotzdem es vorgiebt, ſeine
Strohdächer zu flicken, und ſie gelegentlich vielleicht auch
wirklich flickt) dies Junkertum — und ich bin inmitten
aller Loyalität und Devotion doch ſtolz, dies ſagen zu
können — hat in dem Kampf dieſer Jahre koloſſal an
Macht gewonnen, mehr als irgend eine andre Partei,
die Sozialdemokratie kaum ausgeſchloſſen, und mitunter
iſt mir's, als ſtiegen die ſeligen Quitzows wieder aus
dem Grabe herauf. Und wenn das geſchieht, wenn
unſre Leute ſich auf das beſinnen, worauf ſie ſich ſeit
über vierhundert Jahren nicht mehr beſonnen haben,
ſo können wir was erleben. Es heißt immer: ‚un¬
möglich‘. Ah bah, was iſt unmöglich? Nichts iſt un¬
möglich. Wer hätte vor dem 18. März den ‚18. März‘
für möglich gehalten, für möglich in dieſem echten und
rechten Philiſterneſt Berlin! Es kommt eben alles mal
an die Reihe; das darf nicht vergeſſen werden. Und
die Armee! Nun ja. Wer wird etwas gegen die Armee
ſagen? Aber jeder glückliche General iſt immer eine
Gefahr! Und unter Umſtänden auch noch andre. Sehen
Sie ſich den alten Sachſenwalder an, unſren Zivil-
Wallenſtein. Aus dem hätte ſchließlich doch Gott weiß
was werden können.“

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[405/0412] „O nein, nein. Es war ihm Ernſt, ganz und gar. Aber es würd' ihm zu ſchwer gemacht worden ſein. Rund heraus, er wäre geſcheitert.“ „Woran?“ „An ſeinen Freunden vielleicht, an ſeinen Feinden gewiß. Und das waren die Junker. Es heißt immer, das Junkertum ſei keine Macht mehr, die Junker fräßen den Hohenzollern aus der Hand und die Dynaſtie züchte ſie bloß, um ſie für alle Fälle parat zu haben. Und das iſt eine Zeit lang vielleicht auch richtig geweſen. Aber heut iſt es nicht mehr richtig, es iſt heute grund¬ falſch. Das Junkertum (trotzdem es vorgiebt, ſeine Strohdächer zu flicken, und ſie gelegentlich vielleicht auch wirklich flickt) dies Junkertum — und ich bin inmitten aller Loyalität und Devotion doch ſtolz, dies ſagen zu können — hat in dem Kampf dieſer Jahre koloſſal an Macht gewonnen, mehr als irgend eine andre Partei, die Sozialdemokratie kaum ausgeſchloſſen, und mitunter iſt mir's, als ſtiegen die ſeligen Quitzows wieder aus dem Grabe herauf. Und wenn das geſchieht, wenn unſre Leute ſich auf das beſinnen, worauf ſie ſich ſeit über vierhundert Jahren nicht mehr beſonnen haben, ſo können wir was erleben. Es heißt immer: ‚un¬ möglich‘. Ah bah, was iſt unmöglich? Nichts iſt un¬ möglich. Wer hätte vor dem 18. März den ‚18. März‘ für möglich gehalten, für möglich in dieſem echten und rechten Philiſterneſt Berlin! Es kommt eben alles mal an die Reihe; das darf nicht vergeſſen werden. Und die Armee! Nun ja. Wer wird etwas gegen die Armee ſagen? Aber jeder glückliche General iſt immer eine Gefahr! Und unter Umſtänden auch noch andre. Sehen Sie ſich den alten Sachſenwalder an, unſren Zivil- Wallenſtein. Aus dem hätte ſchließlich doch Gott weiß was werden können.“ „Und Sie glauben,“ warf der Graf hier ein, „an

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/412>, abgerufen am 25.11.2024.