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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Desto besser gefallen sie dir. Das sieht dir ähn¬
lich. Ich liebe mehr unsre Leute. Beide sind doch beinah'
wie Fremde."

"Nun, das ist nicht schlimm."

"Doch. Mir widersteht das Fremde. Laß dir er¬
zählen. Da war ich vorigen Sommer mit der Schmargen¬
dorff in Berlin und ging zu Josty, weil die Schmargen¬
dorff, die so was liebt, gern eine Tasse Schokolade trinken
wollte."

"Du hoffentlich auch."

"Allerdings. Ich auch. Aber ich kam nicht recht
dazu, nippte bloß, weil ich mich über die Maßen ärgern
mußte. Denn an dem Tische neben mir saß ein Herr
und eine Dame, wenn es überhaupt eine Dame war.
Aber Engländer waren es. Er steckte ganz in Flanell
und hatte die Beinkleider umgekrempelt, und die Dame
trug einen Rock und eine Bluse und einen Matrosenhut.
Und der Herr hatte ein Windspiel, das immer zitterte,
trotzdem fünfundzwanzig Grad Wärme waren."

"Ja, warum nicht?"

"Und zwischen ihnen stand eine Tablette mit Wasser
und Cognac, und die Dame hielt außerdem noch eine
Zigarette zwischen den Fingern und sah in die Ringel¬
wölkchen hinein, die sie blies."

"Scharmant. Das muß ja reizend ausgesehn haben."

"Und ich verwette mich, diese Melusine raucht auch."

"Ja, warum soll sie nicht? Du schlachtest Gänse.
Warum soll Melusine nicht rauchen?"

"Weil Rauchen männlich ist."

"Und schlachten weiblich ... Ach, Adelheid, wir
können uns über so was nicht einigen. Ich gelte schon
für leidlich altmodisch, aber du, du bist ja geradezu
petrefakt."

"Ich verstehe das Wort nicht und wünsche nur, daß
es etwas ist, dessen du dich nicht zu schämen hast. Es

„Deſto beſſer gefallen ſie dir. Das ſieht dir ähn¬
lich. Ich liebe mehr unſre Leute. Beide ſind doch beinah'
wie Fremde.“

„Nun, das iſt nicht ſchlimm.“

„Doch. Mir widerſteht das Fremde. Laß dir er¬
zählen. Da war ich vorigen Sommer mit der Schmargen¬
dorff in Berlin und ging zu Joſty, weil die Schmargen¬
dorff, die ſo was liebt, gern eine Taſſe Schokolade trinken
wollte.“

„Du hoffentlich auch.“

„Allerdings. Ich auch. Aber ich kam nicht recht
dazu, nippte bloß, weil ich mich über die Maßen ärgern
mußte. Denn an dem Tiſche neben mir ſaß ein Herr
und eine Dame, wenn es überhaupt eine Dame war.
Aber Engländer waren es. Er ſteckte ganz in Flanell
und hatte die Beinkleider umgekrempelt, und die Dame
trug einen Rock und eine Bluſe und einen Matroſenhut.
Und der Herr hatte ein Windſpiel, das immer zitterte,
trotzdem fünfundzwanzig Grad Wärme waren.“

„Ja, warum nicht?“

„Und zwiſchen ihnen ſtand eine Tablette mit Waſſer
und Cognac, und die Dame hielt außerdem noch eine
Zigarette zwiſchen den Fingern und ſah in die Ringel¬
wölkchen hinein, die ſie blies.“

„Scharmant. Das muß ja reizend ausgeſehn haben.“

„Und ich verwette mich, dieſe Meluſine raucht auch.“

„Ja, warum ſoll ſie nicht? Du ſchlachteſt Gänſe.
Warum ſoll Meluſine nicht rauchen?“

„Weil Rauchen männlich iſt.“

„Und ſchlachten weiblich ... Ach, Adelheid, wir
können uns über ſo was nicht einigen. Ich gelte ſchon
für leidlich altmodiſch, aber du, du biſt ja geradezu
petrefakt.“

„Ich verſtehe das Wort nicht und wünſche nur, daß
es etwas iſt, deſſen du dich nicht zu ſchämen haſt. Es

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[372/0379] „Deſto beſſer gefallen ſie dir. Das ſieht dir ähn¬ lich. Ich liebe mehr unſre Leute. Beide ſind doch beinah' wie Fremde.“ „Nun, das iſt nicht ſchlimm.“ „Doch. Mir widerſteht das Fremde. Laß dir er¬ zählen. Da war ich vorigen Sommer mit der Schmargen¬ dorff in Berlin und ging zu Joſty, weil die Schmargen¬ dorff, die ſo was liebt, gern eine Taſſe Schokolade trinken wollte.“ „Du hoffentlich auch.“ „Allerdings. Ich auch. Aber ich kam nicht recht dazu, nippte bloß, weil ich mich über die Maßen ärgern mußte. Denn an dem Tiſche neben mir ſaß ein Herr und eine Dame, wenn es überhaupt eine Dame war. Aber Engländer waren es. Er ſteckte ganz in Flanell und hatte die Beinkleider umgekrempelt, und die Dame trug einen Rock und eine Bluſe und einen Matroſenhut. Und der Herr hatte ein Windſpiel, das immer zitterte, trotzdem fünfundzwanzig Grad Wärme waren.“ „Ja, warum nicht?“ „Und zwiſchen ihnen ſtand eine Tablette mit Waſſer und Cognac, und die Dame hielt außerdem noch eine Zigarette zwiſchen den Fingern und ſah in die Ringel¬ wölkchen hinein, die ſie blies.“ „Scharmant. Das muß ja reizend ausgeſehn haben.“ „Und ich verwette mich, dieſe Meluſine raucht auch.“ „Ja, warum ſoll ſie nicht? Du ſchlachteſt Gänſe. Warum ſoll Meluſine nicht rauchen?“ „Weil Rauchen männlich iſt.“ „Und ſchlachten weiblich ... Ach, Adelheid, wir können uns über ſo was nicht einigen. Ich gelte ſchon für leidlich altmodiſch, aber du, du biſt ja geradezu petrefakt.“ „Ich verſtehe das Wort nicht und wünſche nur, daß es etwas iſt, deſſen du dich nicht zu ſchämen haſt. Es

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/379>, abgerufen am 22.11.2024.