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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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aussah, als fiele das blinkende Wasser wirklich über die
Schaufelbretter. All das wurde gesehn und bewundert,
und was nicht gesehn wurde, nahm man auf Treu' und
Glauben mit in den Kauf. Von den Spinnen kam keine
zum Vorschein; nur hier und da hingen lange graue Ge¬
webe, was jedoch nur feierlich aussah, und als Mittag
heran war, verließ man das "Museum", um sich erst eine
Stunde zu ruhn und dann bei Tische wiederzusehn. Die
Gräfin aber, ehe sie den großen, wüsten Raum verließ,
trat noch einmal an Krippenstapel heran, um ihn, unter
gewinnendstem Lächeln, zu bitten, ihr, sobald ein ernsterer
Streit über die beiden Mühlen entbrennen sollte, die be¬
treffenden Schriftstücke nicht vorzuenthalten.

Krippenstapel versprach alles.


Auf drei war das Mittagsmahl angesetzt. Schon
eine Viertelstunde vorher erschien Lorenzen und traf den
alten Dubslav in einer gewissen stattlichen Herrichtung an
oder, wie er sich selbst zu Engelke geäußert hatte, "ganz
feudal".

"Ach, daß ist gut, Lorenzen, daß Sie schon kommen.
Ich habe noch allerhand auf dem Herzen. Es muß doch
was geschehn, eine richtige Begrüßung (denn das gestern
abend war zu wenig) oder aber ein solennes Abschieds¬
wort, kurzum irgend was, das in das Gebiet der Toaste
gehört. Und da müssen Sie helfen. Sie sind ein Mann
von Fach, und wer jeden Sonntag predigen kann, kann
doch schließlich auch 'ne Tischrede halten."

"Ja, das sagen Sie so, Herr von Stechlin. Mit¬
unter ist eine Tischrede leicht und eine Predigt schwer,
aber es kann auch umgekehrt liegen. Außerdem, wenn
Sie sich nur erst mit dem Gedanken vertraut gemacht
haben, daß es so sein muß, dann geht es auch. Sie
werden sehn, das Herz, wie immer, macht den Redner.

ausſah, als fiele das blinkende Waſſer wirklich über die
Schaufelbretter. All das wurde geſehn und bewundert,
und was nicht geſehn wurde, nahm man auf Treu' und
Glauben mit in den Kauf. Von den Spinnen kam keine
zum Vorſchein; nur hier und da hingen lange graue Ge¬
webe, was jedoch nur feierlich ausſah, und als Mittag
heran war, verließ man das „Muſeum“, um ſich erſt eine
Stunde zu ruhn und dann bei Tiſche wiederzuſehn. Die
Gräfin aber, ehe ſie den großen, wüſten Raum verließ,
trat noch einmal an Krippenſtapel heran, um ihn, unter
gewinnendſtem Lächeln, zu bitten, ihr, ſobald ein ernſterer
Streit über die beiden Mühlen entbrennen ſollte, die be¬
treffenden Schriftſtücke nicht vorzuenthalten.

Krippenſtapel verſprach alles.


Auf drei war das Mittagsmahl angeſetzt. Schon
eine Viertelſtunde vorher erſchien Lorenzen und traf den
alten Dubslav in einer gewiſſen ſtattlichen Herrichtung an
oder, wie er ſich ſelbſt zu Engelke geäußert hatte, „ganz
feudal“.

„Ach, daß iſt gut, Lorenzen, daß Sie ſchon kommen.
Ich habe noch allerhand auf dem Herzen. Es muß doch
was geſchehn, eine richtige Begrüßung (denn das geſtern
abend war zu wenig) oder aber ein ſolennes Abſchieds¬
wort, kurzum irgend was, das in das Gebiet der Toaſte
gehört. Und da müſſen Sie helfen. Sie ſind ein Mann
von Fach, und wer jeden Sonntag predigen kann, kann
doch ſchließlich auch 'ne Tiſchrede halten.“

„Ja, das ſagen Sie ſo, Herr von Stechlin. Mit¬
unter iſt eine Tiſchrede leicht und eine Predigt ſchwer,
aber es kann auch umgekehrt liegen. Außerdem, wenn
Sie ſich nur erſt mit dem Gedanken vertraut gemacht
haben, daß es ſo ſein muß, dann geht es auch. Sie
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[366/0373] ausſah, als fiele das blinkende Waſſer wirklich über die Schaufelbretter. All das wurde geſehn und bewundert, und was nicht geſehn wurde, nahm man auf Treu' und Glauben mit in den Kauf. Von den Spinnen kam keine zum Vorſchein; nur hier und da hingen lange graue Ge¬ webe, was jedoch nur feierlich ausſah, und als Mittag heran war, verließ man das „Muſeum“, um ſich erſt eine Stunde zu ruhn und dann bei Tiſche wiederzuſehn. Die Gräfin aber, ehe ſie den großen, wüſten Raum verließ, trat noch einmal an Krippenſtapel heran, um ihn, unter gewinnendſtem Lächeln, zu bitten, ihr, ſobald ein ernſterer Streit über die beiden Mühlen entbrennen ſollte, die be¬ treffenden Schriftſtücke nicht vorzuenthalten. Krippenſtapel verſprach alles. Auf drei war das Mittagsmahl angeſetzt. Schon eine Viertelſtunde vorher erſchien Lorenzen und traf den alten Dubslav in einer gewiſſen ſtattlichen Herrichtung an oder, wie er ſich ſelbſt zu Engelke geäußert hatte, „ganz feudal“. „Ach, daß iſt gut, Lorenzen, daß Sie ſchon kommen. Ich habe noch allerhand auf dem Herzen. Es muß doch was geſchehn, eine richtige Begrüßung (denn das geſtern abend war zu wenig) oder aber ein ſolennes Abſchieds¬ wort, kurzum irgend was, das in das Gebiet der Toaſte gehört. Und da müſſen Sie helfen. Sie ſind ein Mann von Fach, und wer jeden Sonntag predigen kann, kann doch ſchließlich auch 'ne Tiſchrede halten.“ „Ja, das ſagen Sie ſo, Herr von Stechlin. Mit¬ unter iſt eine Tiſchrede leicht und eine Predigt ſchwer, aber es kann auch umgekehrt liegen. Außerdem, wenn Sie ſich nur erſt mit dem Gedanken vertraut gemacht haben, daß es ſo ſein muß, dann geht es auch. Sie werden ſehn, das Herz, wie immer, macht den Redner.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/373>, abgerufen am 22.11.2024.