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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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auch ein paar ihrer Pickäxte mitgebracht haben. Ich taxiere
das Eis auf nicht dicker als zwei Fuß, und wenn sich die
Leute dran machen, so haben wir in zehn Minuten eine
große Lune, und der Hahn, wenn er nur sonst Lust hat,
kommt aus seiner Tiefe herauf. Befehlen Frau Gräfin?"

"Um Gottes willen, nein. Ich bin sehr für solche
Geschichten und bin glücklich, daß die Familie Stechlin
diesen See hat. Aber ich bin zugleich auch abergläubisch
und mag kein Eingreifen ins Elementare. Die Natur
hat jetzt den See überdeckt; da werd' ich mich also hüten,
irgend was ändern zu wollen. Ich würde glauben, eine
Hand führe heraus und packte mich."

Adelheid war bei diesen Worten immer gerader und
länger geworden und rückte mit Ostentation von Melusine
weg, mehr der Banklehne zu, wo, halb wie das gute
Gewissen, halb wie die göttliche Weltordnung, Uncke stand
und durch seine bloße Gegenwart den Gemütszustand
der Domina wieder beschwichtigte. Nur von Zeit zu Zeit
sah sie fragend, forschend und vorwurfsvoll auf ihren
Bruder.

Dieser wußte genau, was in seiner Schwester Seele
vorging. Es erheiterte ihn ungemein, aber es beunruhigte
ihn doch auch. Wenn diese Gefühle wuchsen, wohin sollte
das führen? Die Möglichkeit einer schrecklichen Scene, die
sein Haus mit einer nicht zu tilgenden Blame behaftet
hätte, trat dabei vor seine Seele.

Der Himmel hatte aber ein Einsehn. Schon seit
einer Viertelstunde lag ein grauer Ton über der Land¬
schaft und plötzlich fielen Flocken, erst vereinzelte, dann
dicht und reichlich. Den Weg bis Globsow fortzusetzen,
daran war unter diesen Umständen gar nicht mehr zu
denken, und so brach man denn auf, um ins Schloß
zurückzukehren. Auch auf einen Besuch in der Kirche, weil
es da zu kalt sei, wurde verzichtet.


auch ein paar ihrer Pickäxte mitgebracht haben. Ich taxiere
das Eis auf nicht dicker als zwei Fuß, und wenn ſich die
Leute dran machen, ſo haben wir in zehn Minuten eine
große Lune, und der Hahn, wenn er nur ſonſt Luſt hat,
kommt aus ſeiner Tiefe herauf. Befehlen Frau Gräfin?“

„Um Gottes willen, nein. Ich bin ſehr für ſolche
Geſchichten und bin glücklich, daß die Familie Stechlin
dieſen See hat. Aber ich bin zugleich auch abergläubiſch
und mag kein Eingreifen ins Elementare. Die Natur
hat jetzt den See überdeckt; da werd' ich mich alſo hüten,
irgend was ändern zu wollen. Ich würde glauben, eine
Hand führe heraus und packte mich.“

Adelheid war bei dieſen Worten immer gerader und
länger geworden und rückte mit Oſtentation von Meluſine
weg, mehr der Banklehne zu, wo, halb wie das gute
Gewiſſen, halb wie die göttliche Weltordnung, Uncke ſtand
und durch ſeine bloße Gegenwart den Gemütszuſtand
der Domina wieder beſchwichtigte. Nur von Zeit zu Zeit
ſah ſie fragend, forſchend und vorwurfsvoll auf ihren
Bruder.

Dieſer wußte genau, was in ſeiner Schweſter Seele
vorging. Es erheiterte ihn ungemein, aber es beunruhigte
ihn doch auch. Wenn dieſe Gefühle wuchſen, wohin ſollte
das führen? Die Möglichkeit einer ſchrecklichen Scene, die
ſein Haus mit einer nicht zu tilgenden Blame behaftet
hätte, trat dabei vor ſeine Seele.

Der Himmel hatte aber ein Einſehn. Schon ſeit
einer Viertelſtunde lag ein grauer Ton über der Land¬
ſchaft und plötzlich fielen Flocken, erſt vereinzelte, dann
dicht und reichlich. Den Weg bis Globſow fortzuſetzen,
daran war unter dieſen Umſtänden gar nicht mehr zu
denken, und ſo brach man denn auf, um ins Schloß
zurückzukehren. Auch auf einen Beſuch in der Kirche, weil
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[350/0357] auch ein paar ihrer Pickäxte mitgebracht haben. Ich taxiere das Eis auf nicht dicker als zwei Fuß, und wenn ſich die Leute dran machen, ſo haben wir in zehn Minuten eine große Lune, und der Hahn, wenn er nur ſonſt Luſt hat, kommt aus ſeiner Tiefe herauf. Befehlen Frau Gräfin?“ „Um Gottes willen, nein. Ich bin ſehr für ſolche Geſchichten und bin glücklich, daß die Familie Stechlin dieſen See hat. Aber ich bin zugleich auch abergläubiſch und mag kein Eingreifen ins Elementare. Die Natur hat jetzt den See überdeckt; da werd' ich mich alſo hüten, irgend was ändern zu wollen. Ich würde glauben, eine Hand führe heraus und packte mich.“ Adelheid war bei dieſen Worten immer gerader und länger geworden und rückte mit Oſtentation von Meluſine weg, mehr der Banklehne zu, wo, halb wie das gute Gewiſſen, halb wie die göttliche Weltordnung, Uncke ſtand und durch ſeine bloße Gegenwart den Gemütszuſtand der Domina wieder beſchwichtigte. Nur von Zeit zu Zeit ſah ſie fragend, forſchend und vorwurfsvoll auf ihren Bruder. Dieſer wußte genau, was in ſeiner Schweſter Seele vorging. Es erheiterte ihn ungemein, aber es beunruhigte ihn doch auch. Wenn dieſe Gefühle wuchſen, wohin ſollte das führen? Die Möglichkeit einer ſchrecklichen Scene, die ſein Haus mit einer nicht zu tilgenden Blame behaftet hätte, trat dabei vor ſeine Seele. Der Himmel hatte aber ein Einſehn. Schon ſeit einer Viertelſtunde lag ein grauer Ton über der Land¬ ſchaft und plötzlich fielen Flocken, erſt vereinzelte, dann dicht und reichlich. Den Weg bis Globſow fortzuſetzen, daran war unter dieſen Umſtänden gar nicht mehr zu denken, und ſo brach man denn auf, um ins Schloß zurückzukehren. Auch auf einen Beſuch in der Kirche, weil es da zu kalt ſei, wurde verzichtet.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/357>, abgerufen am 25.11.2024.