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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Bank erreicht, von der aus man den besten Blick auf den
zugefrorenen See hatte. Das Eis zeigte sich hoch mit
Schnee bedeckt, aber in seiner Mitte war doch schon eine
gefegte Stelle, zu der vom Ufer her eine schmale, gleich¬
falls freigeschaufelte Straße hinüberführte. Engelke legte
die Decken über die Bank, und die Damen, die von dem
halbstündigen und zuletzt etwas ansteigenden Wege müde
geworden waren, nahmen alle drei Platz, während sich
Rolf Krake und Uncke wie Schildhalter zu beiden Seiten
der Bank aufstellten. Dubslav dagegen plazierte sich in
Front und machte, während er einen landläufigen Führer¬
ton anschlug, den Cicerone. "Hab' die Ehr', Ihnen hier
die große Sehenswürdigkeit von Dorf und Schloß Stechlin
zu präsentieren, unsern See, meinen See, wenn Sie mir
das Wort gestatten wollen. Alle möglichen berühmten
Naturforscher waren hier und haben sich höchst schmeichel¬
haft über den See geäußert. Immer hieß es: ,es stehe
wissenschaftlich fest'. Und das ist jetzt das Höchste. Früher
sagte man: ,es steht in den Akten'. Ich lasse dabei dahin¬
gestellt sein, wovor man sich tiefer verbeugen muß."

"Ja," sagte Melusine, "das ist nun also der große
Moment. Orientiert bin ich. Aber wie das mit allem
Großen geht, ich empfinde doch auch etwas von Ent¬
täuschung."

"Das ist, weil wir Winter haben, gnädigste Gräfin.
Wenn Sie die offene Seefläche vor sich hätten und in der
Vorstellung stünden: ,jetzt bildet sich der Trichter und jetzt
steigt es herauf', so würden Sie mutmaßlich nichts von
Enttäuschung empfinden. Aber jetzt! Das Eis macht
still und duckt das Revolutionäre. Da kann selbst unser
Uncke nichts notieren. Nicht wahr, Uncke?"

Uncke schmunzelte.

"Im übrigen seh' ich zu meiner Freude -- und das
verdanken wir wieder unserm guten Kluckhuhn, der an
alles denkt und alles vorsieht -- daß die Schneeschipper

Bank erreicht, von der aus man den beſten Blick auf den
zugefrorenen See hatte. Das Eis zeigte ſich hoch mit
Schnee bedeckt, aber in ſeiner Mitte war doch ſchon eine
gefegte Stelle, zu der vom Ufer her eine ſchmale, gleich¬
falls freigeſchaufelte Straße hinüberführte. Engelke legte
die Decken über die Bank, und die Damen, die von dem
halbſtündigen und zuletzt etwas anſteigenden Wege müde
geworden waren, nahmen alle drei Platz, während ſich
Rolf Krake und Uncke wie Schildhalter zu beiden Seiten
der Bank aufſtellten. Dubslav dagegen plazierte ſich in
Front und machte, während er einen landläufigen Führer¬
ton anſchlug, den Cicerone. „Hab' die Ehr', Ihnen hier
die große Sehenswürdigkeit von Dorf und Schloß Stechlin
zu präſentieren, unſern See, meinen See, wenn Sie mir
das Wort geſtatten wollen. Alle möglichen berühmten
Naturforſcher waren hier und haben ſich höchſt ſchmeichel¬
haft über den See geäußert. Immer hieß es: ‚es ſtehe
wiſſenſchaftlich feſt‘. Und das iſt jetzt das Höchſte. Früher
ſagte man: ‚es ſteht in den Akten‘. Ich laſſe dabei dahin¬
geſtellt ſein, wovor man ſich tiefer verbeugen muß.“

„Ja,“ ſagte Meluſine, „das iſt nun alſo der große
Moment. Orientiert bin ich. Aber wie das mit allem
Großen geht, ich empfinde doch auch etwas von Ent¬
täuſchung.“

„Das iſt, weil wir Winter haben, gnädigſte Gräfin.
Wenn Sie die offene Seefläche vor ſich hätten und in der
Vorſtellung ſtünden: ‚jetzt bildet ſich der Trichter und jetzt
ſteigt es herauf‘, ſo würden Sie mutmaßlich nichts von
Enttäuſchung empfinden. Aber jetzt! Das Eis macht
ſtill und duckt das Revolutionäre. Da kann ſelbſt unſer
Uncke nichts notieren. Nicht wahr, Uncke?“

Uncke ſchmunzelte.

„Im übrigen ſeh' ich zu meiner Freude — und das
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[349/0356] Bank erreicht, von der aus man den beſten Blick auf den zugefrorenen See hatte. Das Eis zeigte ſich hoch mit Schnee bedeckt, aber in ſeiner Mitte war doch ſchon eine gefegte Stelle, zu der vom Ufer her eine ſchmale, gleich¬ falls freigeſchaufelte Straße hinüberführte. Engelke legte die Decken über die Bank, und die Damen, die von dem halbſtündigen und zuletzt etwas anſteigenden Wege müde geworden waren, nahmen alle drei Platz, während ſich Rolf Krake und Uncke wie Schildhalter zu beiden Seiten der Bank aufſtellten. Dubslav dagegen plazierte ſich in Front und machte, während er einen landläufigen Führer¬ ton anſchlug, den Cicerone. „Hab' die Ehr', Ihnen hier die große Sehenswürdigkeit von Dorf und Schloß Stechlin zu präſentieren, unſern See, meinen See, wenn Sie mir das Wort geſtatten wollen. Alle möglichen berühmten Naturforſcher waren hier und haben ſich höchſt ſchmeichel¬ haft über den See geäußert. Immer hieß es: ‚es ſtehe wiſſenſchaftlich feſt‘. Und das iſt jetzt das Höchſte. Früher ſagte man: ‚es ſteht in den Akten‘. Ich laſſe dabei dahin¬ geſtellt ſein, wovor man ſich tiefer verbeugen muß.“ „Ja,“ ſagte Meluſine, „das iſt nun alſo der große Moment. Orientiert bin ich. Aber wie das mit allem Großen geht, ich empfinde doch auch etwas von Ent¬ täuſchung.“ „Das iſt, weil wir Winter haben, gnädigſte Gräfin. Wenn Sie die offene Seefläche vor ſich hätten und in der Vorſtellung ſtünden: ‚jetzt bildet ſich der Trichter und jetzt ſteigt es herauf‘, ſo würden Sie mutmaßlich nichts von Enttäuſchung empfinden. Aber jetzt! Das Eis macht ſtill und duckt das Revolutionäre. Da kann ſelbſt unſer Uncke nichts notieren. Nicht wahr, Uncke?“ Uncke ſchmunzelte. „Im übrigen ſeh' ich zu meiner Freude — und das verdanken wir wieder unſerm guten Kluckhuhn, der an alles denkt und alles vorſieht — daß die Schneeſchipper

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/356>, abgerufen am 22.11.2024.