aber sie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht ist ihr Schlitten besser als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch nicht besser. Und dabei denkt sie, ,sie is was', was am Ende auch wieder gut is, denn wenn der Mensch erst denkt, ,es is gar nichts mit ihm', dann is es auch nichts."
"Und dann, gnäd'ger Herr, sie is ja doch 'ne Domina und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal gelesen, sie sei eigentlich mehr als ein Major."
"Na, jedenfalls ist sie mehr als ihr Bruder; so 'n vergessener Major is ein Jammer. Aber Adelheid selbst, so auf 'n ersten Anhieb, is auch bloß so so. Wir müssen jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor. Baron Beetz und der alte Zühlen, die die besten sind, die wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, seit wir die Eisen¬ bahnen haben, laufen die Pferde schlechter. Oder es kommt einem auch bloß so vor. Also die guten Nummern fallen aus. Und da sind wir denn wieder bei Gunder¬ mann."
"Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er soll ja auch so zweideutig sein. Uncke hat es mir gesagt; Uncke hat freilich immer das Wort ,zweideutig'. Aber es wird wohl stimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne richtige Berlinsche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich."
"Ja, Engelke, du sollst mir helfen und machst es bloß noch schlimmer. Wir könnten es mit Katzler versuchen, aber da ist das Kind krank, und vielleicht stirbt es. Und dann haben wir natürlich noch unsern Pastor; nu der ginge, bloß daß er immer so still dasitzt, wie wenn er auf den heiligen Geist wartet. Und mitunter kommt er; aber noch öfter kommt er nicht. Und solche Herrschaften, die dran gewöhnt sind, daß einer in einem fort was Feines sagt, ja, was sollen die mit unserm Lorenzen? Er ist ein Schweiger."
aber ſie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht iſt ihr Schlitten beſſer als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch nicht beſſer. Und dabei denkt ſie, ‚ſie is was‘, was am Ende auch wieder gut is, denn wenn der Menſch erſt denkt, ‚es is gar nichts mit ihm‘, dann is es auch nichts.“
„Und dann, gnäd'ger Herr, ſie is ja doch 'ne Domina und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal geleſen, ſie ſei eigentlich mehr als ein Major.“
„Na, jedenfalls iſt ſie mehr als ihr Bruder; ſo 'n vergeſſener Major is ein Jammer. Aber Adelheid ſelbſt, ſo auf 'n erſten Anhieb, is auch bloß ſo ſo. Wir müſſen jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor. Baron Beetz und der alte Zühlen, die die beſten ſind, die wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, ſeit wir die Eiſen¬ bahnen haben, laufen die Pferde ſchlechter. Oder es kommt einem auch bloß ſo vor. Alſo die guten Nummern fallen aus. Und da ſind wir denn wieder bei Gunder¬ mann.“
„Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er ſoll ja auch ſo zweideutig ſein. Uncke hat es mir geſagt; Uncke hat freilich immer das Wort ‚zweideutig‘. Aber es wird wohl ſtimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne richtige Berlinſche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich.“
„Ja, Engelke, du ſollſt mir helfen und machſt es bloß noch ſchlimmer. Wir könnten es mit Katzler verſuchen, aber da iſt das Kind krank, und vielleicht ſtirbt es. Und dann haben wir natürlich noch unſern Paſtor; nu der ginge, bloß daß er immer ſo ſtill daſitzt, wie wenn er auf den heiligen Geiſt wartet. Und mitunter kommt er; aber noch öfter kommt er nicht. Und ſolche Herrſchaften, die dran gewöhnt ſind, daß einer in einem fort was Feines ſagt, ja, was ſollen die mit unſerm Lorenzen? Er iſt ein Schweiger.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0335"n="328"/>
aber ſie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht iſt ihr<lb/>
Schlitten beſſer als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das<lb/>
Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch<lb/>
nicht beſſer. Und dabei denkt ſie, ‚ſie is was‘, was am<lb/>
Ende auch wieder gut is, denn wenn der Menſch erſt<lb/>
denkt, ‚es is gar nichts mit ihm‘, dann is es auch<lb/>
nichts.“</p><lb/><p>„Und dann, gnäd'ger Herr, ſie is ja doch 'ne Domina<lb/>
und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal geleſen, ſie<lb/>ſei eigentlich mehr als ein Major.“</p><lb/><p>„Na, jedenfalls iſt ſie mehr als ihr Bruder; ſo 'n<lb/>
vergeſſener Major is ein Jammer. Aber Adelheid ſelbſt,<lb/>ſo auf 'n erſten Anhieb, is auch bloß ſo ſo. Wir müſſen<lb/>
jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor.<lb/>
Baron Beetz und der alte Zühlen, die die beſten ſind, die<lb/>
wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, ſeit wir die Eiſen¬<lb/>
bahnen haben, laufen die Pferde ſchlechter. Oder es<lb/>
kommt einem auch bloß ſo vor. Alſo die guten Nummern<lb/>
fallen aus. Und da ſind wir denn wieder bei Gunder¬<lb/>
mann.“</p><lb/><p>„Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er ſoll ja auch<lb/>ſo zweideutig ſein. Uncke hat es mir geſagt; Uncke hat<lb/>
freilich immer das Wort ‚zweideutig‘. Aber es wird wohl<lb/>ſtimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne<lb/>
richtige Berlinſche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich.“</p><lb/><p>„Ja, Engelke, du ſollſt mir helfen und machſt es bloß<lb/>
noch ſchlimmer. Wir könnten es mit Katzler verſuchen,<lb/>
aber da iſt das Kind krank, und vielleicht ſtirbt es. Und<lb/>
dann haben wir natürlich noch unſern Paſtor; nu der<lb/>
ginge, bloß daß er immer ſo ſtill daſitzt, wie wenn er<lb/>
auf den heiligen Geiſt wartet. Und mitunter kommt er;<lb/>
aber noch öfter kommt er nicht. Und ſolche Herrſchaften,<lb/>
die dran gewöhnt ſind, daß einer in einem fort was<lb/>
Feines ſagt, ja, was ſollen die mit unſerm Lorenzen?<lb/>
Er iſt ein Schweiger.“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[328/0335]
aber ſie kann ja 'nen Schlitten nehmen. Vielleicht iſt ihr
Schlitten beſſer als ihr Wagen. Gott, wenn ich an das
Verdeck denke mit der großen Lederflicke, da wird mir auch
nicht beſſer. Und dabei denkt ſie, ‚ſie is was‘, was am
Ende auch wieder gut is, denn wenn der Menſch erſt
denkt, ‚es is gar nichts mit ihm‘, dann is es auch
nichts.“
„Und dann, gnäd'ger Herr, ſie is ja doch 'ne Domina
und hat 'nen Rang. Und ich hab' auch mal geleſen, ſie
ſei eigentlich mehr als ein Major.“
„Na, jedenfalls iſt ſie mehr als ihr Bruder; ſo 'n
vergeſſener Major is ein Jammer. Aber Adelheid ſelbſt,
ſo auf 'n erſten Anhieb, is auch bloß ſo ſo. Wir müſſen
jedenfalls noch wen dazu haben. Schlage was vor.
Baron Beetz und der alte Zühlen, die die beſten ſind, die
wohnen zu weit ab, und ich weiß nicht, ſeit wir die Eiſen¬
bahnen haben, laufen die Pferde ſchlechter. Oder es
kommt einem auch bloß ſo vor. Alſo die guten Nummern
fallen aus. Und da ſind wir denn wieder bei Gunder¬
mann.“
„Ach, gnäd'ger Herr, den nich. Un er ſoll ja auch
ſo zweideutig ſein. Uncke hat es mir geſagt; Uncke hat
freilich immer das Wort ‚zweideutig‘. Aber es wird wohl
ſtimmen. Un dann die Frau Gundermann. Das is 'ne
richtige Berlinſche. Verlaß is auf ihm nich und auf ihr nich.“
„Ja, Engelke, du ſollſt mir helfen und machſt es bloß
noch ſchlimmer. Wir könnten es mit Katzler verſuchen,
aber da iſt das Kind krank, und vielleicht ſtirbt es. Und
dann haben wir natürlich noch unſern Paſtor; nu der
ginge, bloß daß er immer ſo ſtill daſitzt, wie wenn er
auf den heiligen Geiſt wartet. Und mitunter kommt er;
aber noch öfter kommt er nicht. Und ſolche Herrſchaften,
die dran gewöhnt ſind, daß einer in einem fort was
Feines ſagt, ja, was ſollen die mit unſerm Lorenzen?
Er iſt ein Schweiger.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/335>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.