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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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was Dein alter Vater, weil Feilenhauer Torgelow mäch¬
tiger war als er, nicht erreichen konnte: den Einzug ins
Reichshaus mit dem freien Blick auf Kroll. Mehr kann
ich in diesem Augenblick nicht sagen, auch meine Freude
nicht höher spannen, und in diesem relativen Ruhigbleiben
empfind' ich zum erstenmal eine gewisse Familienähnlich¬
keit mit meiner Schwester Adelheid, deren Glaubens¬
bekenntnis im letzten darauf hinausläuft: Kleinadel über
Hochadel, Junker über Graf. Ja, ich fühle, Deinen Gräf¬
lichkeiten gegenüber, wie sich der Junker ein bißchen in
mir regt. Die reichen und vornehmen Herren sind doch
immer ganz eigene Leute, die wohl Fühlung mit uns
haben, unter Umständen auch suchen, aber das Fühlung¬
halten nach oben ist ihnen schließlich doch viel, viel wichtiger.
Es heißt wohl immer "wir Kleinen, wir machten alles
und könnten alles," aber bei Lichte besehn, ist es bloß
das alte: "Du glaubst zu schieben und Du wirst geschoben."
Glaube mir, Woldemar, wir werden geschoben und sind
bloß Sturmbock. Immer dieselbe Geschichte, wie mit
Protz und Proletarier. Die Proletarier -- wie sie noch
echt waren, jetzt mag es wohl anders damit sein -- waren
auch bloß immer dazu da, die Kastanien aus dem Feuer
zu holen; aber ging es dann schief, dann wanderte Bruder
Habenichts nach Spandau und Bruder Protz legte sich zu
Bett. Und mit Hochadel und Kleinadel ist es beinah'
ebenso. Natürlich heiratet eine Ermyntrud mal einen
Katzler, aber eigentlich äugt sie doch mehr nach einem
Stuart oder Wasa, wenn es deren noch giebt. Wird aber
wohl nich. Entschuldige diesen Herzenserguß, dem Du
nicht mehr Gewicht beilegen mußt, als ihm zukommt.
Es kam mir das alles so von ungefähr in die Feder,
weil ich grade heute wieder gelesen habe, wie man einen
von uns, der durch Eintreten eines Ippe-Büchsenstein hätte ge¬
rettet werden können, schändlich im Stich gelassen hat. Ippe-
Büchsenstein ist natürlich nur Begriff. Alles in allem:

was Dein alter Vater, weil Feilenhauer Torgelow mäch¬
tiger war als er, nicht erreichen konnte: den Einzug ins
Reichshaus mit dem freien Blick auf Kroll. Mehr kann
ich in dieſem Augenblick nicht ſagen, auch meine Freude
nicht höher ſpannen, und in dieſem relativen Ruhigbleiben
empfind' ich zum erſtenmal eine gewiſſe Familienähnlich¬
keit mit meiner Schweſter Adelheid, deren Glaubens¬
bekenntnis im letzten darauf hinausläuft: Kleinadel über
Hochadel, Junker über Graf. Ja, ich fühle, Deinen Gräf¬
lichkeiten gegenüber, wie ſich der Junker ein bißchen in
mir regt. Die reichen und vornehmen Herren ſind doch
immer ganz eigene Leute, die wohl Fühlung mit uns
haben, unter Umſtänden auch ſuchen, aber das Fühlung¬
halten nach oben iſt ihnen ſchließlich doch viel, viel wichtiger.
Es heißt wohl immer „wir Kleinen, wir machten alles
und könnten alles,“ aber bei Lichte beſehn, iſt es bloß
das alte: „Du glaubſt zu ſchieben und Du wirſt geſchoben.“
Glaube mir, Woldemar, wir werden geſchoben und ſind
bloß Sturmbock. Immer dieſelbe Geſchichte, wie mit
Protz und Proletarier. Die Proletarier — wie ſie noch
echt waren, jetzt mag es wohl anders damit ſein — waren
auch bloß immer dazu da, die Kaſtanien aus dem Feuer
zu holen; aber ging es dann ſchief, dann wanderte Bruder
Habenichts nach Spandau und Bruder Protz legte ſich zu
Bett. Und mit Hochadel und Kleinadel iſt es beinah'
ebenſo. Natürlich heiratet eine Ermyntrud mal einen
Katzler, aber eigentlich äugt ſie doch mehr nach einem
Stuart oder Waſa, wenn es deren noch giebt. Wird aber
wohl nich. Entſchuldige dieſen Herzenserguß, dem Du
nicht mehr Gewicht beilegen mußt, als ihm zukommt.
Es kam mir das alles ſo von ungefähr in die Feder,
weil ich grade heute wieder geleſen habe, wie man einen
von uns, der durch Eintreten eines Ippe-Büchſenſtein hätte ge¬
rettet werden können, ſchändlich im Stich gelaſſen hat. Ippe-
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[324/0331] was Dein alter Vater, weil Feilenhauer Torgelow mäch¬ tiger war als er, nicht erreichen konnte: den Einzug ins Reichshaus mit dem freien Blick auf Kroll. Mehr kann ich in dieſem Augenblick nicht ſagen, auch meine Freude nicht höher ſpannen, und in dieſem relativen Ruhigbleiben empfind' ich zum erſtenmal eine gewiſſe Familienähnlich¬ keit mit meiner Schweſter Adelheid, deren Glaubens¬ bekenntnis im letzten darauf hinausläuft: Kleinadel über Hochadel, Junker über Graf. Ja, ich fühle, Deinen Gräf¬ lichkeiten gegenüber, wie ſich der Junker ein bißchen in mir regt. Die reichen und vornehmen Herren ſind doch immer ganz eigene Leute, die wohl Fühlung mit uns haben, unter Umſtänden auch ſuchen, aber das Fühlung¬ halten nach oben iſt ihnen ſchließlich doch viel, viel wichtiger. Es heißt wohl immer „wir Kleinen, wir machten alles und könnten alles,“ aber bei Lichte beſehn, iſt es bloß das alte: „Du glaubſt zu ſchieben und Du wirſt geſchoben.“ Glaube mir, Woldemar, wir werden geſchoben und ſind bloß Sturmbock. Immer dieſelbe Geſchichte, wie mit Protz und Proletarier. Die Proletarier — wie ſie noch echt waren, jetzt mag es wohl anders damit ſein — waren auch bloß immer dazu da, die Kaſtanien aus dem Feuer zu holen; aber ging es dann ſchief, dann wanderte Bruder Habenichts nach Spandau und Bruder Protz legte ſich zu Bett. Und mit Hochadel und Kleinadel iſt es beinah' ebenſo. Natürlich heiratet eine Ermyntrud mal einen Katzler, aber eigentlich äugt ſie doch mehr nach einem Stuart oder Waſa, wenn es deren noch giebt. Wird aber wohl nich. Entſchuldige dieſen Herzenserguß, dem Du nicht mehr Gewicht beilegen mußt, als ihm zukommt. Es kam mir das alles ſo von ungefähr in die Feder, weil ich grade heute wieder geleſen habe, wie man einen von uns, der durch Eintreten eines Ippe-Büchſenſtein hätte ge¬ rettet werden können, ſchändlich im Stich gelaſſen hat. Ippe- Büchſenſtein iſt natürlich nur Begriff. Alles in allem:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/331>, abgerufen am 25.11.2024.