das beste. Wovon Sie nicht geschrieben, davon müssen Sie jetzt sprechen. Wie war es drüben? Ich meine mit der Schönheit."
"Ich habe nichts einzelnes gesehn, was mich frappiert oder gar hingerissen hätte."
"Nichts Einzelnes. Soll das heißen, daß Sie dafür das Ganze beinah' bewundert haben, will also sagen, die weibliche Totalität?"
"Fast könnt' ich dem zustimmen. Ich erinnere mich, daß mir vor Jahr und Tag schon ein Freund einmal sagte, "in der ganzen Welt fände man, Gott sei Dank, schöne Frauen, aber nur in England seien die Frauen überhaupt schön"."
"Und das haben Sie geglaubt?"
"Es liegt eigentlich schlimmer, gnädigste Gräfin. Ich hab' es nicht geglaubt; aber ich hab' es, meinem Nichtglauben zum Trotz, nachträglich bestätigt gefunden."
"Und Sie schaudern nicht vor solcher Übertreibung?"
"Ich kann es nicht, so sehr ich gerade hier eine Ver¬ pflichtung dazu fühle ..."
"Keine Bestechungen."
"Ich soll schaudern vor einer Übertreibung," fuhr Woldemar fort. "Aber Sie werden mir, Frau Gräfin, dies Schaudern vielleicht erlassen, wenn ich Erklärungen abgegeben haben werde. Der Englandschwärmer, den ich da vorhin citierte, war ein Freund von zugespitzten Sätzen, und zugespitzte Sätze darf man nie wörtlich nehmen. Und am wenigsten auf diesem difficilen Gebiete. Nirgends in der Welt blühen Schönheiten wie die gelben Butterblumen übers Feld hin; wirkliche Schönheiten sind schließlich immer Seltenheiten. Wären sie nicht selten, so wären sie nicht schön, oder wir fänden es nicht, weil wir einen andern Maßstab hätten. All das steht fest. Aber es giebt doch Durchschnittsvorzüge, die den Typus des Ganzen bestimmen, und diesem Maße nicht geradezu
das beſte. Wovon Sie nicht geſchrieben, davon müſſen Sie jetzt ſprechen. Wie war es drüben? Ich meine mit der Schönheit.“
„Ich habe nichts einzelnes geſehn, was mich frappiert oder gar hingeriſſen hätte.“
„Nichts Einzelnes. Soll das heißen, daß Sie dafür das Ganze beinah' bewundert haben, will alſo ſagen, die weibliche Totalität?“
„Faſt könnt' ich dem zuſtimmen. Ich erinnere mich, daß mir vor Jahr und Tag ſchon ein Freund einmal ſagte, „in der ganzen Welt fände man, Gott ſei Dank, ſchöne Frauen, aber nur in England ſeien die Frauen überhaupt ſchön“.“
„Und das haben Sie geglaubt?“
„Es liegt eigentlich ſchlimmer, gnädigſte Gräfin. Ich hab' es nicht geglaubt; aber ich hab' es, meinem Nichtglauben zum Trotz, nachträglich beſtätigt gefunden.“
„Und Sie ſchaudern nicht vor ſolcher Übertreibung?“
„Ich kann es nicht, ſo ſehr ich gerade hier eine Ver¬ pflichtung dazu fühle ...“
„Keine Beſtechungen.“
„Ich ſoll ſchaudern vor einer Übertreibung,“ fuhr Woldemar fort. „Aber Sie werden mir, Frau Gräfin, dies Schaudern vielleicht erlaſſen, wenn ich Erklärungen abgegeben haben werde. Der Englandſchwärmer, den ich da vorhin citierte, war ein Freund von zugeſpitzten Sätzen, und zugeſpitzte Sätze darf man nie wörtlich nehmen. Und am wenigſten auf dieſem difficilen Gebiete. Nirgends in der Welt blühen Schönheiten wie die gelben Butterblumen übers Feld hin; wirkliche Schönheiten ſind ſchließlich immer Seltenheiten. Wären ſie nicht ſelten, ſo wären ſie nicht ſchön, oder wir fänden es nicht, weil wir einen andern Maßſtab hätten. All das ſteht feſt. Aber es giebt doch Durchſchnittsvorzüge, die den Typus des Ganzen beſtimmen, und dieſem Maße nicht geradezu
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[310/0317]
das beſte. Wovon Sie nicht geſchrieben, davon müſſen
Sie jetzt ſprechen. Wie war es drüben? Ich meine mit
der Schönheit.“
„Ich habe nichts einzelnes geſehn, was mich frappiert
oder gar hingeriſſen hätte.“
„Nichts Einzelnes. Soll das heißen, daß Sie dafür
das Ganze beinah' bewundert haben, will alſo ſagen, die
weibliche Totalität?“
„Faſt könnt' ich dem zuſtimmen. Ich erinnere mich,
daß mir vor Jahr und Tag ſchon ein Freund einmal
ſagte, „in der ganzen Welt fände man, Gott ſei Dank,
ſchöne Frauen, aber nur in England ſeien die Frauen
überhaupt ſchön“.“
„Und das haben Sie geglaubt?“
„Es liegt eigentlich ſchlimmer, gnädigſte Gräfin.
Ich hab' es nicht geglaubt; aber ich hab' es, meinem
Nichtglauben zum Trotz, nachträglich beſtätigt gefunden.“
„Und Sie ſchaudern nicht vor ſolcher Übertreibung?“
„Ich kann es nicht, ſo ſehr ich gerade hier eine Ver¬
pflichtung dazu fühle ...“
„Keine Beſtechungen.“
„Ich ſoll ſchaudern vor einer Übertreibung,“ fuhr
Woldemar fort. „Aber Sie werden mir, Frau Gräfin,
dies Schaudern vielleicht erlaſſen, wenn ich Erklärungen
abgegeben haben werde. Der Englandſchwärmer, den ich
da vorhin citierte, war ein Freund von zugeſpitzten Sätzen,
und zugeſpitzte Sätze darf man nie wörtlich nehmen. Und
am wenigſten auf dieſem difficilen Gebiete. Nirgends in
der Welt blühen Schönheiten wie die gelben Butterblumen
übers Feld hin; wirkliche Schönheiten ſind ſchließlich
immer Seltenheiten. Wären ſie nicht ſelten, ſo wären ſie
nicht ſchön, oder wir fänden es nicht, weil wir einen
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giebt doch Durchſchnittsvorzüge, die den Typus des
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/317>, abgerufen am 24.11.2024.
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