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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Vorliebe für solch vierhändiges Spiel Ausdruck zu geben,
was Wrschowitz, dessen Künstlerüberheblichkeit keine Grenzen
kannte, zu der ruhig lächelnden Gegenbemerkung veran¬
laßte, daß man dieser Auffassung bei Dilettanten sehr
häufig begegne. Der alte Graf, wenig befriedigt von
dieser "Krittikk", war doch andrerseits viel zu vertraut
mit Künstlerallüren im allgemeinen und mit den Wrscho¬
witzschen im besonderen, um sich ernstlich über solche Worte
zu verwundern. Er begnügte sich vielmehr mit einer ge¬
messenen Verbeugung gegen den Musikdoktor und zog, auf
einer nebenstehenden Causeuse Platz nehmend, die gute
Frau von Berchtesgaden ins Gespräch, von der er wußte,
daß ihre Munterkeiten nie den Charakter "goldener Rück¬
sichtslosigkeiten" annahmen.

Wrschowitz seinerseits war an dem aufgeklappten
Flügel stehen geblieben, ohne jede Spur von Verlegen¬
heit, so daß ein Sichkümmern um ihn eigentlich nicht nötig
gewesen wäre. Trotzdem hielt es Czako für angezeigt, sich
seiner anzunehmen und dabei die herkömmliche Frage zu
thun "ob er, der Herr Dr. Wrschowitz, sich schon in Berlin
eingelebt habe?"

"Hab' ich," sagte Wrschowitz kurz.

"Und beklagen es nicht, Ihr Zelt unter uns auf¬
geschlagen zu haben?"

"Au contraire. Berlin eine schöne Stadt, eine serr
gutte Stadt. Eine serr gutte Stadt pour moi en parti¬
culier et pour les etrangers en general
. Eine serr
gutte Stadt, weil es hat Musikk und weil es hat Krittikk."

"Ich bin beglückt, Dr. Wrschowitz, speziell aus Ihrem
Munde so viel Gutes über unsre Stadt zu hören. Im
allgemeinen ist die slavische, besonders die tschechische
Welt ..."

"O, die tschechische Welt. Vanitas vanitatum."

"Es ist sehr selten, in nationalen Fragen einem so
freien Drüberstehn zu begegnen ... Aber wenn es Ihnen

Vorliebe für ſolch vierhändiges Spiel Ausdruck zu geben,
was Wrſchowitz, deſſen Künſtlerüberheblichkeit keine Grenzen
kannte, zu der ruhig lächelnden Gegenbemerkung veran¬
laßte, daß man dieſer Auffaſſung bei Dilettanten ſehr
häufig begegne. Der alte Graf, wenig befriedigt von
dieſer „Krittikk“, war doch andrerſeits viel zu vertraut
mit Künſtlerallüren im allgemeinen und mit den Wrſcho¬
witzſchen im beſonderen, um ſich ernſtlich über ſolche Worte
zu verwundern. Er begnügte ſich vielmehr mit einer ge¬
meſſenen Verbeugung gegen den Muſikdoktor und zog, auf
einer nebenſtehenden Cauſeuſe Platz nehmend, die gute
Frau von Berchtesgaden ins Geſpräch, von der er wußte,
daß ihre Munterkeiten nie den Charakter „goldener Rück¬
ſichtsloſigkeiten“ annahmen.

Wrſchowitz ſeinerſeits war an dem aufgeklappten
Flügel ſtehen geblieben, ohne jede Spur von Verlegen¬
heit, ſo daß ein Sichkümmern um ihn eigentlich nicht nötig
geweſen wäre. Trotzdem hielt es Czako für angezeigt, ſich
ſeiner anzunehmen und dabei die herkömmliche Frage zu
thun „ob er, der Herr Dr. Wrſchowitz, ſich ſchon in Berlin
eingelebt habe?“

„Hab' ich,“ ſagte Wrſchowitz kurz.

„Und beklagen es nicht, Ihr Zelt unter uns auf¬
geſchlagen zu haben?“

Au contraire. Berlin eine ſchöne Stadt, eine ſerr
gutte Stadt. Eine ſerr gutte Stadt pour moi en parti¬
culier et pour les étrangers en général
. Eine ſerr
gutte Stadt, weil es hat Muſikk und weil es hat Krittikk.“

„Ich bin beglückt, Dr. Wrſchowitz, ſpeziell aus Ihrem
Munde ſo viel Gutes über unſre Stadt zu hören. Im
allgemeinen iſt die ſlaviſche, beſonders die tſchechiſche
Welt ...“

„O, die tſchechiſche Welt. Vanitas vanitatum.“

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freien Drüberſtehn zu begegnen ... Aber wenn es Ihnen

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[302/0309] Vorliebe für ſolch vierhändiges Spiel Ausdruck zu geben, was Wrſchowitz, deſſen Künſtlerüberheblichkeit keine Grenzen kannte, zu der ruhig lächelnden Gegenbemerkung veran¬ laßte, daß man dieſer Auffaſſung bei Dilettanten ſehr häufig begegne. Der alte Graf, wenig befriedigt von dieſer „Krittikk“, war doch andrerſeits viel zu vertraut mit Künſtlerallüren im allgemeinen und mit den Wrſcho¬ witzſchen im beſonderen, um ſich ernſtlich über ſolche Worte zu verwundern. Er begnügte ſich vielmehr mit einer ge¬ meſſenen Verbeugung gegen den Muſikdoktor und zog, auf einer nebenſtehenden Cauſeuſe Platz nehmend, die gute Frau von Berchtesgaden ins Geſpräch, von der er wußte, daß ihre Munterkeiten nie den Charakter „goldener Rück¬ ſichtsloſigkeiten“ annahmen. Wrſchowitz ſeinerſeits war an dem aufgeklappten Flügel ſtehen geblieben, ohne jede Spur von Verlegen¬ heit, ſo daß ein Sichkümmern um ihn eigentlich nicht nötig geweſen wäre. Trotzdem hielt es Czako für angezeigt, ſich ſeiner anzunehmen und dabei die herkömmliche Frage zu thun „ob er, der Herr Dr. Wrſchowitz, ſich ſchon in Berlin eingelebt habe?“ „Hab' ich,“ ſagte Wrſchowitz kurz. „Und beklagen es nicht, Ihr Zelt unter uns auf¬ geſchlagen zu haben?“ „Au contraire. Berlin eine ſchöne Stadt, eine ſerr gutte Stadt. Eine ſerr gutte Stadt pour moi en parti¬ culier et pour les étrangers en général. Eine ſerr gutte Stadt, weil es hat Muſikk und weil es hat Krittikk.“ „Ich bin beglückt, Dr. Wrſchowitz, ſpeziell aus Ihrem Munde ſo viel Gutes über unſre Stadt zu hören. Im allgemeinen iſt die ſlaviſche, beſonders die tſchechiſche Welt ...“ „O, die tſchechiſche Welt. Vanitas vanitatum.“ „Es iſt ſehr ſelten, in nationalen Fragen einem ſo freien Drüberſtehn zu begegnen ... Aber wenn es Ihnen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/309>, abgerufen am 23.11.2024.