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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Rede, und sein großes Präbendenkreuz ziere nicht bloß
ihn, sondern den ganzen Tisch. Einige sprächen freilich
immer von seinem Götzengesicht und seiner Häßlichkeit,
aber auch das schade nichts. Heutzutage, wo die meisten
Menschen einen Friseurkopf hätten, sei es eine ordent¬
liche Erquickung, einem Gesicht zu begegnen, das in
seiner Eigenart eigentlich gar nicht unterzubringen sei.
Dieser von dem alten Zühlen, trotz seiner Vorliebe für
Dubslav, eindringlich gehaltenen Rede war allgemein
zugestimmt worden, und Baron Beetz hatte den götzen¬
haften Alten-Friesacker an seinen Ehrenplatz geführt.
Natürlich gab es auch Schandmäuler. An ihrer Spitze
stand Molchow, der dem neben ihm sitzenden Katzler
zuflüsterte: "Wahres Glück, Katzler, daß der Alte drüben
die große Blumenvase vor sich hat; sonst, so bei veau
en tortue
, -- vorausgesetzt, daß so was Feines über¬
haupt in Sicht steht -- würd' ich der Sache nicht ge¬
wachsen sein."

Und nun schwieg der von einem Thormeyerschen
Unterlehrer gespielte Tannhäusermarsch, und als eine
bestimmte Zeit danach der Moment für den ersten Toast
da war, erhob sich Baron Beetz und sagte: "Meine
Herren. Unser Edler Herr von Alten-Friesack ist von
der Pflicht und dem Wunsch erfüllt, den Toast auf
Seine Majestät den Kaiser und König auszubringen."
Und während der Alte, das Gesagte bestätigend, mit
seinem Glase grüßte, setzte der in seiner alter ego-
Rolle verbleibende Baron Beetz hinzu: "Seine Majestät
der Kaiser und König lebe hoch!" Der Alten-Friesacker
gab auch hierzu durch Nicken seine Zustimmung, und
während der junge Lehrer abermals auf den auf einer
Rheinsberger Schloßauktion erstandenen alten Flügel
zueilte, stimmte man an der ganzen Tafel hin das
"Heil dir im Siegerkranz" an, dessen erster Vers stehend
gesungen wurde.

Rede, und ſein großes Präbendenkreuz ziere nicht bloß
ihn, ſondern den ganzen Tiſch. Einige ſprächen freilich
immer von ſeinem Götzengeſicht und ſeiner Häßlichkeit,
aber auch das ſchade nichts. Heutzutage, wo die meiſten
Menſchen einen Friſeurkopf hätten, ſei es eine ordent¬
liche Erquickung, einem Geſicht zu begegnen, das in
ſeiner Eigenart eigentlich gar nicht unterzubringen ſei.
Dieſer von dem alten Zühlen, trotz ſeiner Vorliebe für
Dubslav, eindringlich gehaltenen Rede war allgemein
zugeſtimmt worden, und Baron Beetz hatte den götzen¬
haften Alten-Frieſacker an ſeinen Ehrenplatz geführt.
Natürlich gab es auch Schandmäuler. An ihrer Spitze
ſtand Molchow, der dem neben ihm ſitzenden Katzler
zuflüſterte: „Wahres Glück, Katzler, daß der Alte drüben
die große Blumenvaſe vor ſich hat; ſonſt, ſo bei veau
en tortue
, — vorausgeſetzt, daß ſo was Feines über¬
haupt in Sicht ſteht — würd' ich der Sache nicht ge¬
wachſen ſein.“

Und nun ſchwieg der von einem Thormeyerſchen
Unterlehrer geſpielte Tannhäuſermarſch, und als eine
beſtimmte Zeit danach der Moment für den erſten Toaſt
da war, erhob ſich Baron Beetz und ſagte: „Meine
Herren. Unſer Edler Herr von Alten-Frieſack iſt von
der Pflicht und dem Wunſch erfüllt, den Toaſt auf
Seine Majeſtät den Kaiſer und König auszubringen.“
Und während der Alte, das Geſagte beſtätigend, mit
ſeinem Glaſe grüßte, ſetzte der in ſeiner alter ego-
Rolle verbleibende Baron Beetz hinzu: „Seine Majeſtät
der Kaiſer und König lebe hoch!“ Der Alten-Frieſacker
gab auch hierzu durch Nicken ſeine Zuſtimmung, und
während der junge Lehrer abermals auf den auf einer
Rheinsberger Schloßauktion erſtandenen alten Flügel
zueilte, ſtimmte man an der ganzen Tafel hin das
„Heil dir im Siegerkranz“ an, deſſen erſter Vers ſtehend
geſungen wurde.

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[248/0255] Rede, und ſein großes Präbendenkreuz ziere nicht bloß ihn, ſondern den ganzen Tiſch. Einige ſprächen freilich immer von ſeinem Götzengeſicht und ſeiner Häßlichkeit, aber auch das ſchade nichts. Heutzutage, wo die meiſten Menſchen einen Friſeurkopf hätten, ſei es eine ordent¬ liche Erquickung, einem Geſicht zu begegnen, das in ſeiner Eigenart eigentlich gar nicht unterzubringen ſei. Dieſer von dem alten Zühlen, trotz ſeiner Vorliebe für Dubslav, eindringlich gehaltenen Rede war allgemein zugeſtimmt worden, und Baron Beetz hatte den götzen¬ haften Alten-Frieſacker an ſeinen Ehrenplatz geführt. Natürlich gab es auch Schandmäuler. An ihrer Spitze ſtand Molchow, der dem neben ihm ſitzenden Katzler zuflüſterte: „Wahres Glück, Katzler, daß der Alte drüben die große Blumenvaſe vor ſich hat; ſonſt, ſo bei veau en tortue, — vorausgeſetzt, daß ſo was Feines über¬ haupt in Sicht ſteht — würd' ich der Sache nicht ge¬ wachſen ſein.“ Und nun ſchwieg der von einem Thormeyerſchen Unterlehrer geſpielte Tannhäuſermarſch, und als eine beſtimmte Zeit danach der Moment für den erſten Toaſt da war, erhob ſich Baron Beetz und ſagte: „Meine Herren. Unſer Edler Herr von Alten-Frieſack iſt von der Pflicht und dem Wunſch erfüllt, den Toaſt auf Seine Majeſtät den Kaiſer und König auszubringen.“ Und während der Alte, das Geſagte beſtätigend, mit ſeinem Glaſe grüßte, ſetzte der in ſeiner alter ego- Rolle verbleibende Baron Beetz hinzu: „Seine Majeſtät der Kaiſer und König lebe hoch!“ Der Alten-Frieſacker gab auch hierzu durch Nicken ſeine Zuſtimmung, und während der junge Lehrer abermals auf den auf einer Rheinsberger Schloßauktion erſtandenen alten Flügel zueilte, ſtimmte man an der ganzen Tafel hin das „Heil dir im Siegerkranz“ an, deſſen erſter Vers ſtehend geſungen wurde.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/255>, abgerufen am 25.11.2024.