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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Geh mir, Isidor, die kenn' ich. Die Menschheit,
die will haben, aber nicht geben. Und jetzt wollen sie
auch noch teilen."

"Laß sie teilen, Vater."

"Gott der Gerechte, was meinst du, was du kriegst?
Nicht den zehnten Teil."

Und ähnlich ging es in den andern Ortschaften. In
Wutz sprach Fix für das Kloster und die Konservativen
im allgemeinen, ohne dabei Dubslav in Vorschlag zu
bringen, weil er wußte, wie die Domina zu ihrem Bruder
stand. Ein Linkskandidat aus Cremmen schien denn auch
in der Wutzer Gegend die Oberhand gewinnen zu sollen.
Noch gefährlicher für die ganze Grafschaft war aber ein
Wanderapostel aus Berlin, der von Dorf zu Dorf zog
und die kleinen Leute dahin belehrte, daß es ein Unsinn
sei, von Adel und Kirche was zu erwarten. Die ver¬
trösteten immer bloß auf den Himmel. Achtstündiger
Arbeitstag und Lohnerhöhung und Sonntagspartie nach
Finkenkrug, -- das sei das Wahre.

So zersplitterte sich's allerorten. Aber wenigstens
um den Stechlin herum hoffte man der Sache noch Herr
werden und alle Stimmen auf Dubslav vereinigen zu
können. Im Dorfkruge wollte man zu diesem Zwecke be¬
raten, und Donnerstag sieben Uhr war dazu festgesetzt.


Der Stechliner Krug lag an dem Platze, der durch
die Kreuzung der von Wutz her heranführenden Kastanien¬
allee mit der eigentlichen Dorfstraße gebildet wurde, und
war unter den vier hier gelegenen Eckhäusern das statt¬
lichste. Vor seiner Front standen ein paar uralte Linden,
und drei, vier Stehkrippen waren bis dicht an die Haus¬
wand heran geschoben, aber alle ganz nach links hin, wo
sich Eckladen und Gaststube befanden, während nach der

„Geh mir, Iſidor, die kenn' ich. Die Menſchheit,
die will haben, aber nicht geben. Und jetzt wollen ſie
auch noch teilen.“

„Laß ſie teilen, Vater.“

„Gott der Gerechte, was meinſt du, was du kriegſt?
Nicht den zehnten Teil.“

Und ähnlich ging es in den andern Ortſchaften. In
Wutz ſprach Fix für das Kloſter und die Konſervativen
im allgemeinen, ohne dabei Dubslav in Vorſchlag zu
bringen, weil er wußte, wie die Domina zu ihrem Bruder
ſtand. Ein Linkskandidat aus Cremmen ſchien denn auch
in der Wutzer Gegend die Oberhand gewinnen zu ſollen.
Noch gefährlicher für die ganze Grafſchaft war aber ein
Wanderapoſtel aus Berlin, der von Dorf zu Dorf zog
und die kleinen Leute dahin belehrte, daß es ein Unſinn
ſei, von Adel und Kirche was zu erwarten. Die ver¬
tröſteten immer bloß auf den Himmel. Achtſtündiger
Arbeitstag und Lohnerhöhung und Sonntagspartie nach
Finkenkrug, — das ſei das Wahre.

So zerſplitterte ſich's allerorten. Aber wenigſtens
um den Stechlin herum hoffte man der Sache noch Herr
werden und alle Stimmen auf Dubslav vereinigen zu
können. Im Dorfkruge wollte man zu dieſem Zwecke be¬
raten, und Donnerſtag ſieben Uhr war dazu feſtgeſetzt.


Der Stechliner Krug lag an dem Platze, der durch
die Kreuzung der von Wutz her heranführenden Kaſtanien¬
allee mit der eigentlichen Dorfſtraße gebildet wurde, und
war unter den vier hier gelegenen Eckhäuſern das ſtatt¬
lichſte. Vor ſeiner Front ſtanden ein paar uralte Linden,
und drei, vier Stehkrippen waren bis dicht an die Haus¬
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[212/0219] „Geh mir, Iſidor, die kenn' ich. Die Menſchheit, die will haben, aber nicht geben. Und jetzt wollen ſie auch noch teilen.“ „Laß ſie teilen, Vater.“ „Gott der Gerechte, was meinſt du, was du kriegſt? Nicht den zehnten Teil.“ Und ähnlich ging es in den andern Ortſchaften. In Wutz ſprach Fix für das Kloſter und die Konſervativen im allgemeinen, ohne dabei Dubslav in Vorſchlag zu bringen, weil er wußte, wie die Domina zu ihrem Bruder ſtand. Ein Linkskandidat aus Cremmen ſchien denn auch in der Wutzer Gegend die Oberhand gewinnen zu ſollen. Noch gefährlicher für die ganze Grafſchaft war aber ein Wanderapoſtel aus Berlin, der von Dorf zu Dorf zog und die kleinen Leute dahin belehrte, daß es ein Unſinn ſei, von Adel und Kirche was zu erwarten. Die ver¬ tröſteten immer bloß auf den Himmel. Achtſtündiger Arbeitstag und Lohnerhöhung und Sonntagspartie nach Finkenkrug, — das ſei das Wahre. So zerſplitterte ſich's allerorten. Aber wenigſtens um den Stechlin herum hoffte man der Sache noch Herr werden und alle Stimmen auf Dubslav vereinigen zu können. Im Dorfkruge wollte man zu dieſem Zwecke be¬ raten, und Donnerſtag ſieben Uhr war dazu feſtgeſetzt. Der Stechliner Krug lag an dem Platze, der durch die Kreuzung der von Wutz her heranführenden Kaſtanien¬ allee mit der eigentlichen Dorfſtraße gebildet wurde, und war unter den vier hier gelegenen Eckhäuſern das ſtatt¬ lichſte. Vor ſeiner Front ſtanden ein paar uralte Linden, und drei, vier Stehkrippen waren bis dicht an die Haus¬ wand heran geſchoben, aber alle ganz nach links hin, wo ſich Eckladen und Gaſtſtube befanden, während nach der

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/219>, abgerufen am 22.11.2024.