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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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de Deus, da gab es eine Landestrauer, und
alle Schulen in der Hauptstadt waren geschlossen, und die
Minister und die Leute vom Hof und die Gelehrten und
die Handwerker, alles folgte dem Sarge dicht gedrängt,
und die Fabrikarbeiterinnen hoben schluchzend ihre Kinder
in die Höh' und zeigten auf den Toten und sagten: Un
Santo
, un Santo. Und sie thaten so und sagten so, weil
er für die Armen gelebt hatte und nicht für sich.'""

"Das ist schön," sagte Melusine.

"Ja, das ist schön," wiederholte Woldemar, "und ich
darf hinzusetzen, in dieser Geschichte haben Sie nicht bloß
den Joao de Deus, sondern auch meinen Freund Lorenzen.
Er ist vielleicht nicht ganz wie sein Ideal. Aber Liebe
giebt Ebenbürtigkeit."

"Und so schlag' ich denn vor," sagte die Baronin,
"daß wir den mit dem C, dessen Name mir übrigens
noch einfallen wird, vorläufig absetzen und statt seiner
den neuen mit dem D leben lassen. Und natürlich unsern
Lorenzen dazu."

"Ja, leben lassen," lachte Woldemar. "Aber womit?
worin? Les jours de fete ..." und er wies auf das
Eierhäuschen zurück.

"In dieser Notlage wollen wir uns helfen, so gut
es geht, und uns statt andrer Beschwörung einfach die
Hände reichen, selbstverständlich über Kreuz; hier: erst
Stechlin und Armgard und dann Melusine und ich."

Und wirklich, sie reichten sich in heiterer Feierlichkeit
die Hände.

Gleich danach aber traten die beiden alten Herren
an die Gruppe heran, und der Baron sagte: "Das ist ja
wie Rütli."

"Mehr, mehr. Bah, Freiheit! Was ist Freiheit
gegen Liebe!"

"So, hat's denn eine Verlobung gegeben?"

"Nein ... noch nicht," lachte Melusine.


de Deus, da gab es eine Landestrauer, und
alle Schulen in der Hauptſtadt waren geſchloſſen, und die
Miniſter und die Leute vom Hof und die Gelehrten und
die Handwerker, alles folgte dem Sarge dicht gedrängt,
und die Fabrikarbeiterinnen hoben ſchluchzend ihre Kinder
in die Höh' und zeigten auf den Toten und ſagten: Un
Santo
, un Santo. Und ſie thaten ſo und ſagten ſo, weil
er für die Armen gelebt hatte und nicht für ſich.‘““

„Das iſt ſchön,“ ſagte Meluſine.

„Ja, das iſt ſchön,“ wiederholte Woldemar, „und ich
darf hinzuſetzen, in dieſer Geſchichte haben Sie nicht bloß
den Joao de Deus, ſondern auch meinen Freund Lorenzen.
Er iſt vielleicht nicht ganz wie ſein Ideal. Aber Liebe
giebt Ebenbürtigkeit.“

„Und ſo ſchlag' ich denn vor,“ ſagte die Baronin,
„daß wir den mit dem C, deſſen Name mir übrigens
noch einfallen wird, vorläufig abſetzen und ſtatt ſeiner
den neuen mit dem D leben laſſen. Und natürlich unſern
Lorenzen dazu.“

„Ja, leben laſſen,“ lachte Woldemar. „Aber womit?
worin? Les jours de fête ...“ und er wies auf das
Eierhäuschen zurück.

„In dieſer Notlage wollen wir uns helfen, ſo gut
es geht, und uns ſtatt andrer Beſchwörung einfach die
Hände reichen, ſelbſtverſtändlich über Kreuz; hier: erſt
Stechlin und Armgard und dann Meluſine und ich.“

Und wirklich, ſie reichten ſich in heiterer Feierlichkeit
die Hände.

Gleich danach aber traten die beiden alten Herren
an die Gruppe heran, und der Baron ſagte: „Das iſt ja
wie Rütli.“

„Mehr, mehr. Bah, Freiheit! Was iſt Freiheit
gegen Liebe!“

„So, hat's denn eine Verlobung gegeben?“

„Nein ... noch nicht,“ lachte Meluſine.


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[202/0209] de Deus, da gab es eine Landestrauer, und alle Schulen in der Hauptſtadt waren geſchloſſen, und die Miniſter und die Leute vom Hof und die Gelehrten und die Handwerker, alles folgte dem Sarge dicht gedrängt, und die Fabrikarbeiterinnen hoben ſchluchzend ihre Kinder in die Höh' und zeigten auf den Toten und ſagten: Un Santo, un Santo. Und ſie thaten ſo und ſagten ſo, weil er für die Armen gelebt hatte und nicht für ſich.‘““ „Das iſt ſchön,“ ſagte Meluſine. „Ja, das iſt ſchön,“ wiederholte Woldemar, „und ich darf hinzuſetzen, in dieſer Geſchichte haben Sie nicht bloß den Joao de Deus, ſondern auch meinen Freund Lorenzen. Er iſt vielleicht nicht ganz wie ſein Ideal. Aber Liebe giebt Ebenbürtigkeit.“ „Und ſo ſchlag' ich denn vor,“ ſagte die Baronin, „daß wir den mit dem C, deſſen Name mir übrigens noch einfallen wird, vorläufig abſetzen und ſtatt ſeiner den neuen mit dem D leben laſſen. Und natürlich unſern Lorenzen dazu.“ „Ja, leben laſſen,“ lachte Woldemar. „Aber womit? worin? Les jours de fête ...“ und er wies auf das Eierhäuschen zurück. „In dieſer Notlage wollen wir uns helfen, ſo gut es geht, und uns ſtatt andrer Beſchwörung einfach die Hände reichen, ſelbſtverſtändlich über Kreuz; hier: erſt Stechlin und Armgard und dann Meluſine und ich.“ Und wirklich, ſie reichten ſich in heiterer Feierlichkeit die Hände. Gleich danach aber traten die beiden alten Herren an die Gruppe heran, und der Baron ſagte: „Das iſt ja wie Rütli.“ „Mehr, mehr. Bah, Freiheit! Was iſt Freiheit gegen Liebe!“ „So, hat's denn eine Verlobung gegeben?“ „Nein ... noch nicht,“ lachte Meluſine.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/209>, abgerufen am 22.11.2024.