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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Schöpfer und geistigen Nährvater unsers Freundes Stechlin.
Eh bien, was ist es mit ihm? ,An ihren Früchten sollt
ihr sie erkennen,' -- das könnt' uns beinahe genügen.
Aber ich bin doch für ein Weiteres. Und so denn atten¬
tion au jeu
. Unser Freund Stechlin hat das Wort."

"Ja, unser Freund Stechlin hat das Wort," wieder¬
holte Woldemar, "so sagen Sie gütigst, Frau Gräfin.
Aber dem nachkommen ist nicht so leicht. Vorhin, da war
ich im Zuge. Jetzt wieder damit anfangen, das hat seine
Schwierigkeiten. Und dann erwarten die Damen immer
eine Liebesgeschichte, selbst wenn es sich um einen Mann
handelt, den ich, was diese Dinge betrifft, so wenig ver¬
sprechend eingeführt habe. Sie gehen also, wie heute
schon mehrfach (ich erinnere nur an das Eierhäuschen),
einer grausamen Enttäuschung entgegen."

"Keine Ausflüchte!"

"Nun, so sei's denn. Ich muß es aber auf einem
Umwege versuchen und Ihnen bei der Gelegenheit als
Nächstes schildern, wie meine letzte Begegnung mit Lorenzen
verlief. Er war, als ich bei ihm eintrat, in ersicht¬
lich großer Erregung und zwar über ein Büchelchen, das
er in Händen hielt."

"Und ich will raten, was es war," unterbrach Melusine.

"Nun?"

"Ein Buch von Tolstoj. Etwas mit viel Opfer und
Entsagung. Anpreisung von Ascese."

"Sie sind auf dem richtigen Wege, Gräfin, nur nicht
geographisch. Es handelt sich nämlich nicht östlich um
einen Russen, sondern westlich um einen Portugiesen."

"Um einen Portugiesen," lachte die Baronin. "O,
ich kenne welche. Sie sind alle so klein und gelblich.
Und einer fand einen Seeweg. Freilich schon lange her.
Ist es nicht so?"

"Gewiß, Frau Baronin, es ist so. Nur der, um den

Schöpfer und geiſtigen Nährvater unſers Freundes Stechlin.
Eh bien, was iſt es mit ihm? ‚An ihren Früchten ſollt
ihr ſie erkennen,‘ — das könnt' uns beinahe genügen.
Aber ich bin doch für ein Weiteres. Und ſo denn atten¬
tion au jeu
. Unſer Freund Stechlin hat das Wort.“

„Ja, unſer Freund Stechlin hat das Wort,“ wieder¬
holte Woldemar, „ſo ſagen Sie gütigſt, Frau Gräfin.
Aber dem nachkommen iſt nicht ſo leicht. Vorhin, da war
ich im Zuge. Jetzt wieder damit anfangen, das hat ſeine
Schwierigkeiten. Und dann erwarten die Damen immer
eine Liebesgeſchichte, ſelbſt wenn es ſich um einen Mann
handelt, den ich, was dieſe Dinge betrifft, ſo wenig ver¬
ſprechend eingeführt habe. Sie gehen alſo, wie heute
ſchon mehrfach (ich erinnere nur an das Eierhäuschen),
einer grauſamen Enttäuſchung entgegen.“

„Keine Ausflüchte!“

„Nun, ſo ſei's denn. Ich muß es aber auf einem
Umwege verſuchen und Ihnen bei der Gelegenheit als
Nächſtes ſchildern, wie meine letzte Begegnung mit Lorenzen
verlief. Er war, als ich bei ihm eintrat, in erſicht¬
lich großer Erregung und zwar über ein Büchelchen, das
er in Händen hielt.“

„Und ich will raten, was es war,“ unterbrach Meluſine.

„Nun?“

„Ein Buch von Tolſtoj. Etwas mit viel Opfer und
Entſagung. Anpreiſung von Asceſe.“

„Sie ſind auf dem richtigen Wege, Gräfin, nur nicht
geographiſch. Es handelt ſich nämlich nicht öſtlich um
einen Ruſſen, ſondern weſtlich um einen Portugieſen.“

„Um einen Portugieſen,“ lachte die Baronin. „O,
ich kenne welche. Sie ſind alle ſo klein und gelblich.
Und einer fand einen Seeweg. Freilich ſchon lange her.
Iſt es nicht ſo?“

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[200/0207] Schöpfer und geiſtigen Nährvater unſers Freundes Stechlin. Eh bien, was iſt es mit ihm? ‚An ihren Früchten ſollt ihr ſie erkennen,‘ — das könnt' uns beinahe genügen. Aber ich bin doch für ein Weiteres. Und ſo denn atten¬ tion au jeu. Unſer Freund Stechlin hat das Wort.“ „Ja, unſer Freund Stechlin hat das Wort,“ wieder¬ holte Woldemar, „ſo ſagen Sie gütigſt, Frau Gräfin. Aber dem nachkommen iſt nicht ſo leicht. Vorhin, da war ich im Zuge. Jetzt wieder damit anfangen, das hat ſeine Schwierigkeiten. Und dann erwarten die Damen immer eine Liebesgeſchichte, ſelbſt wenn es ſich um einen Mann handelt, den ich, was dieſe Dinge betrifft, ſo wenig ver¬ ſprechend eingeführt habe. Sie gehen alſo, wie heute ſchon mehrfach (ich erinnere nur an das Eierhäuschen), einer grauſamen Enttäuſchung entgegen.“ „Keine Ausflüchte!“ „Nun, ſo ſei's denn. Ich muß es aber auf einem Umwege verſuchen und Ihnen bei der Gelegenheit als Nächſtes ſchildern, wie meine letzte Begegnung mit Lorenzen verlief. Er war, als ich bei ihm eintrat, in erſicht¬ lich großer Erregung und zwar über ein Büchelchen, das er in Händen hielt.“ „Und ich will raten, was es war,“ unterbrach Meluſine. „Nun?“ „Ein Buch von Tolſtoj. Etwas mit viel Opfer und Entſagung. Anpreiſung von Asceſe.“ „Sie ſind auf dem richtigen Wege, Gräfin, nur nicht geographiſch. Es handelt ſich nämlich nicht öſtlich um einen Ruſſen, ſondern weſtlich um einen Portugieſen.“ „Um einen Portugieſen,“ lachte die Baronin. „O, ich kenne welche. Sie ſind alle ſo klein und gelblich. Und einer fand einen Seeweg. Freilich ſchon lange her. Iſt es nicht ſo?“ „Gewiß, Frau Baronin, es iſt ſo. Nur der, um den

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/207>, abgerufen am 28.11.2024.