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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Dann kamen die ,Säkerhets Tändstickors', und nun haben
wir den schwedischen Punsch, den ich in diesem Augen¬
blick unbedingt am höchsten stelle. Ihr Wohl, meine
Damen."

"Und das Ihre," sagte Melusine, "denn Sie sind
doch der Schöpfer dieses glücklichen Moments. Aber
wissen Sie, lieber Stechlin, daß ich in Ihrer Aufzählung
schwedischer Herrlichkeiten etwas vermißt habe. Die Schweden
haben noch eins -- oder hatten es wenigstens. Und das
war die schwedische Nachtigall."

"Ja, die hab' ich vergessen. Es fällt vor meine Zeit."

"Ich müßte," lachte die Gräfin, "vielleicht auch sagen:
es fällt vor meine Zeit. Aber ich darf doch andrer¬
seits nicht verschweigen, die Lind noch leibhaftig gekannt
zu haben. Freilich nicht mehr so eigentlich als schwedische
Nachtigall. Und überhaupt unter anderm Namen."

"Ja, ich erinnere mich," sagte Woldemar, "sie hatte
sich verheiratet. Wie hieß sie doch?"

"Goldschmidt, -- ein Name, den man schon um ,Gold¬
schmidts Töchterlein' willen gelten lassen kann. Aber an
Jenny Lind reicht er allerdings nicht heran."

"Gewiß nicht. Und sie sagten, Frau Gräfin, Sie
hätten sie noch persönlich gekannt?"

"Ja, gekannt und auch gehört. Sie sang damals,
wenn auch nicht mehr öffentlich, so doch immer noch in
ihrem häuslichen Salon. Diese Bekanntschaft zählt zu
meinen liebsten und stolzesten Erinnerungen. Ich war
noch ein halbes Kind, aber trotzdem doch mit eingeladen,
was mir allein schon etwas bedeutete. Dazu die Fahrt
von Hyde-Park bis in die Villa hinaus. Ich weiß noch
deutlich, ich trug ein weißes Kleid und einen hellblauen
Kaschmirumhang und das Haar ganz aufgelöst. Die Lind
beobachtete mich, und ich sah, daß ich ihr gefiel. Wenn
man Eindruck macht, das behält man. Und nun gar
mit vierzehn!"

Dann kamen die ‚Säkerhets Tändſtickors‘, und nun haben
wir den ſchwediſchen Punſch, den ich in dieſem Augen¬
blick unbedingt am höchſten ſtelle. Ihr Wohl, meine
Damen.“

„Und das Ihre,“ ſagte Meluſine, „denn Sie ſind
doch der Schöpfer dieſes glücklichen Moments. Aber
wiſſen Sie, lieber Stechlin, daß ich in Ihrer Aufzählung
ſchwediſcher Herrlichkeiten etwas vermißt habe. Die Schweden
haben noch eins — oder hatten es wenigſtens. Und das
war die ſchwediſche Nachtigall.“

„Ja, die hab' ich vergeſſen. Es fällt vor meine Zeit.“

„Ich müßte,“ lachte die Gräfin, „vielleicht auch ſagen:
es fällt vor meine Zeit. Aber ich darf doch andrer¬
ſeits nicht verſchweigen, die Lind noch leibhaftig gekannt
zu haben. Freilich nicht mehr ſo eigentlich als ſchwediſche
Nachtigall. Und überhaupt unter anderm Namen.“

„Ja, ich erinnere mich,“ ſagte Woldemar, „ſie hatte
ſich verheiratet. Wie hieß ſie doch?“

„Goldſchmidt, — ein Name, den man ſchon um ‚Gold¬
ſchmidts Töchterlein‘ willen gelten laſſen kann. Aber an
Jenny Lind reicht er allerdings nicht heran.“

„Gewiß nicht. Und ſie ſagten, Frau Gräfin, Sie
hätten ſie noch perſönlich gekannt?“

„Ja, gekannt und auch gehört. Sie ſang damals,
wenn auch nicht mehr öffentlich, ſo doch immer noch in
ihrem häuslichen Salon. Dieſe Bekanntſchaft zählt zu
meinen liebſten und ſtolzeſten Erinnerungen. Ich war
noch ein halbes Kind, aber trotzdem doch mit eingeladen,
was mir allein ſchon etwas bedeutete. Dazu die Fahrt
von Hyde-Park bis in die Villa hinaus. Ich weiß noch
deutlich, ich trug ein weißes Kleid und einen hellblauen
Kaſchmirumhang und das Haar ganz aufgelöſt. Die Lind
beobachtete mich, und ich ſah, daß ich ihr gefiel. Wenn
man Eindruck macht, das behält man. Und nun gar
mit vierzehn!“

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[194/0201] Dann kamen die ‚Säkerhets Tändſtickors‘, und nun haben wir den ſchwediſchen Punſch, den ich in dieſem Augen¬ blick unbedingt am höchſten ſtelle. Ihr Wohl, meine Damen.“ „Und das Ihre,“ ſagte Meluſine, „denn Sie ſind doch der Schöpfer dieſes glücklichen Moments. Aber wiſſen Sie, lieber Stechlin, daß ich in Ihrer Aufzählung ſchwediſcher Herrlichkeiten etwas vermißt habe. Die Schweden haben noch eins — oder hatten es wenigſtens. Und das war die ſchwediſche Nachtigall.“ „Ja, die hab' ich vergeſſen. Es fällt vor meine Zeit.“ „Ich müßte,“ lachte die Gräfin, „vielleicht auch ſagen: es fällt vor meine Zeit. Aber ich darf doch andrer¬ ſeits nicht verſchweigen, die Lind noch leibhaftig gekannt zu haben. Freilich nicht mehr ſo eigentlich als ſchwediſche Nachtigall. Und überhaupt unter anderm Namen.“ „Ja, ich erinnere mich,“ ſagte Woldemar, „ſie hatte ſich verheiratet. Wie hieß ſie doch?“ „Goldſchmidt, — ein Name, den man ſchon um ‚Gold¬ ſchmidts Töchterlein‘ willen gelten laſſen kann. Aber an Jenny Lind reicht er allerdings nicht heran.“ „Gewiß nicht. Und ſie ſagten, Frau Gräfin, Sie hätten ſie noch perſönlich gekannt?“ „Ja, gekannt und auch gehört. Sie ſang damals, wenn auch nicht mehr öffentlich, ſo doch immer noch in ihrem häuslichen Salon. Dieſe Bekanntſchaft zählt zu meinen liebſten und ſtolzeſten Erinnerungen. Ich war noch ein halbes Kind, aber trotzdem doch mit eingeladen, was mir allein ſchon etwas bedeutete. Dazu die Fahrt von Hyde-Park bis in die Villa hinaus. Ich weiß noch deutlich, ich trug ein weißes Kleid und einen hellblauen Kaſchmirumhang und das Haar ganz aufgelöſt. Die Lind beobachtete mich, und ich ſah, daß ich ihr gefiel. Wenn man Eindruck macht, das behält man. Und nun gar mit vierzehn!“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/201>, abgerufen am 22.11.2024.