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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Bild auf der großen Tasse, zeigte, was bei seiner Augen¬
beschaffenheit etwas Komisches hatte, schelmisch lächelnd
auf den bogenspannenden Amor und sagte: "Hier hinten
ein Tempel und hier vorn ein Lorbeerbusch. Und hier
this little fellow with his arrow. Ich möchte mir die
Frage gestatten -- Sie sind eine so kluge Frau, Frau
Imme --: wird er den Pfeil fliegen lassen oder nicht,
und wenn er den Pfeil fliegen läßt, ist es die Priesterin,
die hier neben dem Lorbeer steht, oder ist es eine
andre?"

"Ja, Mr. Robinson," sagte Frau Imme, "darauf
ist schwer zu antworten. Denn erstens wissen wir nicht,
was er überhaupt vorhat, und dann wissen wir auch
nicht: wer ist die Priesterin? Ist die Comtesse die Priesterin,
oder ist die Gräfin die Priesterin? Ich glaube, wer
schon verheiratet war, kann wohl eigentlich nicht Priesterin
sein."

"Ach," sagte Imme, in dem sich der naturwüchsige
Mecklenburger regte, "sein kann alles. Über so was
wächst Gras. Ich glaube, es is die Gräfin."

Robinson nickte. "Glaub' ich auch. And what's the
reason
, dear Mrs. Imme? Weil Witib vor Jungfrau
geht. Ich weiß wohl, es ist immer viel die Rede von
virginity, aber widow ist mehr als virgin."

Frau Imme, die nur halb verstanden hatte, verstand
doch genug, um zu kichern, was sie übrigens sittsam mit
der Bemerkung begleitete, sie habe so was von Mr.
Robinson nicht geglaubt.

Robinson nahm es als Huldigung und trat, nachdem
er sich mit Erlaubnis der "Lady" ein kurzes Pfeifchen
mit türkischem Tabak angesteckt hatte, an ein Fensterchen,
in dessen mit einer kleinen Laubsäge gemachten Blumen¬
kasten rote Verbenen blühten, und sagte, während er auf
den Hof mit seinen drei Akazienbäumen herunterblickte:

Bild auf der großen Taſſe, zeigte, was bei ſeiner Augen¬
beſchaffenheit etwas Komiſches hatte, ſchelmiſch lächelnd
auf den bogenſpannenden Amor und ſagte: „Hier hinten
ein Tempel und hier vorn ein Lorbeerbuſch. Und hier
this little fellow with his arrow. Ich möchte mir die
Frage geſtatten — Sie ſind eine ſo kluge Frau, Frau
Imme —: wird er den Pfeil fliegen laſſen oder nicht,
und wenn er den Pfeil fliegen läßt, iſt es die Prieſterin,
die hier neben dem Lorbeer ſteht, oder iſt es eine
andre?“

„Ja, Mr. Robinſon,“ ſagte Frau Imme, „darauf
iſt ſchwer zu antworten. Denn erſtens wiſſen wir nicht,
was er überhaupt vorhat, und dann wiſſen wir auch
nicht: wer iſt die Prieſterin? Iſt die Comteſſe die Prieſterin,
oder iſt die Gräfin die Prieſterin? Ich glaube, wer
ſchon verheiratet war, kann wohl eigentlich nicht Prieſterin
ſein.“

„Ach,“ ſagte Imme, in dem ſich der naturwüchſige
Mecklenburger regte, „ſein kann alles. Über ſo was
wächſt Gras. Ich glaube, es is die Gräfin.“

Robinſon nickte. „Glaub' ich auch. And what's the
reason
, dear Mrs. Imme? Weil Witib vor Jungfrau
geht. Ich weiß wohl, es iſt immer viel die Rede von
virginity, aber widow iſt mehr als virgin.“

Frau Imme, die nur halb verſtanden hatte, verſtand
doch genug, um zu kichern, was ſie übrigens ſittſam mit
der Bemerkung begleitete, ſie habe ſo was von Mr.
Robinſon nicht geglaubt.

Robinſon nahm es als Huldigung und trat, nachdem
er ſich mit Erlaubnis der „Lady“ ein kurzes Pfeifchen
mit türkiſchem Tabak angeſteckt hatte, an ein Fenſterchen,
in deſſen mit einer kleinen Laubſäge gemachten Blumen¬
kaſten rote Verbenen blühten, und ſagte, während er auf
den Hof mit ſeinen drei Akazienbäumen herunterblickte:

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[185/0192] Bild auf der großen Taſſe, zeigte, was bei ſeiner Augen¬ beſchaffenheit etwas Komiſches hatte, ſchelmiſch lächelnd auf den bogenſpannenden Amor und ſagte: „Hier hinten ein Tempel und hier vorn ein Lorbeerbuſch. Und hier this little fellow with his arrow. Ich möchte mir die Frage geſtatten — Sie ſind eine ſo kluge Frau, Frau Imme —: wird er den Pfeil fliegen laſſen oder nicht, und wenn er den Pfeil fliegen läßt, iſt es die Prieſterin, die hier neben dem Lorbeer ſteht, oder iſt es eine andre?“ „Ja, Mr. Robinſon,“ ſagte Frau Imme, „darauf iſt ſchwer zu antworten. Denn erſtens wiſſen wir nicht, was er überhaupt vorhat, und dann wiſſen wir auch nicht: wer iſt die Prieſterin? Iſt die Comteſſe die Prieſterin, oder iſt die Gräfin die Prieſterin? Ich glaube, wer ſchon verheiratet war, kann wohl eigentlich nicht Prieſterin ſein.“ „Ach,“ ſagte Imme, in dem ſich der naturwüchſige Mecklenburger regte, „ſein kann alles. Über ſo was wächſt Gras. Ich glaube, es is die Gräfin.“ Robinſon nickte. „Glaub' ich auch. And what's the reason, dear Mrs. Imme? Weil Witib vor Jungfrau geht. Ich weiß wohl, es iſt immer viel die Rede von virginity, aber widow iſt mehr als virgin.“ Frau Imme, die nur halb verſtanden hatte, verſtand doch genug, um zu kichern, was ſie übrigens ſittſam mit der Bemerkung begleitete, ſie habe ſo was von Mr. Robinſon nicht geglaubt. Robinſon nahm es als Huldigung und trat, nachdem er ſich mit Erlaubnis der „Lady“ ein kurzes Pfeifchen mit türkiſchem Tabak angeſteckt hatte, an ein Fenſterchen, in deſſen mit einer kleinen Laubſäge gemachten Blumen¬ kaſten rote Verbenen blühten, und ſagte, während er auf den Hof mit ſeinen drei Akazienbäumen herunterblickte:

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/192>, abgerufen am 22.11.2024.