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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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und es sind bloß ein paar Ihrer Zeitungen, die nicht
müde werden, der Welt das Gegenteil zu versichern. Alles
bloße Nachklänge. Das moderne Leben räumt erbarmungs¬
los mit all dem Überkommenen auf. Ob es glückt, ein
Nilreich aufzurichten, ob Japan ein England im Stillen
Ozean wird, ob China mit seinen vierhundert Millionen
aus dem Schlaf aufwacht und, seine Hand erhebend, uns
und der Welt zuruft: "Hier bin ich", allem vorauf aber,
ob sich der vierte Stand etabliert und stabiliert (denn
darauf läuft doch in ihrem vernünftigen Kern die ganze
Sache hinaus) -- das alles fällt ganz anders ins Gewicht
als die Frage "Quirinal oder Vatikan". Es hat sich über¬
lebt. Und anstaunenswert ist nur das eine, daß es über¬
haupt noch so weiter geht. Das ist der Wunder größtes."

"Und das sagen Sie, der Sie zeitweilig den Dingen
so nahe gestanden?"

"Weil ich ihnen so nahe gestanden."


Auch die beiden voranschreitenden Paare waren in
lebhaftem Gespräch.

An dem schon in Dämmerung liegenden östlichen
Horizont stiegen die Fabrikschornsteine von Spindlersfelde
vor ihnen auf, und die Rauchfahnen zogen in langsamem
Zuge durch die Luft.

"Was ist das?" fragte die Baronin, sich an Wolde¬
mar wendend.

"Das ist Spindlersfelde."

"Kenn ich nicht."

"Doch vielleicht, gnädigste Frau, wenn Sie hören,
daß in eben diesem Spindlersfelde der für die weibliche
Welt so wichtige Spindler seine geheimnisvollen Künste
treibt. Besser noch seine verschwiegenen. Denn unsre
Damen bekennen sich nicht gern dazu."

und es ſind bloß ein paar Ihrer Zeitungen, die nicht
müde werden, der Welt das Gegenteil zu verſichern. Alles
bloße Nachklänge. Das moderne Leben räumt erbarmungs¬
los mit all dem Überkommenen auf. Ob es glückt, ein
Nilreich aufzurichten, ob Japan ein England im Stillen
Ozean wird, ob China mit ſeinen vierhundert Millionen
aus dem Schlaf aufwacht und, ſeine Hand erhebend, uns
und der Welt zuruft: „Hier bin ich“, allem vorauf aber,
ob ſich der vierte Stand etabliert und ſtabiliert (denn
darauf läuft doch in ihrem vernünftigen Kern die ganze
Sache hinaus) — das alles fällt ganz anders ins Gewicht
als die Frage „Quirinal oder Vatikan“. Es hat ſich über¬
lebt. Und anſtaunenswert iſt nur das eine, daß es über¬
haupt noch ſo weiter geht. Das iſt der Wunder größtes.“

„Und das ſagen Sie, der Sie zeitweilig den Dingen
ſo nahe geſtanden?“

Weil ich ihnen ſo nahe geſtanden.“


Auch die beiden voranſchreitenden Paare waren in
lebhaftem Geſpräch.

An dem ſchon in Dämmerung liegenden öſtlichen
Horizont ſtiegen die Fabrikſchornſteine von Spindlersfelde
vor ihnen auf, und die Rauchfahnen zogen in langſamem
Zuge durch die Luft.

„Was iſt das?“ fragte die Baronin, ſich an Wolde¬
mar wendend.

„Das iſt Spindlersfelde.“

„Kenn ich nicht.“

„Doch vielleicht, gnädigſte Frau, wenn Sie hören,
daß in eben dieſem Spindlersfelde der für die weibliche
Welt ſo wichtige Spindler ſeine geheimnisvollen Künſte
treibt. Beſſer noch ſeine verſchwiegenen. Denn unſre
Damen bekennen ſich nicht gern dazu.“

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[182/0189] und es ſind bloß ein paar Ihrer Zeitungen, die nicht müde werden, der Welt das Gegenteil zu verſichern. Alles bloße Nachklänge. Das moderne Leben räumt erbarmungs¬ los mit all dem Überkommenen auf. Ob es glückt, ein Nilreich aufzurichten, ob Japan ein England im Stillen Ozean wird, ob China mit ſeinen vierhundert Millionen aus dem Schlaf aufwacht und, ſeine Hand erhebend, uns und der Welt zuruft: „Hier bin ich“, allem vorauf aber, ob ſich der vierte Stand etabliert und ſtabiliert (denn darauf läuft doch in ihrem vernünftigen Kern die ganze Sache hinaus) — das alles fällt ganz anders ins Gewicht als die Frage „Quirinal oder Vatikan“. Es hat ſich über¬ lebt. Und anſtaunenswert iſt nur das eine, daß es über¬ haupt noch ſo weiter geht. Das iſt der Wunder größtes.“ „Und das ſagen Sie, der Sie zeitweilig den Dingen ſo nahe geſtanden?“ „Weil ich ihnen ſo nahe geſtanden.“ Auch die beiden voranſchreitenden Paare waren in lebhaftem Geſpräch. An dem ſchon in Dämmerung liegenden öſtlichen Horizont ſtiegen die Fabrikſchornſteine von Spindlersfelde vor ihnen auf, und die Rauchfahnen zogen in langſamem Zuge durch die Luft. „Was iſt das?“ fragte die Baronin, ſich an Wolde¬ mar wendend. „Das iſt Spindlersfelde.“ „Kenn ich nicht.“ „Doch vielleicht, gnädigſte Frau, wenn Sie hören, daß in eben dieſem Spindlersfelde der für die weibliche Welt ſo wichtige Spindler ſeine geheimnisvollen Künſte treibt. Beſſer noch ſeine verſchwiegenen. Denn unſre Damen bekennen ſich nicht gern dazu.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/189>, abgerufen am 22.11.2024.