unserm Stechliner Erdenwinkel bestellt ist. Wir haben da, von einem Pastor abgesehen, der beinah' Sozialdemokrat ist, und des weiteren von einem Oberförster abgesehen, der eine Prinzessin, eine Ippe-Büchsenstein, geheiratet hat ..."
"Aber das ist ja alles großartig ..."
"Wir haben da, von diesen zwei Sehenswürdigkeiten abgesehen, eigentlich nur noch den ,Stechlin'. Der ginge vielleicht, über den ließe sich vielleicht etwas sagen."
"Den Stechlin? Was ist das? Ich bin so glück¬ lich, zu wissen" (und sie machte verbindlich eine Hand¬ bewegung auf Woldemar zu) "ich bin so glücklich, zu wissen, daß es Stechline giebt. Aber der Stechlin! Was ist der Stechlin?"
"Das ist ein See."
"Ein See. Das besagt nicht viel. Seen, wenn es nicht grade der Vierwaldstätter ist, werden immer erst inter¬ essant durch ihre Fische, durch Sterlet oder Felchen. Ich will nicht weiter aufzählen. Aber was hat der Stechlin? Ich vermute, Steckerlinge."
"Nein, Gräfin, die hat er nun gerade nicht. Er hat genau das, was Sie geneigt sind am wenigsten zu ver¬ muten. Er hat Weltbeziehungen, vornehme, geheimnis¬ volle Beziehungen, und nur alles Gewöhnliche, wie bei¬ spielsweise Steckerlinge, hat er nicht. Steckerlinge fehlen ihm."
"Aber, Stechlin, Sie werden doch nicht den Empfind¬ lichen spielen. Rittmeister in der Garde!"
"Nein, Gräfin. Und außerdem, den wollt' ich sehen, der das Ihnen gegenüber zuwege brächte."
"Nun dann also, was ist es? Worin bestehen seine vornehmen Beziehungen?"
"Er steht mit den höchsten und allerhöchsten Herr¬ schaften, deren genealogischer Kalender noch über den Gothaischen hinauswächst, auf du und du. Und wenn es
unſerm Stechliner Erdenwinkel beſtellt iſt. Wir haben da, von einem Paſtor abgeſehen, der beinah' Sozialdemokrat iſt, und des weiteren von einem Oberförſter abgeſehen, der eine Prinzeſſin, eine Ippe-Büchſenſtein, geheiratet hat ...“
„Aber das iſt ja alles großartig ...“
„Wir haben da, von dieſen zwei Sehenswürdigkeiten abgeſehen, eigentlich nur noch den ‚Stechlin‘. Der ginge vielleicht, über den ließe ſich vielleicht etwas ſagen.“
„Den Stechlin? Was iſt das? Ich bin ſo glück¬ lich, zu wiſſen“ (und ſie machte verbindlich eine Hand¬ bewegung auf Woldemar zu) „ich bin ſo glücklich, zu wiſſen, daß es Stechline giebt. Aber der Stechlin! Was iſt der Stechlin?“
„Das iſt ein See.“
„Ein See. Das beſagt nicht viel. Seen, wenn es nicht grade der Vierwaldſtätter iſt, werden immer erſt inter¬ eſſant durch ihre Fiſche, durch Sterlet oder Felchen. Ich will nicht weiter aufzählen. Aber was hat der Stechlin? Ich vermute, Steckerlinge.“
„Nein, Gräfin, die hat er nun gerade nicht. Er hat genau das, was Sie geneigt ſind am wenigſten zu ver¬ muten. Er hat Weltbeziehungen, vornehme, geheimnis¬ volle Beziehungen, und nur alles Gewöhnliche, wie bei¬ ſpielsweiſe Steckerlinge, hat er nicht. Steckerlinge fehlen ihm.“
„Aber, Stechlin, Sie werden doch nicht den Empfind¬ lichen ſpielen. Rittmeiſter in der Garde!“
„Nein, Gräfin. Und außerdem, den wollt' ich ſehen, der das Ihnen gegenüber zuwege brächte.“
„Nun dann alſo, was iſt es? Worin beſtehen ſeine vornehmen Beziehungen?“
„Er ſteht mit den höchſten und allerhöchſten Herr¬ ſchaften, deren genealogiſcher Kalender noch über den Gothaiſchen hinauswächſt, auf du und du. Und wenn es
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0179"n="172"/>
unſerm Stechliner Erdenwinkel beſtellt iſt. Wir haben da,<lb/>
von einem Paſtor abgeſehen, der beinah' Sozialdemokrat<lb/>
iſt, und des weiteren von einem Oberförſter abgeſehen,<lb/>
der eine Prinzeſſin, eine Ippe-Büchſenſtein, geheiratet<lb/>
hat ...“</p><lb/><p>„Aber das iſt ja alles großartig ...“</p><lb/><p>„Wir haben da, von dieſen zwei Sehenswürdigkeiten<lb/>
abgeſehen, eigentlich nur noch den ‚Stechlin‘. Der ginge<lb/>
vielleicht, über den ließe ſich vielleicht etwas ſagen.“</p><lb/><p>„Den Stechlin? Was iſt das? Ich bin ſo glück¬<lb/>
lich, zu wiſſen“ (und ſie machte verbindlich eine Hand¬<lb/>
bewegung auf Woldemar zu) „ich bin ſo glücklich, zu wiſſen,<lb/>
daß es Stechline giebt. Aber der Stechlin! Was iſt der<lb/>
Stechlin?“</p><lb/><p>„Das iſt ein See.“</p><lb/><p>„Ein See. Das beſagt nicht viel. Seen, wenn es<lb/>
nicht grade der Vierwaldſtätter iſt, werden immer erſt inter¬<lb/>
eſſant durch ihre Fiſche, durch Sterlet oder Felchen.<lb/>
Ich will nicht weiter aufzählen. Aber was hat der Stechlin?<lb/>
Ich vermute, Steckerlinge.“</p><lb/><p>„Nein, Gräfin, die hat er nun gerade nicht. Er hat<lb/>
genau das, was Sie geneigt ſind am wenigſten zu ver¬<lb/>
muten. Er hat Weltbeziehungen, vornehme, geheimnis¬<lb/>
volle Beziehungen, und nur alles Gewöhnliche, wie bei¬<lb/>ſpielsweiſe Steckerlinge, hat er nicht. Steckerlinge fehlen<lb/>
ihm.“</p><lb/><p>„Aber, Stechlin, Sie werden doch nicht den Empfind¬<lb/>
lichen ſpielen. Rittmeiſter in der Garde!“</p><lb/><p>„Nein, Gräfin. Und außerdem, den wollt' ich ſehen,<lb/>
der das Ihnen gegenüber zuwege brächte.“</p><lb/><p>„Nun dann alſo, was iſt es? Worin beſtehen ſeine<lb/>
vornehmen Beziehungen?“</p><lb/><p>„Er ſteht mit den höchſten und allerhöchſten Herr¬<lb/>ſchaften, deren genealogiſcher Kalender noch über den<lb/>
Gothaiſchen hinauswächſt, auf du und du. Und wenn es<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[172/0179]
unſerm Stechliner Erdenwinkel beſtellt iſt. Wir haben da,
von einem Paſtor abgeſehen, der beinah' Sozialdemokrat
iſt, und des weiteren von einem Oberförſter abgeſehen,
der eine Prinzeſſin, eine Ippe-Büchſenſtein, geheiratet
hat ...“
„Aber das iſt ja alles großartig ...“
„Wir haben da, von dieſen zwei Sehenswürdigkeiten
abgeſehen, eigentlich nur noch den ‚Stechlin‘. Der ginge
vielleicht, über den ließe ſich vielleicht etwas ſagen.“
„Den Stechlin? Was iſt das? Ich bin ſo glück¬
lich, zu wiſſen“ (und ſie machte verbindlich eine Hand¬
bewegung auf Woldemar zu) „ich bin ſo glücklich, zu wiſſen,
daß es Stechline giebt. Aber der Stechlin! Was iſt der
Stechlin?“
„Das iſt ein See.“
„Ein See. Das beſagt nicht viel. Seen, wenn es
nicht grade der Vierwaldſtätter iſt, werden immer erſt inter¬
eſſant durch ihre Fiſche, durch Sterlet oder Felchen.
Ich will nicht weiter aufzählen. Aber was hat der Stechlin?
Ich vermute, Steckerlinge.“
„Nein, Gräfin, die hat er nun gerade nicht. Er hat
genau das, was Sie geneigt ſind am wenigſten zu ver¬
muten. Er hat Weltbeziehungen, vornehme, geheimnis¬
volle Beziehungen, und nur alles Gewöhnliche, wie bei¬
ſpielsweiſe Steckerlinge, hat er nicht. Steckerlinge fehlen
ihm.“
„Aber, Stechlin, Sie werden doch nicht den Empfind¬
lichen ſpielen. Rittmeiſter in der Garde!“
„Nein, Gräfin. Und außerdem, den wollt' ich ſehen,
der das Ihnen gegenüber zuwege brächte.“
„Nun dann alſo, was iſt es? Worin beſtehen ſeine
vornehmen Beziehungen?“
„Er ſteht mit den höchſten und allerhöchſten Herr¬
ſchaften, deren genealogiſcher Kalender noch über den
Gothaiſchen hinauswächſt, auf du und du. Und wenn es
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/179>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.