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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Himmel. Er liebte diese Dämmerstunde, drin er sich
nicht gerne stören ließ (am wenigsten gern durch vor¬
zeitig gebrachtes Licht), und als Jeserich, der das alles
wußte, jetzt eintrat, war es nicht, um dem alten Grafen
die Lampe zu bringen, sondern nur um ein paar Kohlen
aufzuschütten.

"Wer war denn da, Jeserich?"

"Der Herr Rittmeister."

"So, so. Schade, daß er nicht geblieben ist. Aber
freilich, was soll er mit mir? Und der Fuß und die
Schmerzen, dadurch wird man auch nicht interessanter.
Armgard und nun gar erst Melusine, ja, da geht es,
da redet sich's schon besser, und das wird der Ritt¬
meister wohl auch finden. Aber so viel ist richtig, ich
spreche gern mit ihm; er hat so was Ruhiges und
Gesetztes und immer schlicht und natürlich. Meinst du
nicht auch?"

Jeserich nickte.

"Und glaubst du nicht auch (denn warum käme
er sonst so oft), daß er was vorhat?"

"Glaub' ich auch, Herr Graf."

"Na, was glaubst du?"

"Gott, Herr Graf ..."

"Ja, Jeserich, du willst nicht 'raus mit der
Sprache. Das hilft dir aber nichts. Wie denkst du
dir die Sache?"

Jeserich schmunzelte, schwieg aber weiter, weshalb
dem alten Grafen nichts übrig blieb, als seinerseits
fortzufahren. "Natürlich paßt Armgard besser, weil sie
jung ist; es ist so mehr das richtige Verhältnis, und
überhaupt, Armgard ist sozusagen dran. Aber, weiß
der Teufel, Melusine ..."

"Freilich, Herr Graf."

"Also du hast doch auch so was gesehen. Alles
dreht sich immer um die. Wie denkst du dir nun

Himmel. Er liebte dieſe Dämmerſtunde, drin er ſich
nicht gerne ſtören ließ (am wenigſten gern durch vor¬
zeitig gebrachtes Licht), und als Jeſerich, der das alles
wußte, jetzt eintrat, war es nicht, um dem alten Grafen
die Lampe zu bringen, ſondern nur um ein paar Kohlen
aufzuſchütten.

„Wer war denn da, Jeſerich?“

„Der Herr Rittmeiſter.“

„So, ſo. Schade, daß er nicht geblieben iſt. Aber
freilich, was ſoll er mit mir? Und der Fuß und die
Schmerzen, dadurch wird man auch nicht intereſſanter.
Armgard und nun gar erſt Meluſine, ja, da geht es,
da redet ſich's ſchon beſſer, und das wird der Ritt¬
meiſter wohl auch finden. Aber ſo viel iſt richtig, ich
ſpreche gern mit ihm; er hat ſo was Ruhiges und
Geſetztes und immer ſchlicht und natürlich. Meinſt du
nicht auch?“

Jeſerich nickte.

„Und glaubſt du nicht auch (denn warum käme
er ſonſt ſo oft), daß er was vorhat?“

„Glaub' ich auch, Herr Graf.“

„Na, was glaubſt du?“

„Gott, Herr Graf ...“

„Ja, Jeſerich, du willſt nicht 'raus mit der
Sprache. Das hilft dir aber nichts. Wie denkſt du
dir die Sache?“

Jeſerich ſchmunzelte, ſchwieg aber weiter, weshalb
dem alten Grafen nichts übrig blieb, als ſeinerſeits
fortzufahren. „Natürlich paßt Armgard beſſer, weil ſie
jung iſt; es iſt ſo mehr das richtige Verhältnis, und
überhaupt, Armgard iſt ſozuſagen dran. Aber, weiß
der Teufel, Meluſine ...“

„Freilich, Herr Graf.“

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[146/0153] Himmel. Er liebte dieſe Dämmerſtunde, drin er ſich nicht gerne ſtören ließ (am wenigſten gern durch vor¬ zeitig gebrachtes Licht), und als Jeſerich, der das alles wußte, jetzt eintrat, war es nicht, um dem alten Grafen die Lampe zu bringen, ſondern nur um ein paar Kohlen aufzuſchütten. „Wer war denn da, Jeſerich?“ „Der Herr Rittmeiſter.“ „So, ſo. Schade, daß er nicht geblieben iſt. Aber freilich, was ſoll er mit mir? Und der Fuß und die Schmerzen, dadurch wird man auch nicht intereſſanter. Armgard und nun gar erſt Meluſine, ja, da geht es, da redet ſich's ſchon beſſer, und das wird der Ritt¬ meiſter wohl auch finden. Aber ſo viel iſt richtig, ich ſpreche gern mit ihm; er hat ſo was Ruhiges und Geſetztes und immer ſchlicht und natürlich. Meinſt du nicht auch?“ Jeſerich nickte. „Und glaubſt du nicht auch (denn warum käme er ſonſt ſo oft), daß er was vorhat?“ „Glaub' ich auch, Herr Graf.“ „Na, was glaubſt du?“ „Gott, Herr Graf ...“ „Ja, Jeſerich, du willſt nicht 'raus mit der Sprache. Das hilft dir aber nichts. Wie denkſt du dir die Sache?“ Jeſerich ſchmunzelte, ſchwieg aber weiter, weshalb dem alten Grafen nichts übrig blieb, als ſeinerſeits fortzufahren. „Natürlich paßt Armgard beſſer, weil ſie jung iſt; es iſt ſo mehr das richtige Verhältnis, und überhaupt, Armgard iſt ſozuſagen dran. Aber, weiß der Teufel, Meluſine ...“ „Freilich, Herr Graf.“ „Alſo du haſt doch auch ſo was geſehen. Alles dreht ſich immer um die. Wie denkſt du dir nun

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/153>, abgerufen am 22.11.2024.