nicht bestreiten, daß man über die gute Seele lachen kann. Aber sie hat doch auch was Gehaltvolles in ihrer Natur, was sich erst neulich wieder in einem intimen Gespräch mit unserm Fix zeigte, der trotz aller Bekennt¬ nisstrenge (die selbst Koseleger ihm zugesteht) an unserm letzten Whistabend Äußerungen that, die wir alle tief bedauern mußten, wir, die wir die Whistpartie machten, nun schon ganz gewiß, aber auch die gute, taube Schi¬ monski, der wir, weil sie uns so aufgeregt sah, alles auf einen Zettel schreiben mußten."
"Und was war es denn?"
"Ach, es handelte sich um das, was uns allen, wie du dir denken kannst, jetzt das Teuerste bedeutet, um den ,Wortlaut'. Und denke dir, unser Fix war dagegen. Er mußte wohl denselben Tag was gelesen haben, was ihn abtrünnig gemacht hatte. Personen wie Fix sind sehr bestimmbar. Und kurz und gut, er sagte: das mit dem ,Wortlaut', das ginge nicht länger mehr, die ,Werte' wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr die¬ selben wären, müßten auch die Worte sich danach richten und müßten gemodelt werden. Er sagte ,gemodelt'. Aber was er am meisten immer wieder betonte, das waren die ,Werte' und die Notwendigkeit der ,Umwertung'."
"Und was sagte die Schmargendorf dazu?"
"Du hast ganz recht, mich dabei wieder auf die Schmargendorf zu bringen. Nun, die war außer sich und hat die darauf folgende Nacht nicht schlafen können. Erst gegen Morgen kam ihr ein tiefer Schlaf, und da sah sie, so wenigstens hat sie's mir und dem Super¬ intendenten versichert, einen Engel, der mit seinem Flammen¬ finger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf eine und dieselbe Stelle."
"Welche Stelle?"
"Ja, darüber war ein Streit; die Schmargendorf hatte sie genau gelesen und wollte sie hersagen. Aber
nicht beſtreiten, daß man über die gute Seele lachen kann. Aber ſie hat doch auch was Gehaltvolles in ihrer Natur, was ſich erſt neulich wieder in einem intimen Geſpräch mit unſerm Fix zeigte, der trotz aller Bekennt¬ nisſtrenge (die ſelbſt Koſeleger ihm zugeſteht) an unſerm letzten Whiſtabend Äußerungen that, die wir alle tief bedauern mußten, wir, die wir die Whiſtpartie machten, nun ſchon ganz gewiß, aber auch die gute, taube Schi¬ monski, der wir, weil ſie uns ſo aufgeregt ſah, alles auf einen Zettel ſchreiben mußten.“
„Und was war es denn?“
„Ach, es handelte ſich um das, was uns allen, wie du dir denken kannſt, jetzt das Teuerſte bedeutet, um den ,Wortlaut‘. Und denke dir, unſer Fix war dagegen. Er mußte wohl denſelben Tag was geleſen haben, was ihn abtrünnig gemacht hatte. Perſonen wie Fix ſind ſehr beſtimmbar. Und kurz und gut, er ſagte: das mit dem ,Wortlaut‘, das ginge nicht länger mehr, die ‚Werte‘ wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr die¬ ſelben wären, müßten auch die Worte ſich danach richten und müßten gemodelt werden. Er ſagte ,gemodelt‘. Aber was er am meiſten immer wieder betonte, das waren die ,Werte‘ und die Notwendigkeit der ,Umwertung‘.“
„Und was ſagte die Schmargendorf dazu?“
„Du haſt ganz recht, mich dabei wieder auf die Schmargendorf zu bringen. Nun, die war außer ſich und hat die darauf folgende Nacht nicht ſchlafen können. Erſt gegen Morgen kam ihr ein tiefer Schlaf, und da ſah ſie, ſo wenigſtens hat ſie's mir und dem Super¬ intendenten verſichert, einen Engel, der mit ſeinem Flammen¬ finger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf eine und dieſelbe Stelle.“
„Welche Stelle?“
„Ja, darüber war ein Streit; die Schmargendorf hatte ſie genau geleſen und wollte ſie herſagen. Aber
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0128"n="121"/>
nicht beſtreiten, daß man über die gute Seele lachen<lb/>
kann. Aber ſie hat doch auch was Gehaltvolles in ihrer<lb/>
Natur, was ſich erſt neulich wieder in einem intimen<lb/>
Geſpräch mit unſerm Fix zeigte, der trotz aller Bekennt¬<lb/>
nisſtrenge (die ſelbſt Koſeleger ihm zugeſteht) an unſerm<lb/>
letzten Whiſtabend Äußerungen that, die wir alle tief<lb/>
bedauern mußten, wir, die wir die Whiſtpartie machten,<lb/>
nun ſchon ganz gewiß, aber auch die gute, taube Schi¬<lb/>
monski, der wir, weil ſie uns ſo aufgeregt ſah, alles<lb/>
auf einen Zettel ſchreiben mußten.“</p><lb/><p>„Und was war es denn?“</p><lb/><p>„Ach, es handelte ſich um das, was uns allen,<lb/>
wie du dir denken kannſt, jetzt das Teuerſte bedeutet, um<lb/>
den ,Wortlaut‘. Und denke dir, unſer Fix war dagegen.<lb/>
Er mußte wohl denſelben Tag was geleſen haben, was<lb/>
ihn abtrünnig gemacht hatte. Perſonen wie Fix ſind<lb/>ſehr beſtimmbar. Und kurz und gut, er ſagte: das mit<lb/>
dem ,Wortlaut‘, das ginge nicht länger mehr, die ‚Werte‘<lb/>
wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr die¬<lb/>ſelben wären, müßten auch die Worte ſich danach richten<lb/>
und müßten gemodelt werden. Er ſagte ,gemodelt‘. Aber<lb/>
was er am meiſten immer wieder betonte, das waren<lb/>
die ,Werte‘ und die Notwendigkeit der ,Umwertung‘.“</p><lb/><p>„Und was ſagte die Schmargendorf dazu?“</p><lb/><p>„Du haſt ganz recht, mich dabei wieder auf die<lb/>
Schmargendorf zu bringen. Nun, die war außer ſich<lb/>
und hat die darauf folgende Nacht nicht ſchlafen können.<lb/>
Erſt gegen Morgen kam ihr ein tiefer Schlaf, und da<lb/>ſah ſie, ſo wenigſtens hat ſie's mir und dem Super¬<lb/>
intendenten verſichert, einen Engel, der mit ſeinem Flammen¬<lb/>
finger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf<lb/>
eine und dieſelbe Stelle.“</p><lb/><p>„Welche Stelle?“</p><lb/><p>„Ja, darüber war ein Streit; die Schmargendorf<lb/>
hatte ſie genau geleſen und wollte ſie herſagen. Aber<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[121/0128]
nicht beſtreiten, daß man über die gute Seele lachen
kann. Aber ſie hat doch auch was Gehaltvolles in ihrer
Natur, was ſich erſt neulich wieder in einem intimen
Geſpräch mit unſerm Fix zeigte, der trotz aller Bekennt¬
nisſtrenge (die ſelbſt Koſeleger ihm zugeſteht) an unſerm
letzten Whiſtabend Äußerungen that, die wir alle tief
bedauern mußten, wir, die wir die Whiſtpartie machten,
nun ſchon ganz gewiß, aber auch die gute, taube Schi¬
monski, der wir, weil ſie uns ſo aufgeregt ſah, alles
auf einen Zettel ſchreiben mußten.“
„Und was war es denn?“
„Ach, es handelte ſich um das, was uns allen,
wie du dir denken kannſt, jetzt das Teuerſte bedeutet, um
den ,Wortlaut‘. Und denke dir, unſer Fix war dagegen.
Er mußte wohl denſelben Tag was geleſen haben, was
ihn abtrünnig gemacht hatte. Perſonen wie Fix ſind
ſehr beſtimmbar. Und kurz und gut, er ſagte: das mit
dem ,Wortlaut‘, das ginge nicht länger mehr, die ‚Werte‘
wären jetzt anders, und weil die Werte nicht mehr die¬
ſelben wären, müßten auch die Worte ſich danach richten
und müßten gemodelt werden. Er ſagte ,gemodelt‘. Aber
was er am meiſten immer wieder betonte, das waren
die ,Werte‘ und die Notwendigkeit der ,Umwertung‘.“
„Und was ſagte die Schmargendorf dazu?“
„Du haſt ganz recht, mich dabei wieder auf die
Schmargendorf zu bringen. Nun, die war außer ſich
und hat die darauf folgende Nacht nicht ſchlafen können.
Erſt gegen Morgen kam ihr ein tiefer Schlaf, und da
ſah ſie, ſo wenigſtens hat ſie's mir und dem Super¬
intendenten verſichert, einen Engel, der mit ſeinem Flammen¬
finger immer auf ein Buch wies und in dem Buch auf
eine und dieſelbe Stelle.“
„Welche Stelle?“
„Ja, darüber war ein Streit; die Schmargendorf
hatte ſie genau geleſen und wollte ſie herſagen. Aber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/128>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.