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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Es war derselbe Baum, den die Herren schon beim
Einreiten in den Klosterhof gesehen, aber in jenem
Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erst bemerkten
sie, was es mit ihm auf sich habe. Der Baum, der
uralt sein mochte, stand außerhalb des Gehöftes, war
aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit
seinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fort¬
gewachsen. Er war an und für sich schon eine Pracht.
Was ihm aber noch eine besondere Schönheit lieh, das
war, daß sein Laubendach von ein paar dahinter
stehenden Ebereschenbäumen wie durchwachsen war, so
daß man überall, neben den schwarzen Fruchtdolden des
Holunders die leuchtenden roten Ebereschenbüschel sah.
Auch das verschiedene Laub schattierte sich. Rex und
Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zu¬
lässig. Denn so reizend die Laube selbst war, so
zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in großer Un¬
ordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit aus¬
gebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zu¬
sammengemörtelte Feldsteinklumpen lagen in hohem
Grase, dazwischen Karren und Düngerwagen, Enten-
und Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn
von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam,
sei's aus Neugier oder um sich mit der Triglaff zu
messen.

Als sechs Uhr heran war, erschien Fritz und führte
die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er
aber noch an die Domina herantreten und ihr einige
Dankesworte sagen konnte, kam die Schmargendorf, die
kurz vorher ihren Platz verlassen, mit dem großen Kohl¬
blatt zurück, auf dem die beiden zusammengewachsenen
Pflaumen lagen. "Sie wollten mir entgehen, Herr von
Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein
Vielliebchen gewinnen. Und Sie sollen sehen, ich siege."

"Sie siegen immer, meine Gnädigste."


Es war derſelbe Baum, den die Herren ſchon beim
Einreiten in den Kloſterhof geſehen, aber in jenem
Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erſt bemerkten
ſie, was es mit ihm auf ſich habe. Der Baum, der
uralt ſein mochte, ſtand außerhalb des Gehöftes, war
aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit
ſeinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fort¬
gewachſen. Er war an und für ſich ſchon eine Pracht.
Was ihm aber noch eine beſondere Schönheit lieh, das
war, daß ſein Laubendach von ein paar dahinter
ſtehenden Ebereſchenbäumen wie durchwachſen war, ſo
daß man überall, neben den ſchwarzen Fruchtdolden des
Holunders die leuchtenden roten Ebereſchenbüſchel ſah.
Auch das verſchiedene Laub ſchattierte ſich. Rex und
Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zu¬
läſſig. Denn ſo reizend die Laube ſelbſt war, ſo
zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in großer Un¬
ordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit aus¬
gebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zu¬
ſammengemörtelte Feldſteinklumpen lagen in hohem
Graſe, dazwiſchen Karren und Düngerwagen, Enten-
und Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn
von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam,
ſei's aus Neugier oder um ſich mit der Triglaff zu
meſſen.

Als ſechs Uhr heran war, erſchien Fritz und führte
die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er
aber noch an die Domina herantreten und ihr einige
Dankesworte ſagen konnte, kam die Schmargendorf, die
kurz vorher ihren Platz verlaſſen, mit dem großen Kohl¬
blatt zurück, auf dem die beiden zuſammengewachſenen
Pflaumen lagen. „Sie wollten mir entgehen, Herr von
Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein
Vielliebchen gewinnen. Und Sie ſollen ſehen, ich ſiege.“

„Sie ſiegen immer, meine Gnädigſte.“


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[118/0125] Es war derſelbe Baum, den die Herren ſchon beim Einreiten in den Kloſterhof geſehen, aber in jenem Augenblick wenig beachtet hatten. Jetzt erſt bemerkten ſie, was es mit ihm auf ſich habe. Der Baum, der uralt ſein mochte, ſtand außerhalb des Gehöftes, war aber, ähnlich wie der Pflaumenbaum im Garten, mit ſeinem Gezweig über das zerbröckelte Gemäuer fort¬ gewachſen. Er war an und für ſich ſchon eine Pracht. Was ihm aber noch eine beſondere Schönheit lieh, das war, daß ſein Laubendach von ein paar dahinter ſtehenden Ebereſchenbäumen wie durchwachſen war, ſo daß man überall, neben den ſchwarzen Fruchtdolden des Holunders die leuchtenden roten Ebereſchenbüſchel ſah. Auch das verſchiedene Laub ſchattierte ſich. Rex und Czako waren aufrichtig entzückt, beinahe mehr als zu¬ läſſig. Denn ſo reizend die Laube ſelbſt war, ſo zweifelhaft war das unmittelbar vor ihnen in großer Un¬ ordnung und durchaus ermangelnder Sauberkeit aus¬ gebreitete Hofbild. Aber pittoresk blieb es doch. Zu¬ ſammengemörtelte Feldſteinklumpen lagen in hohem Graſe, dazwiſchen Karren und Düngerwagen, Enten- und Hühnerkörbe, während ein kollernder Truthahn von Zeit zu Zeit bis dicht an die Laube herankam, ſei's aus Neugier oder um ſich mit der Triglaff zu meſſen. Als ſechs Uhr heran war, erſchien Fritz und führte die Pferde vor. Czako wies darauf hin. Bevor er aber noch an die Domina herantreten und ihr einige Dankesworte ſagen konnte, kam die Schmargendorf, die kurz vorher ihren Platz verlaſſen, mit dem großen Kohl¬ blatt zurück, auf dem die beiden zuſammengewachſenen Pflaumen lagen. „Sie wollten mir entgehen, Herr von Czako. Das hilft Ihnen aber nichts. Ich will mein Vielliebchen gewinnen. Und Sie ſollen ſehen, ich ſiege.“ „Sie ſiegen immer, meine Gnädigſte.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/125>, abgerufen am 23.11.2024.