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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Stallgebäude hinüberzuführen, während Rex und Czako
nach kurzer Vorstellung in den von Schränken umstellten
Flur eintraten.

"Ich habe dein Telegramm," sagte die Domina,
"erst um ein Uhr erhalten. Es geht über Gransee, und
der Bote muß weit laufen. Aber sie wollen ihm ein
Rad anschaffen, solches wie jetzt überall Mode ist. Ich
sage Rad, weil ich das fremde Wort, das so verschieden
ausgesprochen wird, nicht leiden kann. Manche sagen
,ci', und manche sagen ,schi'. Bildungsprätensionen sind
mir fremd, aber man will sich doch auch nicht bloßstellen."

Eine Treppe führte bis in den ersten Stock hin¬
auf, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina,
nachdem sie die Herren bis an die unterste Stufe be¬
gleitet hatte, verabschiedete sich hier auf eine Weile. "Du
wirst so gut sein, Woldemar, alles in deine Hand zu
nehmen. Führe die Herren hinauf. Ich habe unser
bescheidenes Klostermahl auf fünf Uhr angeordnet; also
noch eine gute halbe Stunde. Bis dahin, meine Herren."

Oben war eine große Plättkammer zur Fremden¬
stube hergerichtet worden. Ein Waschtisch mit Finken¬
näpfchen und Krügen in Kleinformat war aufgestellt
worden, was in Erwägung der beinah liliputanischen
Raumverhältnisse durchaus passend gewesen wäre, wenn
nicht sechs an eben so vielen Thürhaken hängende Riesen¬
handtücher das Ensemble wieder gestört hätten. Rex,
der sich -- ihn drückten die Stiefel -- auf kurze zehn
Minuten nach einer kleinen Erleichterung sehnte, bediente
sich eines eisernen Stiefelknechts, während Czako sein
Gesicht in einer der kleinen Waschschüsseln begrub und
beim Abreiben das feste Gewebe der Handtücher lobte.

"Sicherlich Eigengespinst. Überhaupt, Stechlin, das
muß wahr sein, Ihre Tante hat so was; man merkt
doch, daß sie das Regiment führt. Und wohl schon seit
lange. Wenn ich recht gehört, ist sie älter als Ihr Papa."

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Stallgebäude hinüberzuführen, während Rex und Czako
nach kurzer Vorſtellung in den von Schränken umſtellten
Flur eintraten.

„Ich habe dein Telegramm,“ ſagte die Domina,
„erſt um ein Uhr erhalten. Es geht über Granſee, und
der Bote muß weit laufen. Aber ſie wollen ihm ein
Rad anſchaffen, ſolches wie jetzt überall Mode iſt. Ich
ſage Rad, weil ich das fremde Wort, das ſo verſchieden
ausgeſprochen wird, nicht leiden kann. Manche ſagen
‚ci‘, und manche ſagen ‚ſchi‘. Bildungsprätenſionen ſind
mir fremd, aber man will ſich doch auch nicht bloßſtellen.“

Eine Treppe führte bis in den erſten Stock hin¬
auf, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina,
nachdem ſie die Herren bis an die unterſte Stufe be¬
gleitet hatte, verabſchiedete ſich hier auf eine Weile. „Du
wirſt ſo gut ſein, Woldemar, alles in deine Hand zu
nehmen. Führe die Herren hinauf. Ich habe unſer
beſcheidenes Kloſtermahl auf fünf Uhr angeordnet; alſo
noch eine gute halbe Stunde. Bis dahin, meine Herren.“

Oben war eine große Plättkammer zur Fremden¬
ſtube hergerichtet worden. Ein Waſchtiſch mit Finken¬
näpfchen und Krügen in Kleinformat war aufgeſtellt
worden, was in Erwägung der beinah liliputaniſchen
Raumverhältniſſe durchaus paſſend geweſen wäre, wenn
nicht ſechs an eben ſo vielen Thürhaken hängende Rieſen¬
handtücher das Enſemble wieder geſtört hätten. Rex,
der ſich — ihn drückten die Stiefel — auf kurze zehn
Minuten nach einer kleinen Erleichterung ſehnte, bediente
ſich eines eiſernen Stiefelknechts, während Czako ſein
Geſicht in einer der kleinen Waſchſchüſſeln begrub und
beim Abreiben das feſte Gewebe der Handtücher lobte.

„Sicherlich Eigengeſpinſt. Überhaupt, Stechlin, das
muß wahr ſein, Ihre Tante hat ſo was; man merkt
doch, daß ſie das Regiment führt. Und wohl ſchon ſeit
lange. Wenn ich recht gehört, iſt ſie älter als Ihr Papa.“

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[99/0106] Stallgebäude hinüberzuführen, während Rex und Czako nach kurzer Vorſtellung in den von Schränken umſtellten Flur eintraten. „Ich habe dein Telegramm,“ ſagte die Domina, „erſt um ein Uhr erhalten. Es geht über Granſee, und der Bote muß weit laufen. Aber ſie wollen ihm ein Rad anſchaffen, ſolches wie jetzt überall Mode iſt. Ich ſage Rad, weil ich das fremde Wort, das ſo verſchieden ausgeſprochen wird, nicht leiden kann. Manche ſagen ‚ci‘, und manche ſagen ‚ſchi‘. Bildungsprätenſionen ſind mir fremd, aber man will ſich doch auch nicht bloßſtellen.“ Eine Treppe führte bis in den erſten Stock hin¬ auf, eigentlich war es nur eine Stiege. Die Domina, nachdem ſie die Herren bis an die unterſte Stufe be¬ gleitet hatte, verabſchiedete ſich hier auf eine Weile. „Du wirſt ſo gut ſein, Woldemar, alles in deine Hand zu nehmen. Führe die Herren hinauf. Ich habe unſer beſcheidenes Kloſtermahl auf fünf Uhr angeordnet; alſo noch eine gute halbe Stunde. Bis dahin, meine Herren.“ Oben war eine große Plättkammer zur Fremden¬ ſtube hergerichtet worden. Ein Waſchtiſch mit Finken¬ näpfchen und Krügen in Kleinformat war aufgeſtellt worden, was in Erwägung der beinah liliputaniſchen Raumverhältniſſe durchaus paſſend geweſen wäre, wenn nicht ſechs an eben ſo vielen Thürhaken hängende Rieſen¬ handtücher das Enſemble wieder geſtört hätten. Rex, der ſich — ihn drückten die Stiefel — auf kurze zehn Minuten nach einer kleinen Erleichterung ſehnte, bediente ſich eines eiſernen Stiefelknechts, während Czako ſein Geſicht in einer der kleinen Waſchſchüſſeln begrub und beim Abreiben das feſte Gewebe der Handtücher lobte. „Sicherlich Eigengeſpinſt. Überhaupt, Stechlin, das muß wahr ſein, Ihre Tante hat ſo was; man merkt doch, daß ſie das Regiment führt. Und wohl ſchon ſeit lange. Wenn ich recht gehört, iſt ſie älter als Ihr Papa.“ 7*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/106>, abgerufen am 23.11.2024.