Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.wenn ich Umschau halte, will es mir erscheinen, daß sich solche, in der Bescheidenheit ihrer Ansprüche Befriedigten immer noch zu Tausenden finden müssen, nicht blos an der Ostseeküste hin, auch in Schlesien, am Oberharz, und in den Thälern und Bergkesseln des Thüringer Waldes. Aber alle freilich, wie ich wiederholen muß, werden dieses ungetrübten Glückes nur teilhaftig geworden sein, wenn sie während ihrer Reisezeit sich damit begnügten, in gewissem Sinne zu den Halb-Nomaden zu zählen, mit anderen Worten, wenn sie vier Wochen lang auf ein und derselben Gebirgs- oder Strand-Oase aushielten. So viel über den Sommer-Frischler, einen "Glücklichen." Aber sehr anders, wie schon angedeutet, liegt es bei dem Sommer-Reisenden, der, wenn nicht beständig, so doch vielfach unterwegs, immer in der Gefahr schwebt, seine Lagerstätte wechseln zu müssen. Es ist nicht zu leugnen, das Glück des mehr oder weniger seßhaften "Frischlers" ist für den eigentlichen Reisenden, für den Tag um Tag seine Weideplätze wechselnden Voll-Nomaden nicht da. Keine wirkliche Wüstenfahrt, was sonst immer ihre Schrecken sein mögen, kann verdrießlicher und räuber-umschwärmter sein. Auch in Sachen der Fata Morgana hat der eigentliche Tourist zu leiden, wenn ich Umschau halte, will es mir erscheinen, daß sich solche, in der Bescheidenheit ihrer Ansprüche Befriedigten immer noch zu Tausenden finden müssen, nicht blos an der Ostseeküste hin, auch in Schlesien, am Oberharz, und in den Thälern und Bergkesseln des Thüringer Waldes. Aber alle freilich, wie ich wiederholen muß, werden dieses ungetrübten Glückes nur teilhaftig geworden sein, wenn sie während ihrer Reisezeit sich damit begnügten, in gewissem Sinne zu den Halb-Nomaden zu zählen, mit anderen Worten, wenn sie vier Wochen lang auf ein und derselben Gebirgs- oder Strand-Oase aushielten. So viel über den Sommer-Frischler, einen „Glücklichen.“ Aber sehr anders, wie schon angedeutet, liegt es bei dem Sommer-Reisenden, der, wenn nicht beständig, so doch vielfach unterwegs, immer in der Gefahr schwebt, seine Lagerstätte wechseln zu müssen. Es ist nicht zu leugnen, das Glück des mehr oder weniger seßhaften „Frischlers“ ist für den eigentlichen Reisenden, für den Tag um Tag seine Weideplätze wechselnden Voll-Nomaden nicht da. Keine wirkliche Wüstenfahrt, was sonst immer ihre Schrecken sein mögen, kann verdrießlicher und räuber-umschwärmter sein. Auch in Sachen der Fata Morgana hat der eigentliche Tourist zu leiden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0009" n="7"/> wenn ich Umschau halte, will es mir erscheinen, daß sich solche, in der Bescheidenheit ihrer Ansprüche Befriedigten immer noch zu Tausenden finden müssen, nicht blos an der Ostseeküste hin, auch in Schlesien, am Oberharz, und in den Thälern und Bergkesseln des Thüringer Waldes. Aber <hi rendition="#g">alle</hi> freilich, wie ich wiederholen muß, werden dieses ungetrübten Glückes nur teilhaftig geworden sein, wenn sie während ihrer Reisezeit sich damit begnügten, in gewissem Sinne zu den <hi rendition="#g">Halb</hi>-Nomaden zu zählen, mit anderen Worten, wenn sie vier Wochen lang auf ein und derselben Gebirgs- oder Strand-Oase aushielten.</p><lb/> <p>So viel über den Sommer-<hi rendition="#g">Frischler</hi>, einen „Glücklichen.“</p><lb/> <p>Aber sehr anders, wie schon angedeutet, liegt es bei dem Sommer-<hi rendition="#g">Reisenden</hi>, der, wenn nicht beständig, so doch vielfach unterwegs, immer in der Gefahr schwebt, seine Lagerstätte wechseln zu müssen. Es ist <choice><sic>uicht</sic><corr>nicht</corr></choice> zu leugnen, das Glück des mehr oder weniger seßhaften „Frischlers“ ist für den eigentlichen Reisenden, für den Tag um Tag seine Weideplätze wechselnden Voll-Nomaden nicht da. Keine wirkliche Wüstenfahrt, was sonst immer ihre Schrecken sein mögen, kann verdrießlicher und räuber-umschwärmter sein. Auch in Sachen der Fata Morgana hat der eigentliche Tourist zu leiden, </p> </div> </body> </text> </TEI> [7/0009]
wenn ich Umschau halte, will es mir erscheinen, daß sich solche, in der Bescheidenheit ihrer Ansprüche Befriedigten immer noch zu Tausenden finden müssen, nicht blos an der Ostseeküste hin, auch in Schlesien, am Oberharz, und in den Thälern und Bergkesseln des Thüringer Waldes. Aber alle freilich, wie ich wiederholen muß, werden dieses ungetrübten Glückes nur teilhaftig geworden sein, wenn sie während ihrer Reisezeit sich damit begnügten, in gewissem Sinne zu den Halb-Nomaden zu zählen, mit anderen Worten, wenn sie vier Wochen lang auf ein und derselben Gebirgs- oder Strand-Oase aushielten.
So viel über den Sommer-Frischler, einen „Glücklichen.“
Aber sehr anders, wie schon angedeutet, liegt es bei dem Sommer-Reisenden, der, wenn nicht beständig, so doch vielfach unterwegs, immer in der Gefahr schwebt, seine Lagerstätte wechseln zu müssen. Es ist nicht zu leugnen, das Glück des mehr oder weniger seßhaften „Frischlers“ ist für den eigentlichen Reisenden, für den Tag um Tag seine Weideplätze wechselnden Voll-Nomaden nicht da. Keine wirkliche Wüstenfahrt, was sonst immer ihre Schrecken sein mögen, kann verdrießlicher und räuber-umschwärmter sein. Auch in Sachen der Fata Morgana hat der eigentliche Tourist zu leiden,
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/9>, abgerufen am 04.07.2024. |