Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.richteten und der Sie jetzt zu fragen scheint: ,Wo haben Sie die Frau Baronin?' ... Wie hieß sie doch?" "Ich denke, wir lassen den Namen und was den Finsterberg angeht, er sieht mich zu gut aufgehoben, um solche Fragen zu thun." Unter solchem Geplauder waren sie bis an ihr vorläufiges Ziel gekommen und stiegen an dem Bildstöckl vorbei, die Steintreppe zu dem Kirchhofe hinauf. In dem gleich links gelegenen Meßnerhause standen alle Thüren auf und auf Dach und Fensterbrett quirilierten die Spatzen. "Ich übernehme nun die Führung," sagte die Dame. "Grabsteine lesen, so bemerkten Sie, nimmt das Gedächtnis. Gut, es soll wahr sein. Aber ganz kann ich es Ihnen nicht erlassen. Sehen Sie hier ... Kindergräber; eines neben dem andern. Und nun lesen Sie." Der Begleiter der Dame säumte nicht zu gehorchen und las mit halblauter Stimme: "Hier ruht das unschuldige Kind ..." Aber kaum, daß er bis zu diesem Wort gelesen hatte, so trat er aus freien Stücken näher an den Grabhügel heran, um richteten und der Sie jetzt zu fragen scheint: ‚Wo haben Sie die Frau Baronin?‘ … Wie hieß sie doch?“ „Ich denke, wir lassen den Namen und was den Finsterberg angeht, er sieht mich zu gut aufgehoben, um solche Fragen zu thun.“ Unter solchem Geplauder waren sie bis an ihr vorläufiges Ziel gekommen und stiegen an dem Bildstöckl vorbei, die Steintreppe zu dem Kirchhofe hinauf. In dem gleich links gelegenen Meßnerhause standen alle Thüren auf und auf Dach und Fensterbrett quirilierten die Spatzen. „Ich übernehme nun die Führung,“ sagte die Dame. „Grabsteine lesen, so bemerkten Sie, nimmt das Gedächtnis. Gut, es soll wahr sein. Aber ganz kann ich es Ihnen nicht erlassen. Sehen Sie hier … Kindergräber; eines neben dem andern. Und nun lesen Sie.“ Der Begleiter der Dame säumte nicht zu gehorchen und las mit halblauter Stimme: „Hier ruht das unschuldige Kind …“ Aber kaum, daß er bis zu diesem Wort gelesen hatte, so trat er aus freien Stücken näher an den Grabhügel heran, um <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074" n="72"/> richteten und der Sie jetzt zu fragen scheint: ‚Wo haben Sie die Frau Baronin?‘ … Wie hieß sie doch?“</p><lb/> <p>„Ich denke, wir lassen den Namen und was den Finsterberg angeht, er sieht mich <hi rendition="#g">zu</hi> gut aufgehoben, um solche Fragen zu thun.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Unter solchem Geplauder waren sie bis an ihr vorläufiges Ziel gekommen und stiegen an dem Bildstöckl vorbei, die Steintreppe zu dem Kirchhofe hinauf. In dem gleich links gelegenen Meßnerhause standen alle Thüren auf und auf Dach und Fensterbrett quirilierten die Spatzen.</p><lb/> <p>„Ich übernehme nun die Führung,“ sagte die Dame. „Grabsteine lesen, so bemerkten Sie, nimmt das Gedächtnis. Gut, es soll wahr sein. Aber ganz kann ich es Ihnen nicht erlassen. Sehen Sie hier … Kindergräber; eines neben dem andern. Und nun lesen Sie.“</p><lb/> <p>Der Begleiter der Dame säumte nicht zu gehorchen und las mit halblauter Stimme: „Hier ruht das unschuldige Kind …“ Aber kaum, daß er bis zu diesem Wort gelesen hatte, so trat er aus freien Stücken näher an den Grabhügel heran, um </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0074]
richteten und der Sie jetzt zu fragen scheint: ‚Wo haben Sie die Frau Baronin?‘ … Wie hieß sie doch?“
„Ich denke, wir lassen den Namen und was den Finsterberg angeht, er sieht mich zu gut aufgehoben, um solche Fragen zu thun.“
Unter solchem Geplauder waren sie bis an ihr vorläufiges Ziel gekommen und stiegen an dem Bildstöckl vorbei, die Steintreppe zu dem Kirchhofe hinauf. In dem gleich links gelegenen Meßnerhause standen alle Thüren auf und auf Dach und Fensterbrett quirilierten die Spatzen.
„Ich übernehme nun die Führung,“ sagte die Dame. „Grabsteine lesen, so bemerkten Sie, nimmt das Gedächtnis. Gut, es soll wahr sein. Aber ganz kann ich es Ihnen nicht erlassen. Sehen Sie hier … Kindergräber; eines neben dem andern. Und nun lesen Sie.“
Der Begleiter der Dame säumte nicht zu gehorchen und las mit halblauter Stimme: „Hier ruht das unschuldige Kind …“ Aber kaum, daß er bis zu diesem Wort gelesen hatte, so trat er aus freien Stücken näher an den Grabhügel heran, um
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/74>, abgerufen am 16.02.2025. |