Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Weisungen. Lange Bretterreihen wurden gelegt und ein paar Dutzend Karrenschieber in Dienst gestellt, um den nötigen Kies und Sand, ganze Berge, heranzuschaffen und von oben her in die Baugrube hinabzuschütten. Zweimal des Tages sprach ich vor, um nach dem Rechten zu sehen, denn mir sowohl wie den Unternehmern lag daran, den Bau noch vor dem Herbst unter Dach zu bringen. Alles war ruhig, fleißig, geschickt, am geschicktesten aber ein rotblonder, schlanker, beinahe schöner Mann von Mitte dreißig, der sich, ohne daß er sich abgesondert oder den Aparten und Schweigsamen gespielt hätte, doch ganz ersichtlich von dem Rest der Mannschaft unterschied. Er war größer und stärker, Vollbart, die Augenlider gerötet, aber nur wenig. Statt der Jacke trug er ein enges Röckchen, dazu eine Militärmütze und dicksohlige Schnürschuhe, die mal einem Alpenreisenden gehört und gedient haben mochten. Alles war in desolatester Verfassung und überall von eigener Hand geflickt und zusammengenäht, aber der Schnitt dieser ramponierten Kleidung und vor allem die Haltung dessen, der darin steckte, machten es unmöglich, über ihn hinzusehen. In jeder seiner Bewegungen sprach sich, um das Modewort zu gebrauchen, ein besonderer ,Schick' aus, am meisten Weisungen. Lange Bretterreihen wurden gelegt und ein paar Dutzend Karrenschieber in Dienst gestellt, um den nötigen Kies und Sand, ganze Berge, heranzuschaffen und von oben her in die Baugrube hinabzuschütten. Zweimal des Tages sprach ich vor, um nach dem Rechten zu sehen, denn mir sowohl wie den Unternehmern lag daran, den Bau noch vor dem Herbst unter Dach zu bringen. Alles war ruhig, fleißig, geschickt, am geschicktesten aber ein rotblonder, schlanker, beinahe schöner Mann von Mitte dreißig, der sich, ohne daß er sich abgesondert oder den Aparten und Schweigsamen gespielt hätte, doch ganz ersichtlich von dem Rest der Mannschaft unterschied. Er war größer und stärker, Vollbart, die Augenlider gerötet, aber nur wenig. Statt der Jacke trug er ein enges Röckchen, dazu eine Militärmütze und dicksohlige Schnürschuhe, die mal einem Alpenreisenden gehört und gedient haben mochten. Alles war in desolatester Verfassung und überall von eigener Hand geflickt und zusammengenäht, aber der Schnitt dieser ramponierten Kleidung und vor allem die Haltung dessen, der darin steckte, machten es unmöglich, über ihn hinzusehen. In jeder seiner Bewegungen sprach sich, um das Modewort zu gebrauchen, ein besonderer ‚Schick‘ aus, am meisten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="59"/> Weisungen. Lange Bretterreihen wurden gelegt und ein paar Dutzend Karrenschieber in Dienst gestellt, um den nötigen Kies und Sand, ganze Berge, heranzuschaffen und von oben her in die Baugrube hinabzuschütten. Zweimal des Tages sprach ich vor, um nach dem Rechten zu sehen, denn mir sowohl wie den Unternehmern lag daran, den Bau noch vor dem Herbst unter Dach zu bringen. Alles war ruhig, fleißig, geschickt, am geschicktesten aber ein rotblonder, schlanker, beinahe schöner Mann von Mitte dreißig, der sich, ohne daß er sich abgesondert oder den Aparten und Schweigsamen gespielt hätte, doch ganz ersichtlich von dem Rest der Mannschaft unterschied. Er war größer und stärker, Vollbart, die Augenlider gerötet, aber nur wenig. Statt der Jacke trug er ein enges Röckchen, dazu eine Militärmütze und dicksohlige Schnürschuhe, die mal einem Alpenreisenden gehört und gedient haben mochten. Alles war in desolatester Verfassung und überall von eigener Hand geflickt und zusammengenäht, aber der Schnitt dieser ramponierten Kleidung und vor allem die Haltung dessen, der darin steckte, machten es unmöglich, über ihn hinzusehen. In jeder seiner Bewegungen sprach sich, um das Modewort zu gebrauchen, ein besonderer ‚Schick‘ aus, am meisten </p> </div> </body> </text> </TEI> [59/0061]
Weisungen. Lange Bretterreihen wurden gelegt und ein paar Dutzend Karrenschieber in Dienst gestellt, um den nötigen Kies und Sand, ganze Berge, heranzuschaffen und von oben her in die Baugrube hinabzuschütten. Zweimal des Tages sprach ich vor, um nach dem Rechten zu sehen, denn mir sowohl wie den Unternehmern lag daran, den Bau noch vor dem Herbst unter Dach zu bringen. Alles war ruhig, fleißig, geschickt, am geschicktesten aber ein rotblonder, schlanker, beinahe schöner Mann von Mitte dreißig, der sich, ohne daß er sich abgesondert oder den Aparten und Schweigsamen gespielt hätte, doch ganz ersichtlich von dem Rest der Mannschaft unterschied. Er war größer und stärker, Vollbart, die Augenlider gerötet, aber nur wenig. Statt der Jacke trug er ein enges Röckchen, dazu eine Militärmütze und dicksohlige Schnürschuhe, die mal einem Alpenreisenden gehört und gedient haben mochten. Alles war in desolatester Verfassung und überall von eigener Hand geflickt und zusammengenäht, aber der Schnitt dieser ramponierten Kleidung und vor allem die Haltung dessen, der darin steckte, machten es unmöglich, über ihn hinzusehen. In jeder seiner Bewegungen sprach sich, um das Modewort zu gebrauchen, ein besonderer ‚Schick‘ aus, am meisten
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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