Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.es rächt sich jeder Abfall von der Natur und ihrem Gesetz. Die Nacht ist Schlafenszeit und nicht der Tag. Ich entsinne mich einer Stelle bei Shakespeare, wo dieser in einer beträchtlichen Anzahl von Zeilen den Schlaf apostrophiert und den Schiffsjungen beneidet, der im Halbschlummer in den Raaen hängt. Er geht dabei durch alle möglichen und nicht möglichen Situationen und sagt, wie gewöhnlich, unendlich viel Schönes und Großes; aber vom Nachmittagsschlaf sagt er nichts. Und warum nicht? Weil der Nachmittagsschlaf ein superfluum ist und ein periculum. Also nichts mehr von ihm. An seine Stelle treten Excursionen und Partieen." "Aber wohin?" "Unter Vermeidung des Tiergartens, in dem der Moder brütet, überall hin, wo Wasser oder Wind ihr Tummelfeld haben. Ich sage Tummelfeld, denn auf das Moment der Bewegung kommt es an. Ein stehendes Wasser ist Tod, ein bewegtes Wasser ist Leben. Also Stralau, Treptow, Eierhäuschen. Am liebsten aber auf die Höhen, ohne Rücksicht ob Tempelhof oder Tivoli. Da hast Du Natur und Freiheit und schaust entweder unter Dir auf das beherrschte Samos hin oder wendest Dich und siehst die Drachen steigen. Und dies ist das schönste. Denn je höher er steigt und je strammer und un- es rächt sich jeder Abfall von der Natur und ihrem Gesetz. Die Nacht ist Schlafenszeit und nicht der Tag. Ich entsinne mich einer Stelle bei Shakespeare, wo dieser in einer beträchtlichen Anzahl von Zeilen den Schlaf apostrophiert und den Schiffsjungen beneidet, der im Halbschlummer in den Raaen hängt. Er geht dabei durch alle möglichen und nicht möglichen Situationen und sagt, wie gewöhnlich, unendlich viel Schönes und Großes; aber vom Nachmittagsschlaf sagt er nichts. Und warum nicht? Weil der Nachmittagsschlaf ein superfluum ist und ein periculum. Also nichts mehr von ihm. An seine Stelle treten Excursionen und Partieen.“ „Aber wohin?“ „Unter Vermeidung des Tiergartens, in dem der Moder brütet, überall hin, wo Wasser oder Wind ihr Tummelfeld haben. Ich sage Tummelfeld, denn auf das Moment der Bewegung kommt es an. Ein stehendes Wasser ist Tod, ein bewegtes Wasser ist Leben. Also Stralau, Treptow, Eierhäuschen. Am liebsten aber auf die Höhen, ohne Rücksicht ob Tempelhof oder Tivoli. Da hast Du Natur und Freiheit und schaust entweder unter Dir auf das beherrschte Samos hin oder wendest Dich und siehst die Drachen steigen. Und dies ist das schönste. Denn je höher er steigt und je strammer und un- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="26"/> es rächt sich jeder Abfall von der Natur und ihrem Gesetz. Die Nacht ist Schlafenszeit und nicht der Tag. Ich entsinne mich einer Stelle bei Shakespeare, wo dieser in einer beträchtlichen Anzahl von Zeilen den Schlaf apostrophiert und den Schiffsjungen beneidet, der im Halbschlummer in den Raaen hängt. Er geht dabei durch alle möglichen und nicht möglichen Situationen und sagt, wie gewöhnlich, unendlich viel Schönes und Großes; aber vom Nachmittagsschlaf sagt er <hi rendition="#g">nichts.</hi> Und warum nicht? Weil der Nachmittagsschlaf ein superfluum ist und ein periculum. Also nichts mehr von ihm. An seine Stelle treten Excursionen und Partieen.“</p><lb/> <p>„Aber wohin?“</p><lb/> <p>„Unter Vermeidung des Tiergartens, in dem der Moder brütet, überall hin, wo Wasser oder Wind ihr Tummelfeld haben. Ich sage Tummelfeld, denn auf das Moment der Bewegung kommt es an. Ein stehendes Wasser ist Tod, ein bewegtes Wasser ist Leben. Also Stralau, Treptow, Eierhäuschen. Am liebsten aber auf die Höhen, ohne Rücksicht ob Tempelhof oder Tivoli. Da hast Du Natur und Freiheit und schaust entweder unter Dir auf das beherrschte Samos hin oder wendest Dich und siehst die Drachen steigen. Und dies ist das schönste. Denn je höher er steigt und je strammer und un- </p> </div> </body> </text> </TEI> [26/0028]
es rächt sich jeder Abfall von der Natur und ihrem Gesetz. Die Nacht ist Schlafenszeit und nicht der Tag. Ich entsinne mich einer Stelle bei Shakespeare, wo dieser in einer beträchtlichen Anzahl von Zeilen den Schlaf apostrophiert und den Schiffsjungen beneidet, der im Halbschlummer in den Raaen hängt. Er geht dabei durch alle möglichen und nicht möglichen Situationen und sagt, wie gewöhnlich, unendlich viel Schönes und Großes; aber vom Nachmittagsschlaf sagt er nichts. Und warum nicht? Weil der Nachmittagsschlaf ein superfluum ist und ein periculum. Also nichts mehr von ihm. An seine Stelle treten Excursionen und Partieen.“
„Aber wohin?“
„Unter Vermeidung des Tiergartens, in dem der Moder brütet, überall hin, wo Wasser oder Wind ihr Tummelfeld haben. Ich sage Tummelfeld, denn auf das Moment der Bewegung kommt es an. Ein stehendes Wasser ist Tod, ein bewegtes Wasser ist Leben. Also Stralau, Treptow, Eierhäuschen. Am liebsten aber auf die Höhen, ohne Rücksicht ob Tempelhof oder Tivoli. Da hast Du Natur und Freiheit und schaust entweder unter Dir auf das beherrschte Samos hin oder wendest Dich und siehst die Drachen steigen. Und dies ist das schönste. Denn je höher er steigt und je strammer und un-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/28 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/28>, abgerufen am 04.07.2024. |