Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Lezius, wenn er von der Reise kam, so viel wußte seine Frau von alten Zeiten her, holte den im Gebirge versäumten Nachtschlaf tapfer nach; er schlief denn auch diesmal wieder bis in den hellen Tag hinein. "Soll ich ihn wecken, Mama?" fragte Mirjam. "Nein Kind, er muß ausschlafen; da kommt er am ehesten wieder zu sich." "Also, Mama, Du findest doch auch ..." "Freilich find' ich. Aber es hat nichts auf sich. Dein Vater war immer abhängig von dem, was ihn umgab. Ist er hier, so geht es ganz gut, oder doch beinah' ganz gut, aber in einem wilden Lande verwildert er. Er ist ein bißchen verwildert." "Es ängstigt mich doch, Mama." "Nicht nötig. Du weißt das nicht so, weil er jetzt ein paar Jahre nicht fort war. Aber ich weiß Bescheid, ich kenn' ihn, und wenn er erst wieder bei Huth war und seine ,Herren' getroffen und bis Zwölf seinen Brauneberger getrunken hat, dann ist er bald wieder in Ordnung." Lezius kam sehr spät zum Kaffee. "Sollen wir Dir frischen machen?" fragte seine Frau. Lezius, wenn er von der Reise kam, so viel wußte seine Frau von alten Zeiten her, holte den im Gebirge versäumten Nachtschlaf tapfer nach; er schlief denn auch diesmal wieder bis in den hellen Tag hinein. „Soll ich ihn wecken, Mama?“ fragte Mirjam. „Nein Kind, er muß ausschlafen; da kommt er am ehesten wieder zu sich.“ „Also, Mama, Du findest doch auch …“ „Freilich find’ ich. Aber es hat nichts auf sich. Dein Vater war immer abhängig von dem, was ihn umgab. Ist er hier, so geht es ganz gut, oder doch beinah’ ganz gut, aber in einem wilden Lande verwildert er. Er ist ein bißchen verwildert.“ „Es ängstigt mich doch, Mama.“ „Nicht nötig. Du weißt das nicht so, weil er jetzt ein paar Jahre nicht fort war. Aber ich weiß Bescheid, ich kenn’ ihn, und wenn er erst wieder bei Huth war und seine ‚Herren‘ getroffen und bis Zwölf seinen Brauneberger getrunken hat, dann ist er bald wieder in Ordnung.“ Lezius kam sehr spät zum Kaffee. „Sollen wir Dir frischen machen?“ fragte seine Frau. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0236" n="234"/> <p><choice><sic>Lezins</sic><corr>Lezius</corr></choice>, wenn er von der Reise kam, so viel wußte seine Frau von alten Zeiten her, holte den im Gebirge versäumten Nachtschlaf tapfer nach; er schlief denn auch diesmal wieder bis in den hellen Tag hinein.</p><lb/> <p>„Soll ich ihn wecken, Mama?“ fragte Mirjam.</p><lb/> <p>„Nein Kind, er muß ausschlafen; da kommt er am ehesten wieder zu sich.“</p><lb/> <p>„Also, Mama, Du findest doch auch …“</p><lb/> <p>„Freilich find’ ich. Aber es hat nichts auf sich. Dein Vater war immer abhängig von dem, was ihn umgab. Ist er hier, so geht es ganz gut, oder doch beinah’ ganz gut, aber in einem wilden Lande verwildert er. Er ist ein bißchen verwildert.“</p><lb/> <p>„Es ängstigt mich doch, Mama.“</p><lb/> <p>„Nicht nötig. Du weißt das nicht so, weil er jetzt ein paar Jahre nicht fort war. Aber ich weiß Bescheid, ich kenn’ ihn, und wenn er erst wieder bei Huth war und seine ‚Herren‘ getroffen und bis Zwölf seinen Brauneberger getrunken hat, dann ist er bald wieder in Ordnung.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Lezius kam sehr spät zum Kaffee.</p><lb/> <p>„Sollen wir Dir frischen machen?“ fragte seine Frau.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [234/0236]
Lezius, wenn er von der Reise kam, so viel wußte seine Frau von alten Zeiten her, holte den im Gebirge versäumten Nachtschlaf tapfer nach; er schlief denn auch diesmal wieder bis in den hellen Tag hinein.
„Soll ich ihn wecken, Mama?“ fragte Mirjam.
„Nein Kind, er muß ausschlafen; da kommt er am ehesten wieder zu sich.“
„Also, Mama, Du findest doch auch …“
„Freilich find’ ich. Aber es hat nichts auf sich. Dein Vater war immer abhängig von dem, was ihn umgab. Ist er hier, so geht es ganz gut, oder doch beinah’ ganz gut, aber in einem wilden Lande verwildert er. Er ist ein bißchen verwildert.“
„Es ängstigt mich doch, Mama.“
„Nicht nötig. Du weißt das nicht so, weil er jetzt ein paar Jahre nicht fort war. Aber ich weiß Bescheid, ich kenn’ ihn, und wenn er erst wieder bei Huth war und seine ‚Herren‘ getroffen und bis Zwölf seinen Brauneberger getrunken hat, dann ist er bald wieder in Ordnung.“
Lezius kam sehr spät zum Kaffee.
„Sollen wir Dir frischen machen?“ fragte seine Frau.
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
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