Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.an eben dieser Stelle gehalten hatte. Freilich kam mir auch wieder ein Zweifel, ob er's sei, so sehr verändert war alles in seiner Erscheinung. Er trug ein schneeweißes Hemd, den Hemdkragen vatermörderartig aufgeklappt, trotzdem ihm jede Steife fehlte, dazu weiße Strümpfe mit Schuh, hechtgraue Kniehosen und einen blauen Frack mit Sammetkragen und blanken Knöpfen. Als er beim Heraustreten mich gewahrte, zog er sehr artig, aber doch mit erkennbarer Rücksicht auf die Krempe, seinen Hut und setzte sich dann auf eine mehr als primitive Bank, ein auf zwei Holzpfähle genageltes Stück Brett, dicht neben der Scheune. Hier sog er die Wärme mit vielem Behagen ein, zugleich unter sichtlichem Interesse den Hühnern zusehend, von denen einige sich Erdlöcher gemacht hatten, während andere drüben auf der Kleewiese spazieren gingen. "Guten Tag," sagte ich und rückte mit meinem Gartenstuhl etwas näher an ihn heran. "Guten Tag, Herr." "Warm heute." "Ja, warm. Aber immer noch nicht genug. Der Roggen braucht noch Sonne und unsereins auch." "Ich bin mehr für Schatten." an eben dieser Stelle gehalten hatte. Freilich kam mir auch wieder ein Zweifel, ob er’s sei, so sehr verändert war alles in seiner Erscheinung. Er trug ein schneeweißes Hemd, den Hemdkragen vatermörderartig aufgeklappt, trotzdem ihm jede Steife fehlte, dazu weiße Strümpfe mit Schuh, hechtgraue Kniehosen und einen blauen Frack mit Sammetkragen und blanken Knöpfen. Als er beim Heraustreten mich gewahrte, zog er sehr artig, aber doch mit erkennbarer Rücksicht auf die Krempe, seinen Hut und setzte sich dann auf eine mehr als primitive Bank, ein auf zwei Holzpfähle genageltes Stück Brett, dicht neben der Scheune. Hier sog er die Wärme mit vielem Behagen ein, zugleich unter sichtlichem Interesse den Hühnern zusehend, von denen einige sich Erdlöcher gemacht hatten, während andere drüben auf der Kleewiese spazieren gingen. „Guten Tag,“ sagte ich und rückte mit meinem Gartenstuhl etwas näher an ihn heran. „Guten Tag, Herr.“ „Warm heute.“ „Ja, warm. Aber immer noch nicht genug. Der Roggen braucht noch Sonne und unsereins auch.“ „Ich bin mehr für Schatten.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0217" n="215"/> an eben dieser Stelle gehalten hatte. Freilich kam mir auch wieder ein Zweifel, ob er’s sei, so sehr verändert war alles in seiner Erscheinung. Er trug ein schneeweißes Hemd, den Hemdkragen vatermörderartig aufgeklappt, trotzdem ihm jede Steife fehlte, dazu weiße Strümpfe mit Schuh, hechtgraue Kniehosen und einen blauen Frack mit Sammetkragen und blanken Knöpfen. Als er beim Heraustreten mich gewahrte, zog er sehr artig, aber doch mit erkennbarer Rücksicht auf die Krempe, seinen Hut und setzte sich dann auf eine mehr als primitive Bank, ein auf zwei Holzpfähle genageltes Stück Brett, dicht neben der Scheune. Hier sog er die Wärme mit vielem Behagen ein, zugleich unter sichtlichem Interesse den Hühnern zusehend, von denen einige sich Erdlöcher gemacht hatten, während andere drüben auf der Kleewiese spazieren gingen.</p><lb/> <p>„Guten Tag,“ sagte ich und rückte mit meinem Gartenstuhl etwas näher an ihn heran.</p><lb/> <p>„Guten Tag, Herr.“</p><lb/> <p>„Warm heute.“</p><lb/> <p>„Ja, warm. Aber immer noch nicht genug. Der Roggen braucht noch Sonne und unsereins auch.“</p><lb/> <p>„Ich bin mehr für Schatten.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [215/0217]
an eben dieser Stelle gehalten hatte. Freilich kam mir auch wieder ein Zweifel, ob er’s sei, so sehr verändert war alles in seiner Erscheinung. Er trug ein schneeweißes Hemd, den Hemdkragen vatermörderartig aufgeklappt, trotzdem ihm jede Steife fehlte, dazu weiße Strümpfe mit Schuh, hechtgraue Kniehosen und einen blauen Frack mit Sammetkragen und blanken Knöpfen. Als er beim Heraustreten mich gewahrte, zog er sehr artig, aber doch mit erkennbarer Rücksicht auf die Krempe, seinen Hut und setzte sich dann auf eine mehr als primitive Bank, ein auf zwei Holzpfähle genageltes Stück Brett, dicht neben der Scheune. Hier sog er die Wärme mit vielem Behagen ein, zugleich unter sichtlichem Interesse den Hühnern zusehend, von denen einige sich Erdlöcher gemacht hatten, während andere drüben auf der Kleewiese spazieren gingen.
„Guten Tag,“ sagte ich und rückte mit meinem Gartenstuhl etwas näher an ihn heran.
„Guten Tag, Herr.“
„Warm heute.“
„Ja, warm. Aber immer noch nicht genug. Der Roggen braucht noch Sonne und unsereins auch.“
„Ich bin mehr für Schatten.“
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/217>, abgerufen am 25.07.2024. |