Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.er schon mit seiner Säge drüber gewesen? Er sägt immer und sagt dabei ganz ruhig: ,sie merken nichts'. Und sie merken auch nichts, und nur wenn er fertig ist, dann suchen sie nach ihrem Bein. Aber da können sie lange suchen. Und was soll einer, wenn er nicht Arm und Bein hat. Arm und Bein heißt arbeiten. Und wenn wir nicht arbeiten, dann hungern wir." "Ach, Mutter, Du machst wieder Deine Augen und redst wieder so wild. Er hat ja das Bein noch. Und der Doctor sagt auch, er wird es wohl behalten." "Er wird es wohl behalten ... Du Dummbart, Du Kindskopp. Siehst Du denn nich? hörst Du denn nich? Er wird es wohl behalten, das heißt, er wird es nicht behalten, das heißt, daß es schon weg ist. Und was weg ist, ist weg und wächst nich wieder, und wir müssen hungern. Warum habt Ihr ihn nicht nach Brückenberg herauf gebracht? zu Legler oben auf der Josephsbaude. Legler, der versteht es, der hilft, weil er weiß, was arme Menschen sind ... Und die Josephsbaude war auch näher als das Stift, und Legler ist klüger als Melchers. Legler hat die Kräuter und hat auch den Spruch, und wenn er die Kräuter auflegt, dann geht das Fieber, und den siebenten Tag fängt es er schon mit seiner Säge drüber gewesen? Er sägt immer und sagt dabei ganz ruhig: ‚sie merken nichts‘. Und sie merken auch nichts, und nur wenn er fertig ist, dann suchen sie nach ihrem Bein. Aber da können sie lange suchen. Und was soll einer, wenn er nicht Arm und Bein hat. Arm und Bein heißt arbeiten. Und wenn wir nicht arbeiten, dann hungern wir.“ „Ach, Mutter, Du machst wieder Deine Augen und redst wieder so wild. Er hat ja das Bein noch. Und der Doctor sagt auch, er wird es wohl behalten.“ „Er wird es wohl behalten … Du Dummbart, Du Kindskopp. Siehst Du denn nich? hörst Du denn nich? Er wird es wohl behalten, das heißt, er wird es nicht behalten, das heißt, daß es schon weg ist. Und was weg ist, ist weg und wächst nich wieder, und wir müssen hungern. Warum habt Ihr ihn nicht nach Brückenberg herauf gebracht? zu Legler oben auf der Josephsbaude. Legler, der versteht es, der hilft, weil er weiß, was arme Menschen sind … Und die Josephsbaude war auch näher als das Stift, und Legler ist klüger als Melchers. Legler hat die Kräuter und hat auch den Spruch, und wenn er die Kräuter auflegt, dann geht das Fieber, und den siebenten Tag fängt es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0204" n="202"/> er schon mit seiner Säge drüber gewesen? Er sägt immer und sagt dabei ganz ruhig: ‚sie merken nichts‘. Und sie merken auch nichts, und nur wenn er fertig ist, dann suchen sie nach ihrem Bein. Aber da können sie lange suchen. Und was soll einer, wenn er nicht Arm und Bein hat. Arm und Bein heißt arbeiten. Und wenn wir nicht arbeiten, dann hungern wir.“</p><lb/> <p>„Ach, Mutter, Du machst wieder Deine Augen und redst wieder so wild. Er hat ja das Bein noch. Und der Doctor sagt auch, er wird es wohl behalten.“</p><lb/> <p>„Er wird es wohl behalten … Du Dummbart, Du Kindskopp. Siehst Du denn nich? hörst Du denn nich? Er wird es wohl behalten, das heißt, er wird es <hi rendition="#g">nicht</hi> behalten, das heißt, daß es schon weg ist. Und was weg ist, ist weg und wächst nich wieder, und wir müssen hungern. Warum habt Ihr ihn nicht nach Brückenberg herauf gebracht? zu Legler oben auf der Josephsbaude. Legler, der versteht es, der hilft, weil er weiß, was arme Menschen sind … Und die Josephsbaude war auch näher als das Stift, und Legler ist klüger als Melchers. Legler hat die Kräuter und hat auch den Spruch, und wenn er die Kräuter auflegt, dann geht das Fieber, und den siebenten Tag fängt es </p> </div> </body> </text> </TEI> [202/0204]
er schon mit seiner Säge drüber gewesen? Er sägt immer und sagt dabei ganz ruhig: ‚sie merken nichts‘. Und sie merken auch nichts, und nur wenn er fertig ist, dann suchen sie nach ihrem Bein. Aber da können sie lange suchen. Und was soll einer, wenn er nicht Arm und Bein hat. Arm und Bein heißt arbeiten. Und wenn wir nicht arbeiten, dann hungern wir.“
„Ach, Mutter, Du machst wieder Deine Augen und redst wieder so wild. Er hat ja das Bein noch. Und der Doctor sagt auch, er wird es wohl behalten.“
„Er wird es wohl behalten … Du Dummbart, Du Kindskopp. Siehst Du denn nich? hörst Du denn nich? Er wird es wohl behalten, das heißt, er wird es nicht behalten, das heißt, daß es schon weg ist. Und was weg ist, ist weg und wächst nich wieder, und wir müssen hungern. Warum habt Ihr ihn nicht nach Brückenberg herauf gebracht? zu Legler oben auf der Josephsbaude. Legler, der versteht es, der hilft, weil er weiß, was arme Menschen sind … Und die Josephsbaude war auch näher als das Stift, und Legler ist klüger als Melchers. Legler hat die Kräuter und hat auch den Spruch, und wenn er die Kräuter auflegt, dann geht das Fieber, und den siebenten Tag fängt es
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/204 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/204>, abgerufen am 04.07.2024. |