Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.nach jenem denkwürdigen 3. Mai - nachdem er noch eine Stunde vor seinem Ende bestimmt hatte, ,daß er am 7. Juni, dem Todestage weiland König Friedrich Wilhelms III., seines gnädigsten König und Herrn, der in seinem edlen Herzen ein solches Wort wie "Medizinalpfuscherei" wahrscheinlich nicht 'mal gekannt habe, begraben sein wolle'. Und nun kam das Begräbnis. Es war ein großer Tag, und in dem ganzen Hirschberger Thale gingen die Glocken, als der Zug von Langhübel nach Agathendorf hinunterstieg. Laboranten, die folgen konnten, gab es nicht mehr, aber Hampel hatte trotzdem seinen Kondukt: erst die Langhübler und Brückenberger Kinder, zu zwei und zwei mit Erdbeerblüten im Haar, dann Feuerwehrmusik mit Posaune und Tuba, danach die Schaffgotsch'schen und Matuschka'schen Förster und Haideläufer, und zuletzt die Kräuterweiber aus dem ganzen Gebirge, wohl zwanzig oder dreißig, die sich fein gemacht und auf Harken und Stangen all das trugen, was sie zeitlebens für den Hampel'schen Kräuterboden gesammelt hatten: Enzian und Arnika, Fingerhut und Besingkraut und vor allem isländisch Moos, das in langen, wirren Flechten von den Harken herniederhing. Vierzehn Tage später hieß es: ,Alles im nach jenem denkwürdigen 3. Mai – nachdem er noch eine Stunde vor seinem Ende bestimmt hatte, ‚daß er am 7. Juni, dem Todestage weiland König Friedrich Wilhelms III., seines gnädigsten König und Herrn, der in seinem edlen Herzen ein solches Wort wie „Medizinalpfuscherei“ wahrscheinlich nicht ’mal gekannt habe, begraben sein wolle‘. Und nun kam das Begräbnis. Es war ein großer Tag, und in dem ganzen Hirschberger Thale gingen die Glocken, als der Zug von Langhübel nach Agathendorf hinunterstieg. Laboranten, die folgen konnten, gab es nicht mehr, aber Hampel hatte trotzdem seinen Kondukt: erst die Langhübler und Brückenberger Kinder, zu zwei und zwei mit Erdbeerblüten im Haar, dann Feuerwehrmusik mit Posaune und Tuba, danach die Schaffgotsch’schen und Matuschka’schen Förster und Haideläufer, und zuletzt die Kräuterweiber aus dem ganzen Gebirge, wohl zwanzig oder dreißig, die sich fein gemacht und auf Harken und Stangen all das trugen, was sie zeitlebens für den Hampel’schen Kräuterboden gesammelt hatten: Enzian und Arnika, Fingerhut und Besingkraut und vor allem isländisch Moos, das in langen, wirren Flechten von den Harken herniederhing. Vierzehn Tage später hieß es: ‚Alles im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="194"/> nach jenem denkwürdigen 3. Mai – nachdem er noch eine Stunde vor seinem Ende bestimmt hatte, ‚daß er am 7. Juni, dem Todestage weiland König Friedrich Wilhelms III., seines gnädigsten König und Herrn, der in seinem edlen Herzen ein solches Wort wie „Medizinalpfuscherei“ wahrscheinlich nicht ’mal gekannt habe, begraben sein wolle‘.</p><lb/> <p>Und nun kam das Begräbnis.</p><lb/> <p>Es war ein großer Tag, und in dem ganzen Hirschberger Thale gingen die Glocken, als der Zug von Langhübel nach Agathendorf hinunterstieg. Laboranten, die folgen konnten, gab es nicht mehr, aber Hampel hatte trotzdem seinen Kondukt: erst die Langhübler und Brückenberger Kinder, zu zwei und zwei mit Erdbeerblüten im Haar, dann Feuerwehrmusik mit Posaune und Tuba, danach die Schaffgotsch’schen und Matuschka’schen Förster und Haideläufer, und zuletzt die Kräuterweiber aus dem ganzen Gebirge, wohl zwanzig oder dreißig, die sich fein gemacht und auf Harken und Stangen all <hi rendition="#g">das</hi> trugen, was sie zeitlebens für den Hampel’schen Kräuterboden gesammelt hatten: Enzian und Arnika, Fingerhut und Besingkraut und vor allem isländisch Moos, das in langen, wirren Flechten von den Harken herniederhing.</p><lb/> <p>Vierzehn Tage später hieß es: ‚Alles im </p> </div> </body> </text> </TEI> [194/0196]
nach jenem denkwürdigen 3. Mai – nachdem er noch eine Stunde vor seinem Ende bestimmt hatte, ‚daß er am 7. Juni, dem Todestage weiland König Friedrich Wilhelms III., seines gnädigsten König und Herrn, der in seinem edlen Herzen ein solches Wort wie „Medizinalpfuscherei“ wahrscheinlich nicht ’mal gekannt habe, begraben sein wolle‘.
Und nun kam das Begräbnis.
Es war ein großer Tag, und in dem ganzen Hirschberger Thale gingen die Glocken, als der Zug von Langhübel nach Agathendorf hinunterstieg. Laboranten, die folgen konnten, gab es nicht mehr, aber Hampel hatte trotzdem seinen Kondukt: erst die Langhübler und Brückenberger Kinder, zu zwei und zwei mit Erdbeerblüten im Haar, dann Feuerwehrmusik mit Posaune und Tuba, danach die Schaffgotsch’schen und Matuschka’schen Förster und Haideläufer, und zuletzt die Kräuterweiber aus dem ganzen Gebirge, wohl zwanzig oder dreißig, die sich fein gemacht und auf Harken und Stangen all das trugen, was sie zeitlebens für den Hampel’schen Kräuterboden gesammelt hatten: Enzian und Arnika, Fingerhut und Besingkraut und vor allem isländisch Moos, das in langen, wirren Flechten von den Harken herniederhing.
Vierzehn Tage später hieß es: ‚Alles im
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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