Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

kostspielig war, den Vorzug gegeben haben würde, wenn nicht eine der im Glaskolben extrahierten Tinkturen ein Gegenstand seiner besonderen Vorliebe gewesen wäre, fast als ob er geahnt hätte, welche Bedeutung gerade diese Tropfen für ihn gewinnen sollten. Unter dem nämlich, was, um ausgezogen zu werden, Tag um Tag in der Prallsonne stand, war auch ein Mineral, ein goldblinkendes Schwefeleisen aus der Seidorfer Gegend, das, genau so wie die Wurzeln und Kräuter, mit rektifiziertem Weingeist, ja man sprach sogar von hundert Grad Tralles, aufgesetzt wurde, was dann, nach dreizehnmonatlichem Ziehen, eine ganz merkwürdige Krafttinktur ergab, die wegen ihres Eisengehalts gegen Bleichsucht und Schwäche von geradezu phänomenaler Wirkung war. Wenigstens stand so auf dem Zettel, der jedem Fläschchen beigegeben wurde. Chemische Untersuchungen hatten nun freilich weder Schwefel noch Eisen in diesen Wundertropfen entdecken können, Hampel aber, als man ihm mit dieser Nachricht kam, hatte nicht nachgegeben wie damals mit der Marienhaartinktur, sondern sich umgekehrt aufs hohe Pferd gesetzt und mit superiorer Miene versichert: "der Geist" sei drin, und zwar erst der Schwefel- und dann der Eisengeist. Und dieser "Geist" sei viel zu fein, um sich mit Reagentien fassen zu lassen."

kostspielig war, den Vorzug gegeben haben würde, wenn nicht eine der im Glaskolben extrahierten Tinkturen ein Gegenstand seiner besonderen Vorliebe gewesen wäre, fast als ob er geahnt hätte, welche Bedeutung gerade diese Tropfen für ihn gewinnen sollten. Unter dem nämlich, was, um ausgezogen zu werden, Tag um Tag in der Prallsonne stand, war auch ein Mineral, ein goldblinkendes Schwefeleisen aus der Seidorfer Gegend, das, genau so wie die Wurzeln und Kräuter, mit rektifiziertem Weingeist, ja man sprach sogar von hundert Grad Tralles, aufgesetzt wurde, was dann, nach dreizehnmonatlichem Ziehen, eine ganz merkwürdige Krafttinktur ergab, die wegen ihres Eisengehalts gegen Bleichsucht und Schwäche von geradezu phänomenaler Wirkung war. Wenigstens stand so auf dem Zettel, der jedem Fläschchen beigegeben wurde. Chemische Untersuchungen hatten nun freilich weder Schwefel noch Eisen in diesen Wundertropfen entdecken können, Hampel aber, als man ihm mit dieser Nachricht kam, hatte nicht nachgegeben wie damals mit der Marienhaartinktur, sondern sich umgekehrt aufs hohe Pferd gesetzt und mit superiorer Miene versichert: „der Geist“ sei drin, und zwar erst der Schwefel- und dann der Eisengeist. Und dieser „Geist“ sei viel zu fein, um sich mit Reagentien fassen zu lassen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="189"/>
kostspielig war, den Vorzug gegeben haben                     würde, wenn nicht eine der im Glaskolben extrahierten Tinkturen ein Gegenstand                     seiner besonderen Vorliebe gewesen wäre, fast als ob er geahnt hätte, welche                     Bedeutung gerade <hi rendition="#g">diese</hi> Tropfen für ihn gewinnen sollten.                     Unter dem nämlich, was, um ausgezogen zu werden, Tag um Tag in der Prallsonne                     stand, war auch ein Mineral, ein goldblinkendes Schwefeleisen aus der Seidorfer                     Gegend, das, genau so wie die Wurzeln und Kräuter, mit rektifiziertem Weingeist,                     ja man sprach sogar von hundert Grad Tralles, aufgesetzt wurde, was dann, nach                     dreizehnmonatlichem Ziehen, eine ganz merkwürdige Krafttinktur ergab, die wegen                     ihres Eisengehalts gegen Bleichsucht und Schwäche von geradezu phänomenaler                     Wirkung war. Wenigstens stand so auf dem Zettel, der jedem Fläschchen beigegeben                     wurde. Chemische Untersuchungen hatten nun freilich weder Schwefel noch Eisen in                     diesen Wundertropfen entdecken können, Hampel aber, als man ihm mit dieser                     Nachricht kam, hatte <hi rendition="#g">nicht</hi> nachgegeben wie damals mit                     der Marienhaartinktur, sondern sich umgekehrt aufs hohe Pferd gesetzt und mit                     superiorer Miene versichert: &#x201E;der Geist&#x201C; sei drin, und zwar erst der Schwefel-                     und dann der Eisengeist. Und dieser &#x201E;Geist&#x201C; sei viel zu fein, um sich mit                     Reagentien fassen zu lassen.&#x201C;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0191] kostspielig war, den Vorzug gegeben haben würde, wenn nicht eine der im Glaskolben extrahierten Tinkturen ein Gegenstand seiner besonderen Vorliebe gewesen wäre, fast als ob er geahnt hätte, welche Bedeutung gerade diese Tropfen für ihn gewinnen sollten. Unter dem nämlich, was, um ausgezogen zu werden, Tag um Tag in der Prallsonne stand, war auch ein Mineral, ein goldblinkendes Schwefeleisen aus der Seidorfer Gegend, das, genau so wie die Wurzeln und Kräuter, mit rektifiziertem Weingeist, ja man sprach sogar von hundert Grad Tralles, aufgesetzt wurde, was dann, nach dreizehnmonatlichem Ziehen, eine ganz merkwürdige Krafttinktur ergab, die wegen ihres Eisengehalts gegen Bleichsucht und Schwäche von geradezu phänomenaler Wirkung war. Wenigstens stand so auf dem Zettel, der jedem Fläschchen beigegeben wurde. Chemische Untersuchungen hatten nun freilich weder Schwefel noch Eisen in diesen Wundertropfen entdecken können, Hampel aber, als man ihm mit dieser Nachricht kam, hatte nicht nachgegeben wie damals mit der Marienhaartinktur, sondern sich umgekehrt aufs hohe Pferd gesetzt und mit superiorer Miene versichert: „der Geist“ sei drin, und zwar erst der Schwefel- und dann der Eisengeist. Und dieser „Geist“ sei viel zu fein, um sich mit Reagentien fassen zu lassen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.

Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/191
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/191>, abgerufen am 23.11.2024.