Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Auf die eine oder andere Weise muß hier Wandel geschafft, müssen die Leistungen höher oder die Preise niedriger werden. Das letztere wäre das bessere und ein wahrer Segen. Weg mit dem abgetretenen, lächerlichen Teppichfetzen, weg mit der tabaksverqualmten Goldtapete, weg mit dem schäbigen Plüschsofa und der türkisch geblümten Steppdecke, deren bunte Dunkelfarbe jede Möglichkeit zuläßt, vor allem weg mit dem großen Reise-Tyrannen, dem Table d'hote's-Unsinn, weg mit den sieben Gängen, die bis zum letzten Bissen nichts repräsentieren als einen Wettlauf zwischen Hungrigbleiben und Langerweile. Denn wer wäre je an Leib gesättigt und an Seele erfrischt von diesem Zwei-Stunden-Martyrium aufgestanden! Statt dieses elenden Plunders eine gut ventilierte Stube, ein Stuhl und ein Tisch, eine Matratze und eine wollene Zudecke; vor allem die Freiheit, essen zu können was man will und wann man will. Die Herren Wirte sind des Publikums willen da, nicht das Publikum der Wirte willen. Aber überall verkehrt sich der natürliche Lauf der Dinge und gegen die Verkehrtheit ankämpfende Gemeinplätze werden wieder zu Weisheitsregeln. Auf die eine oder andere Weise muß hier Wandel geschafft, müssen die Leistungen höher oder die Preise niedriger werden. Das letztere wäre das bessere und ein wahrer Segen. Weg mit dem abgetretenen, lächerlichen Teppichfetzen, weg mit der tabaksverqualmten Goldtapete, weg mit dem schäbigen Plüschsofa und der türkisch geblümten Steppdecke, deren bunte Dunkelfarbe jede Möglichkeit zuläßt, vor allem weg mit dem großen Reise-Tyrannen, dem Table d’hote’s-Unsinn, weg mit den sieben Gängen, die bis zum letzten Bissen nichts repräsentieren als einen Wettlauf zwischen Hungrigbleiben und Langerweile. Denn wer wäre je an Leib gesättigt und an Seele erfrischt von diesem Zwei-Stunden-Martyrium aufgestanden! Statt dieses elenden Plunders eine gut ventilierte Stube, ein Stuhl und ein Tisch, eine Matratze und eine wollene Zudecke; vor allem die Freiheit, essen zu können was man will und wann man will. Die Herren Wirte sind des Publikums willen da, nicht das Publikum der Wirte willen. Aber überall verkehrt sich der natürliche Lauf der Dinge und gegen die Verkehrtheit ankämpfende Gemeinplätze werden wieder zu Weisheitsregeln. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0018" n="16"/> <p>Auf die eine oder andere Weise muß hier Wandel geschafft, müssen die <hi rendition="#g">Leistungen höher</hi> oder die <hi rendition="#g">Preise niedriger</hi> werden. Das letztere wäre das bessere und ein wahrer Segen. Weg mit dem abgetretenen, lächerlichen Teppichfetzen, weg mit der tabaksverqualmten Goldtapete, weg mit dem schäbigen Plüschsofa und der türkisch geblümten Steppdecke, deren bunte Dunkelfarbe jede Möglichkeit zuläßt, vor allem weg mit dem großen Reise-Tyrannen, dem <hi rendition="#g">Table d’hote’s-Unsinn</hi>, weg mit den sieben Gängen, die bis zum letzten Bissen nichts repräsentieren als einen Wettlauf zwischen Hungrigbleiben und Langerweile. Denn wer wäre je an Leib gesättigt und an Seele erfrischt von diesem Zwei-Stunden-Martyrium aufgestanden! Statt dieses elenden Plunders eine gut ventilierte Stube, ein Stuhl und ein Tisch, eine Matratze und eine wollene Zudecke; vor allem die Freiheit, essen zu können <hi rendition="#g">was</hi> man will und <hi rendition="#g">wann</hi> man will. Die Herren Wirte sind des Publikums willen da, nicht das Publikum der Wirte willen. Aber überall verkehrt sich der natürliche Lauf der Dinge und gegen die Verkehrtheit ankämpfende Gemeinplätze werden wieder zu Weisheitsregeln.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [16/0018]
Auf die eine oder andere Weise muß hier Wandel geschafft, müssen die Leistungen höher oder die Preise niedriger werden. Das letztere wäre das bessere und ein wahrer Segen. Weg mit dem abgetretenen, lächerlichen Teppichfetzen, weg mit der tabaksverqualmten Goldtapete, weg mit dem schäbigen Plüschsofa und der türkisch geblümten Steppdecke, deren bunte Dunkelfarbe jede Möglichkeit zuläßt, vor allem weg mit dem großen Reise-Tyrannen, dem Table d’hote’s-Unsinn, weg mit den sieben Gängen, die bis zum letzten Bissen nichts repräsentieren als einen Wettlauf zwischen Hungrigbleiben und Langerweile. Denn wer wäre je an Leib gesättigt und an Seele erfrischt von diesem Zwei-Stunden-Martyrium aufgestanden! Statt dieses elenden Plunders eine gut ventilierte Stube, ein Stuhl und ein Tisch, eine Matratze und eine wollene Zudecke; vor allem die Freiheit, essen zu können was man will und wann man will. Die Herren Wirte sind des Publikums willen da, nicht das Publikum der Wirte willen. Aber überall verkehrt sich der natürliche Lauf der Dinge und gegen die Verkehrtheit ankämpfende Gemeinplätze werden wieder zu Weisheitsregeln.
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
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