Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.trug einen etwas verschobenen schwarzen Scheitel, war auch älter als ihr Gatte, glich diese Mancos aber durch Temperament und eine bemerkenswerte Fidelität wieder aus, die sich unter anderem auch darin zeigte, daß sie eine über ihre Brust ausgespannte schwere Goldkette nach dem Takte der Musik beständig hin und her zog. Ihre seit wenigen Wochen erst mit einem Angestellten des Hauses verlobte Tochter, folgte, mit diesem ihrem Zukünftigen, als zweites Paar. "Mutter ist heute wieder so merkwürdig," sagte der Bräutigam. "Ach, laß ihr doch," antwortete das Fräulein. Und während das Gespräch in gleichem Tone sich fortsetzte, ging die zunächst im Hause selbst jeden Winkel und jede Ecke mitnehmende Polonaise nach der böhmischen Koppenbaude hinüber, wo der Führer des Zuges ein dreimaliges Hoch auf Kaiser Wilhelm ausbrachte. "Das ist, was ich Einverleibung nenne," flüsterte er seiner Frau zu. "Rede nicht so," verwies ihn diese. Schließlich aber war man wieder diesseitig in Haus und Saal zurückgekehrt, wo sich jetzt, an alter Stelle, jeder Einzelne vor seiner Dame verneigte. Der Bräutigam aber sagte: "Nun komm, Hulda, wir wollen uns draußen die Sterne ansehen." trug einen etwas verschobenen schwarzen Scheitel, war auch älter als ihr Gatte, glich diese Mancos aber durch Temperament und eine bemerkenswerte Fidelität wieder aus, die sich unter anderem auch darin zeigte, daß sie eine über ihre Brust ausgespannte schwere Goldkette nach dem Takte der Musik beständig hin und her zog. Ihre seit wenigen Wochen erst mit einem Angestellten des Hauses verlobte Tochter, folgte, mit diesem ihrem Zukünftigen, als zweites Paar. „Mutter ist heute wieder so merkwürdig,“ sagte der Bräutigam. „Ach, laß ihr doch,“ antwortete das Fräulein. Und während das Gespräch in gleichem Tone sich fortsetzte, ging die zunächst im Hause selbst jeden Winkel und jede Ecke mitnehmende Polonaise nach der böhmischen Koppenbaude hinüber, wo der Führer des Zuges ein dreimaliges Hoch auf Kaiser Wilhelm ausbrachte. „Das ist, was ich Einverleibung nenne,“ flüsterte er seiner Frau zu. „Rede nicht so,“ verwies ihn diese. Schließlich aber war man wieder diesseitig in Haus und Saal zurückgekehrt, wo sich jetzt, an alter Stelle, jeder Einzelne vor seiner Dame verneigte. Der Bräutigam aber sagte: „Nun komm, Hulda, wir wollen uns draußen die Sterne ansehen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="174"/> trug einen etwas verschobenen schwarzen Scheitel, war auch älter als ihr Gatte, glich diese Mancos aber durch Temperament und eine bemerkenswerte Fidelität wieder aus, die sich unter anderem auch darin zeigte, daß sie eine über ihre Brust ausgespannte schwere Goldkette nach dem Takte der Musik beständig hin und her zog. Ihre seit wenigen Wochen erst mit einem Angestellten des Hauses verlobte Tochter, folgte, mit diesem ihrem Zukünftigen, als zweites Paar.</p><lb/> <p>„Mutter ist heute wieder so merkwürdig,“ sagte der Bräutigam.</p><lb/> <p>„Ach, laß ihr doch,“ antwortete das Fräulein.</p><lb/> <p>Und während das Gespräch in gleichem Tone sich fortsetzte, ging die zunächst im Hause selbst jeden Winkel und jede Ecke mitnehmende Polonaise nach der böhmischen Koppenbaude hinüber, wo der Führer des Zuges ein dreimaliges Hoch auf Kaiser Wilhelm ausbrachte. „Das ist, was ich Einverleibung nenne,“ flüsterte er seiner Frau zu.</p><lb/> <p>„Rede nicht so,“ verwies ihn diese.</p><lb/> <p>Schließlich aber war man wieder diesseitig in Haus und Saal zurückgekehrt, wo sich jetzt, an alter Stelle, jeder Einzelne vor seiner Dame verneigte. Der Bräutigam aber sagte: „Nun komm, Hulda, wir wollen uns draußen die Sterne ansehen.“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [174/0176]
trug einen etwas verschobenen schwarzen Scheitel, war auch älter als ihr Gatte, glich diese Mancos aber durch Temperament und eine bemerkenswerte Fidelität wieder aus, die sich unter anderem auch darin zeigte, daß sie eine über ihre Brust ausgespannte schwere Goldkette nach dem Takte der Musik beständig hin und her zog. Ihre seit wenigen Wochen erst mit einem Angestellten des Hauses verlobte Tochter, folgte, mit diesem ihrem Zukünftigen, als zweites Paar.
„Mutter ist heute wieder so merkwürdig,“ sagte der Bräutigam.
„Ach, laß ihr doch,“ antwortete das Fräulein.
Und während das Gespräch in gleichem Tone sich fortsetzte, ging die zunächst im Hause selbst jeden Winkel und jede Ecke mitnehmende Polonaise nach der böhmischen Koppenbaude hinüber, wo der Führer des Zuges ein dreimaliges Hoch auf Kaiser Wilhelm ausbrachte. „Das ist, was ich Einverleibung nenne,“ flüsterte er seiner Frau zu.
„Rede nicht so,“ verwies ihn diese.
Schließlich aber war man wieder diesseitig in Haus und Saal zurückgekehrt, wo sich jetzt, an alter Stelle, jeder Einzelne vor seiner Dame verneigte. Der Bräutigam aber sagte: „Nun komm, Hulda, wir wollen uns draußen die Sterne ansehen.“
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2014-01-22T15:28:28Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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