Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.hüpfte sie, gelangweilt, weil schon von Vorahnungen kommender Lebensherrlichkeit erfüllt, über die Korde, der Typus eines Berliner Kellerbackfisches. Ich sah dem zu. Nach einigen Minuten aber ließen die Jungen von ihrem Murmelspiel und die Mädchen von ihrem über die Korde-springen ab und gaben mir, auseinanderstiebend, erwünschte und bequeme Gelegenheit, die Zeichnungen und Kreideinschriften zu mustern, die gerade da, wo sie gespielt hatten, die chinesische Mauer reichlich überdeckten. Gleich das erste, was ich sah erschien mir frappant. Es war das Wort "Schautau." Wenn das nicht chinesisch war, so war es doch mindestens chinesiert, vielleicht ein bekannter Berolinismus in eine höhere fremdländische Form gehoben. Aber alle meine Hoffnungen, an dieser Stelle Sprachwissenschaftliches von den Steinen herunterlesen zu können, zerrannen rasch, als ich die fast unmittelbar danebenstehenden Inschriften überflog. "Emmy ist sehr nett" stand da zunächst über drei Längssteine hingeschrieben, und es war mir klar, daß eine schwärmerische Freundin Emmys (welche letztere wohl keine andere als die mit der Pelerine sein konnte) diese Liebeserklärung gemacht haben müsse. Parteiungen aber hatten auch hier das Idyllische bereits entweiht, denn auf einem Nachbarsteine las ich: "Emmy ist hüpfte sie, gelangweilt, weil schon von Vorahnungen kommender Lebensherrlichkeit erfüllt, über die Korde, der Typus eines Berliner Kellerbackfisches. Ich sah dem zu. Nach einigen Minuten aber ließen die Jungen von ihrem Murmelspiel und die Mädchen von ihrem über die Korde-springen ab und gaben mir, auseinanderstiebend, erwünschte und bequeme Gelegenheit, die Zeichnungen und Kreideinschriften zu mustern, die gerade da, wo sie gespielt hatten, die chinesische Mauer reichlich überdeckten. Gleich das erste, was ich sah erschien mir frappant. Es war das Wort „Schautau.“ Wenn das nicht chinesisch war, so war es doch mindestens chinesiert, vielleicht ein bekannter Berolinismus in eine höhere fremdländische Form gehoben. Aber alle meine Hoffnungen, an dieser Stelle Sprachwissenschaftliches von den Steinen herunterlesen zu können, zerrannen rasch, als ich die fast unmittelbar danebenstehenden Inschriften überflog. „Emmy ist sehr nett“ stand da zunächst über drei Längssteine hingeschrieben, und es war mir klar, daß eine schwärmerische Freundin Emmys (welche letztere wohl keine andere als die mit der Pelerine sein konnte) diese Liebeserklärung gemacht haben müsse. Parteiungen aber hatten auch hier das Idyllische bereits entweiht, denn auf einem Nachbarsteine las ich: „Emmy ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="164"/> hüpfte sie, gelangweilt, weil schon von Vorahnungen kommender Lebensherrlichkeit erfüllt, über die Korde, der Typus eines Berliner Kellerbackfisches.</p><lb/> <p>Ich sah dem zu. Nach einigen Minuten aber ließen die Jungen von ihrem Murmelspiel und die Mädchen von ihrem über die Korde-springen ab und gaben mir, auseinanderstiebend, erwünschte und bequeme Gelegenheit, die Zeichnungen und Kreideinschriften zu mustern, die gerade da, wo sie gespielt hatten, die chinesische Mauer reichlich überdeckten. Gleich das erste, was ich sah erschien mir frappant. Es war das Wort „Schautau.“ Wenn das nicht chinesisch war, so war es doch mindestens chinesiert, vielleicht ein bekannter Berolinismus in eine höhere fremdländische Form gehoben. Aber alle meine Hoffnungen, an dieser Stelle Sprachwissenschaftliches von den Steinen herunterlesen zu können, zerrannen rasch, als ich die fast unmittelbar danebenstehenden Inschriften überflog. „Emmy ist sehr nett“ stand da zunächst über drei Längssteine hingeschrieben, und es war mir klar, daß eine schwärmerische Freundin Emmys (welche letztere wohl keine andere als die mit der Pelerine sein konnte) diese Liebeserklärung gemacht haben müsse. Parteiungen aber hatten auch hier das Idyllische bereits entweiht, denn auf einem Nachbarsteine las ich: „Emmy ist </p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0166]
hüpfte sie, gelangweilt, weil schon von Vorahnungen kommender Lebensherrlichkeit erfüllt, über die Korde, der Typus eines Berliner Kellerbackfisches.
Ich sah dem zu. Nach einigen Minuten aber ließen die Jungen von ihrem Murmelspiel und die Mädchen von ihrem über die Korde-springen ab und gaben mir, auseinanderstiebend, erwünschte und bequeme Gelegenheit, die Zeichnungen und Kreideinschriften zu mustern, die gerade da, wo sie gespielt hatten, die chinesische Mauer reichlich überdeckten. Gleich das erste, was ich sah erschien mir frappant. Es war das Wort „Schautau.“ Wenn das nicht chinesisch war, so war es doch mindestens chinesiert, vielleicht ein bekannter Berolinismus in eine höhere fremdländische Form gehoben. Aber alle meine Hoffnungen, an dieser Stelle Sprachwissenschaftliches von den Steinen herunterlesen zu können, zerrannen rasch, als ich die fast unmittelbar danebenstehenden Inschriften überflog. „Emmy ist sehr nett“ stand da zunächst über drei Längssteine hingeschrieben, und es war mir klar, daß eine schwärmerische Freundin Emmys (welche letztere wohl keine andere als die mit der Pelerine sein konnte) diese Liebeserklärung gemacht haben müsse. Parteiungen aber hatten auch hier das Idyllische bereits entweiht, denn auf einem Nachbarsteine las ich: „Emmy ist
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/166>, abgerufen am 25.07.2024. |