Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.selbst die Sonne, die durch das Regengewölk durchwollte, blinzelte sonderbar und war keine richtige märkische Sonne mehr. Alles versprach ethnographisch einen überreichen Ertrag, ein Glaube, der sich auch im Näherkommen nicht minderte; denn an einer freigelegten Stelle, will sagen da, wo die Maschen eines zierlichen Drahtgitters die solide Backsteinmauer durchbrachen, sah ich auf einen Vorgarten, darin ein Tulpenbaum in tausend Blüten stand und ein breites Platanendach darüber. Alles so echt wie nur möglich, und so war es denn natürlich, daß ich jeden Augenblick erwartete, den unvermeidlichen chinesischen Pfau von einer Stange her kreischen zu hören. Aber er kreischte nicht, trat überhaupt nicht in die Erscheinung, und als mein Hoffen und Harren eine kleine Viertelstunde lang ergebnislos verlaufen war, entschloß ich mich ein langsames Umkreisen des gesandtschaftlichen Gesamt-Areals eintreten zu lassen. Ich rückte denn auch von Fenster zu Fenster vor, aber wiewohl ich, laut Wohnungsanzeiger, sehr wohl wußte, daß, höherer Würdenträger zu geschweigen, sieben Attaches ihre Heimstätte hier hatten, so wollte doch nichts sichtbar werden, eine Thatsache, die mir übrigens nur das Gefühl einer Enttäuschung, nicht aber das einer Mißbilligung wachrief. Im selbst die Sonne, die durch das Regengewölk durchwollte, blinzelte sonderbar und war keine richtige märkische Sonne mehr. Alles versprach ethnographisch einen überreichen Ertrag, ein Glaube, der sich auch im Näherkommen nicht minderte; denn an einer freigelegten Stelle, will sagen da, wo die Maschen eines zierlichen Drahtgitters die solide Backsteinmauer durchbrachen, sah ich auf einen Vorgarten, darin ein Tulpenbaum in tausend Blüten stand und ein breites Platanendach darüber. Alles so echt wie nur möglich, und so war es denn natürlich, daß ich jeden Augenblick erwartete, den unvermeidlichen chinesischen Pfau von einer Stange her kreischen zu hören. Aber er kreischte nicht, trat überhaupt nicht in die Erscheinung, und als mein Hoffen und Harren eine kleine Viertelstunde lang ergebnislos verlaufen war, entschloß ich mich ein langsames Umkreisen des gesandtschaftlichen Gesamt-Areals eintreten zu lassen. Ich rückte denn auch von Fenster zu Fenster vor, aber wiewohl ich, laut Wohnungsanzeiger, sehr wohl wußte, daß, höherer Würdenträger zu geschweigen, sieben Attachés ihre Heimstätte hier hatten, so wollte doch nichts sichtbar werden, eine Thatsache, die mir übrigens nur das Gefühl einer Enttäuschung, nicht aber das einer Mißbilligung wachrief. Im <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0164" n="162"/> selbst die Sonne, die durch das Regengewölk durchwollte, blinzelte sonderbar und war keine richtige märkische Sonne mehr. Alles versprach ethnographisch einen überreichen Ertrag, ein Glaube, der sich auch im Näherkommen nicht minderte; denn an einer freigelegten Stelle, will sagen da, wo die Maschen eines zierlichen Drahtgitters die solide Backsteinmauer durchbrachen, sah ich auf einen Vorgarten, darin ein Tulpenbaum in tausend Blüten stand und ein breites Platanendach darüber. Alles so echt wie nur möglich, und so war es denn natürlich, daß ich jeden Augenblick erwartete, den unvermeidlichen chinesischen Pfau von einer Stange her kreischen zu hören.</p><lb/> <p>Aber er kreischte nicht, trat überhaupt nicht in die Erscheinung, und als mein Hoffen und Harren eine kleine Viertelstunde lang ergebnislos verlaufen war, entschloß ich mich ein langsames Umkreisen des gesandtschaftlichen Gesamt-Areals eintreten zu lassen. Ich rückte denn auch von Fenster zu Fenster vor, aber wiewohl ich, laut Wohnungsanzeiger, sehr wohl wußte, daß, höherer Würdenträger zu geschweigen, sieben Attachés ihre Heimstätte hier hatten, so wollte doch nichts sichtbar werden, eine Thatsache, die mir übrigens nur das Gefühl einer Enttäuschung, nicht aber das einer Mißbilligung wachrief. Im </p> </div> </body> </text> </TEI> [162/0164]
selbst die Sonne, die durch das Regengewölk durchwollte, blinzelte sonderbar und war keine richtige märkische Sonne mehr. Alles versprach ethnographisch einen überreichen Ertrag, ein Glaube, der sich auch im Näherkommen nicht minderte; denn an einer freigelegten Stelle, will sagen da, wo die Maschen eines zierlichen Drahtgitters die solide Backsteinmauer durchbrachen, sah ich auf einen Vorgarten, darin ein Tulpenbaum in tausend Blüten stand und ein breites Platanendach darüber. Alles so echt wie nur möglich, und so war es denn natürlich, daß ich jeden Augenblick erwartete, den unvermeidlichen chinesischen Pfau von einer Stange her kreischen zu hören.
Aber er kreischte nicht, trat überhaupt nicht in die Erscheinung, und als mein Hoffen und Harren eine kleine Viertelstunde lang ergebnislos verlaufen war, entschloß ich mich ein langsames Umkreisen des gesandtschaftlichen Gesamt-Areals eintreten zu lassen. Ich rückte denn auch von Fenster zu Fenster vor, aber wiewohl ich, laut Wohnungsanzeiger, sehr wohl wußte, daß, höherer Würdenträger zu geschweigen, sieben Attachés ihre Heimstätte hier hatten, so wollte doch nichts sichtbar werden, eine Thatsache, die mir übrigens nur das Gefühl einer Enttäuschung, nicht aber das einer Mißbilligung wachrief. Im
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/164>, abgerufen am 29.07.2024. |