Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.immer gut, gebrannt oder nicht. Ah, ein delikates Kirschwasser ..." In diesem Augenblick sah er, daß ich dankte. "Präsentieren Sie dem Doktor nur noch 'mal; er wird schon nehmen. Ein solcher Rachenputzer ist auch ein kategorischer Imperativ. Er hat 'was Männliches und sonderbar, ich bin abhängig von solchen Dingen. Ich kann Freundschaft halten mit Leuten, die sich einen Rettig oder einen Limburger aufs Brod legen, und zwei, drei Nordhäuser herunter kippen, aber ich könnte nicht Freundschaft halten mit einem Manne, der von Baiser-Torte lebt und Creme de Cacao nippt." Ich verneigte mich gegen ihn und sagte, daß ich ihm darin vollkommen beipflichtete. Nichts destoweniger könnt' ich ihm nicht zu Diensten sein, ich hätte sehr empfindliche Membranen und mein Zäpfchen entzündete sich leicht. Er lachte wieder. "Ein Zäpfchen. Und nun gar ein entzündetes Zäpfchen. Aber woher das alles? Alles von dem unglücklichen Flanell und den Binden und Bandagen, die schon auf dem Fechtboden ein Unsinn sind und nun mit doppelter Watte mit ins Philisterium hinüber genommen werden. Immer Tücher und Kravatten, heute seidene, morgen wollene, ja, einen kannt' ich, der be- immer gut, gebrannt oder nicht. Ah, ein delikates Kirschwasser …“ In diesem Augenblick sah er, daß ich dankte. „Präsentieren Sie dem Doktor nur noch ’mal; er wird schon nehmen. Ein solcher Rachenputzer ist auch ein kategorischer Imperativ. Er hat ’was Männliches und sonderbar, ich bin abhängig von solchen Dingen. Ich kann Freundschaft halten mit Leuten, die sich einen Rettig oder einen Limburger aufs Brod legen, und zwei, drei Nordhäuser herunter kippen, aber ich könnte nicht Freundschaft halten mit einem Manne, der von Baiser-Torte lebt und Crême de Cacao nippt.“ Ich verneigte mich gegen ihn und sagte, daß ich ihm darin vollkommen beipflichtete. Nichts destoweniger könnt’ ich ihm nicht zu Diensten sein, ich hätte sehr empfindliche Membranen und mein Zäpfchen entzündete sich leicht. Er lachte wieder. „Ein Zäpfchen. Und nun gar ein entzündetes Zäpfchen. Aber woher das alles? Alles von dem unglücklichen Flanell und den Binden und Bandagen, die schon auf dem Fechtboden ein Unsinn sind und nun mit doppelter Watte mit ins Philisterium hinüber genommen werden. Immer Tücher und Kravatten, heute seidene, morgen wollene, ja, einen kannt’ ich, der be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="102"/> immer gut, gebrannt oder nicht. Ah, ein delikates Kirschwasser …“</p><lb/> <p>In diesem Augenblick sah er, daß ich dankte. „Präsentieren Sie dem Doktor nur noch ’mal; er wird schon nehmen. Ein solcher Rachenputzer ist auch ein kategorischer Imperativ. Er hat ’was Männliches und sonderbar, ich bin abhängig von solchen Dingen. Ich kann Freundschaft halten mit Leuten, die sich einen Rettig oder einen Limburger aufs Brod legen, und zwei, drei Nordhäuser herunter kippen, aber ich könnte nicht Freundschaft halten mit einem Manne, der von Baiser-Torte lebt und Crême de Cacao nippt.“</p><lb/> <p>Ich verneigte mich gegen ihn und sagte, daß ich ihm darin vollkommen beipflichtete. Nichts destoweniger könnt’ ich ihm nicht zu Diensten sein, ich hätte sehr empfindliche Membranen und mein Zäpfchen entzündete sich leicht.</p><lb/> <p>Er lachte wieder. „Ein Zäpfchen. Und nun gar ein entzündetes Zäpfchen. Aber woher das alles? Alles von dem unglücklichen Flanell und den Binden und Bandagen, die schon auf dem Fechtboden ein Unsinn sind und nun mit doppelter Watte mit ins Philisterium hinüber genommen werden. Immer Tücher und Kravatten, heute seidene, morgen wollene, ja, einen kannt’ ich, der be- </p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0104]
immer gut, gebrannt oder nicht. Ah, ein delikates Kirschwasser …“
In diesem Augenblick sah er, daß ich dankte. „Präsentieren Sie dem Doktor nur noch ’mal; er wird schon nehmen. Ein solcher Rachenputzer ist auch ein kategorischer Imperativ. Er hat ’was Männliches und sonderbar, ich bin abhängig von solchen Dingen. Ich kann Freundschaft halten mit Leuten, die sich einen Rettig oder einen Limburger aufs Brod legen, und zwei, drei Nordhäuser herunter kippen, aber ich könnte nicht Freundschaft halten mit einem Manne, der von Baiser-Torte lebt und Crême de Cacao nippt.“
Ich verneigte mich gegen ihn und sagte, daß ich ihm darin vollkommen beipflichtete. Nichts destoweniger könnt’ ich ihm nicht zu Diensten sein, ich hätte sehr empfindliche Membranen und mein Zäpfchen entzündete sich leicht.
Er lachte wieder. „Ein Zäpfchen. Und nun gar ein entzündetes Zäpfchen. Aber woher das alles? Alles von dem unglücklichen Flanell und den Binden und Bandagen, die schon auf dem Fechtboden ein Unsinn sind und nun mit doppelter Watte mit ins Philisterium hinüber genommen werden. Immer Tücher und Kravatten, heute seidene, morgen wollene, ja, einen kannt’ ich, der be-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/104 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/104>, abgerufen am 04.07.2024. |