Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Doppel-Luft. Und nun frag' ich Dich, ist eine Doppelkrone schlechter als eine einfache? Besser ist sie. Was gut ist, wird in der Steigerung besser." Ein paar Fensterflügel waren inzwischen aufgemacht worden, und Onkel Dodo, nachdem er ein paar Luftzüge gethan und tief aufgeatmet hatte, fuhr fort: "Ich halte Luft für das nötigste Bedürfnis, anregend und nervenstärkend und bei Tisch ersetzt es mir den Tischwein. Und nun noch eins, lieber Doktor, worüber wir uns notwendig verständigen müssen. Ich hasse nichts mehr, als Zudringlichkeit mit Ratschlägen, lasse grundsätzlich alles gehen und kümmere mich um nichts, aber dies Unbekümmertsein hat schließlich seine durch Moral und Christenpflicht gezogenen Grenzen und wenn ein Kind über einen Schießplatz laufen will, so halt' ich es zurück, und wenn einer auf dem Punkt ist, zu sticken, so bring' ich ihn aus der Stickluft ins Freie. Doktor, Doktor, ich bitte Sie! Drinnen in der Stadt laß ich es mir gefallen, laß ich mir alles gefallen; gut, gut, ich bin kein Tyrann. Aber Sie sind jetzt grad' eine Woche hier, hier am Fuße des Harzes, und fürchten sich vor Luft? Unerhört, unbegreiflich. Um was sind Sie denn hier? Um Bilder und Bücher willen? Oder um die Wache Doppel-Luft. Und nun frag’ ich Dich, ist eine Doppelkrone schlechter als eine einfache? Besser ist sie. Was gut ist, wird in der Steigerung besser.“ Ein paar Fensterflügel waren inzwischen aufgemacht worden, und Onkel Dodo, nachdem er ein paar Luftzüge gethan und tief aufgeatmet hatte, fuhr fort: „Ich halte Luft für das nötigste Bedürfnis, anregend und nervenstärkend und bei Tisch ersetzt es mir den Tischwein. Und nun noch eins, lieber Doktor, worüber wir uns notwendig verständigen müssen. Ich hasse nichts mehr, als Zudringlichkeit mit Ratschlägen, lasse grundsätzlich alles gehen und kümmere mich um nichts, aber dies Unbekümmertsein hat schließlich seine durch Moral und Christenpflicht gezogenen Grenzen und wenn ein Kind über einen Schießplatz laufen will, so halt’ ich es zurück, und wenn einer auf dem Punkt ist, zu sticken, so bring’ ich ihn aus der Stickluft ins Freie. Doktor, Doktor, ich bitte Sie! Drinnen in der Stadt laß ich es mir gefallen, laß ich mir alles gefallen; gut, gut, ich bin kein Tyrann. Aber Sie sind jetzt grad’ eine Woche hier, hier am Fuße des Harzes, und fürchten sich vor Luft? Unerhört, unbegreiflich. Um was sind Sie denn hier? Um Bilder und Bücher willen? Oder um die Wache <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="98"/> Doppel-Luft. Und nun frag’ ich Dich, ist eine Doppelkrone schlechter als eine einfache? Besser ist sie. Was gut ist, wird in der Steigerung besser.“</p><lb/> <p>Ein paar Fensterflügel waren inzwischen aufgemacht worden, und Onkel Dodo, nachdem er ein paar Luftzüge gethan und tief aufgeatmet hatte, fuhr fort: „Ich halte Luft für das nötigste Bedürfnis, anregend und nervenstärkend und bei Tisch ersetzt es mir den Tischwein. Und nun noch eins, lieber Doktor, worüber wir uns notwendig verständigen müssen. Ich hasse nichts mehr, als Zudringlichkeit mit Ratschlägen, lasse grundsätzlich alles gehen und kümmere mich um nichts, aber dies Unbekümmertsein hat schließlich seine durch Moral und Christenpflicht gezogenen Grenzen und wenn ein Kind über einen Schießplatz laufen will, so halt’ ich es zurück, und wenn einer auf dem Punkt ist, zu sticken, so bring’ ich ihn aus der Stickluft ins Freie. Doktor, Doktor, ich bitte Sie! Drinnen in der Stadt laß ich es mir gefallen, laß ich mir <hi rendition="#g">alles</hi> gefallen; gut, gut, ich bin kein Tyrann. Aber Sie sind jetzt grad’ eine Woche hier, hier am Fuße des Harzes, und fürchten sich vor Luft? Unerhört, unbegreiflich. Um was sind Sie denn hier? Um Bilder und Bücher willen? Oder um die Wache </p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0100]
Doppel-Luft. Und nun frag’ ich Dich, ist eine Doppelkrone schlechter als eine einfache? Besser ist sie. Was gut ist, wird in der Steigerung besser.“
Ein paar Fensterflügel waren inzwischen aufgemacht worden, und Onkel Dodo, nachdem er ein paar Luftzüge gethan und tief aufgeatmet hatte, fuhr fort: „Ich halte Luft für das nötigste Bedürfnis, anregend und nervenstärkend und bei Tisch ersetzt es mir den Tischwein. Und nun noch eins, lieber Doktor, worüber wir uns notwendig verständigen müssen. Ich hasse nichts mehr, als Zudringlichkeit mit Ratschlägen, lasse grundsätzlich alles gehen und kümmere mich um nichts, aber dies Unbekümmertsein hat schließlich seine durch Moral und Christenpflicht gezogenen Grenzen und wenn ein Kind über einen Schießplatz laufen will, so halt’ ich es zurück, und wenn einer auf dem Punkt ist, zu sticken, so bring’ ich ihn aus der Stickluft ins Freie. Doktor, Doktor, ich bitte Sie! Drinnen in der Stadt laß ich es mir gefallen, laß ich mir alles gefallen; gut, gut, ich bin kein Tyrann. Aber Sie sind jetzt grad’ eine Woche hier, hier am Fuße des Harzes, und fürchten sich vor Luft? Unerhört, unbegreiflich. Um was sind Sie denn hier? Um Bilder und Bücher willen? Oder um die Wache
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/100>, abgerufen am 04.07.2024. |