Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.wie nur je ein Wüstenfahrer. Immer neue Hotel-Schlösser tauchen verheißungsvoll am Horizonte vor ihm auf, aber der Moment der Erreichung ist auch jedesmal ein Moment der Enttäuschung für ihn. Er findet Kühle, nicht Kühlung. Ist das alles ein Unvermeidliches? Nein. Nichts davon, daß man es nicht anders gewollt, daß man ja das Recht gehabt habe ruhig zu Hause zu bleiben, und daß jeder, der sich leichtsinnig in Gefahr begäbe, nicht erstaunt sein dürfe, darin umzukommen. Dies alles ist nicht nur falsch, es ist auch hart und grausam, denn die Reise-Benötigung, die bestritten werden soll, ist wirklich da. So gewiß für den Durstverschmachteten ein Zwang da ist zu trinken, so gewiß ist auch für den staub- und arbeitsvertrockneten Residenzler ein Zwang da nach einem Trunke frischer Luft, und wer ihm diesen Trunk verbittert und verteuert, der thut viel Schlimmeres als die Brauwirte, die dem Volke das Bier verteuern. Und doch geschieht es. Ja die traurige Erscheinung tritt ein, daß mit dem Wachsen des Bedürfnisses auch die Unmöglichkeit wächst, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Der vorhandene Notstand, statt die Frage anzuregen: wie heben wir ihn? regt nur die Frage an: wie beuten wir ihn aus! Der Reisedrang, je allgemeiner er wie nur je ein Wüstenfahrer. Immer neue Hotel-Schlösser tauchen verheißungsvoll am Horizonte vor ihm auf, aber der Moment der Erreichung ist auch jedesmal ein Moment der Enttäuschung für ihn. Er findet Kühle, nicht Kühlung. Ist das alles ein Unvermeidliches? Nein. Nichts davon, daß man es nicht anders gewollt, daß man ja das Recht gehabt habe ruhig zu Hause zu bleiben, und daß jeder, der sich leichtsinnig in Gefahr begäbe, nicht erstaunt sein dürfe, darin umzukommen. Dies alles ist nicht nur falsch, es ist auch hart und grausam, denn die Reise-Benötigung, die bestritten werden soll, ist wirklich da. So gewiß für den Durstverschmachteten ein Zwang da ist zu trinken, so gewiß ist auch für den staub- und arbeitsvertrockneten Residenzler ein Zwang da nach einem Trunke frischer Luft, und wer ihm diesen Trunk verbittert und verteuert, der thut viel Schlimmeres als die Brauwirte, die dem Volke das Bier verteuern. Und doch geschieht es. Ja die traurige Erscheinung tritt ein, daß mit dem Wachsen des Bedürfnisses auch die Unmöglichkeit wächst, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Der vorhandene Notstand, statt die Frage anzuregen: wie heben wir ihn? regt nur die Frage an: wie beuten wir ihn aus! Der Reisedrang, je allgemeiner er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="8"/> wie nur je ein Wüstenfahrer. Immer neue Hotel-Schlösser tauchen verheißungsvoll am Horizonte vor ihm auf, aber der Moment der Erreichung ist auch jedesmal ein Moment der Enttäuschung für ihn. Er findet Kühle, nicht Kühlung.</p><lb/> <p>Ist das alles ein Unvermeidliches?</p><lb/> <p>Nein. Nichts davon, daß man es nicht anders gewollt, daß man ja das Recht gehabt habe ruhig zu Hause zu bleiben, und daß jeder, der sich leichtsinnig in Gefahr begäbe, nicht erstaunt sein dürfe, darin <choice><sic>umznkommen</sic><corr>umzukommen</corr></choice>. Dies alles ist nicht nur falsch, es ist auch hart und grausam, denn die Reise-Benötigung, die bestritten werden soll, ist wirklich da. So gewiß für den Durstverschmachteten ein Zwang da ist zu trinken, so gewiß ist auch für den staub- und arbeitsvertrockneten Residenzler ein Zwang da nach einem Trunke frischer Luft, und wer ihm diesen Trunk verbittert und verteuert, der thut viel Schlimmeres als die Brauwirte, die dem Volke das Bier verteuern. Und doch geschieht es. Ja die traurige Erscheinung tritt ein, daß mit dem Wachsen des Bedürfnisses auch die Unmöglichkeit wächst, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Der vorhandene Notstand, statt die Frage anzuregen: wie heben wir ihn? regt nur die Frage an: <hi rendition="#g">wie beuten wir ihn aus</hi>! Der Reisedrang, je allgemeiner er </p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0010]
wie nur je ein Wüstenfahrer. Immer neue Hotel-Schlösser tauchen verheißungsvoll am Horizonte vor ihm auf, aber der Moment der Erreichung ist auch jedesmal ein Moment der Enttäuschung für ihn. Er findet Kühle, nicht Kühlung.
Ist das alles ein Unvermeidliches?
Nein. Nichts davon, daß man es nicht anders gewollt, daß man ja das Recht gehabt habe ruhig zu Hause zu bleiben, und daß jeder, der sich leichtsinnig in Gefahr begäbe, nicht erstaunt sein dürfe, darin umzukommen. Dies alles ist nicht nur falsch, es ist auch hart und grausam, denn die Reise-Benötigung, die bestritten werden soll, ist wirklich da. So gewiß für den Durstverschmachteten ein Zwang da ist zu trinken, so gewiß ist auch für den staub- und arbeitsvertrockneten Residenzler ein Zwang da nach einem Trunke frischer Luft, und wer ihm diesen Trunk verbittert und verteuert, der thut viel Schlimmeres als die Brauwirte, die dem Volke das Bier verteuern. Und doch geschieht es. Ja die traurige Erscheinung tritt ein, daß mit dem Wachsen des Bedürfnisses auch die Unmöglichkeit wächst, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Der vorhandene Notstand, statt die Frage anzuregen: wie heben wir ihn? regt nur die Frage an: wie beuten wir ihn aus! Der Reisedrang, je allgemeiner er
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/10 |
Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/10>, abgerufen am 16.02.2025. |