Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.in Wilkens Keller in Hamburg säßen. Es sind das noch so Erinnerungen von Achtundvierzig her, wo ich ein blutjunger Leutnant war, so wie Leo jetzt, nur schmalere Gage." "Kann ich mir kaum denken, Onkel." "Nun, wir wollen das fallen lassen; so was wird leicht persönlich und im Persönlichen liegen immer die Keime zu Streitigkeiten. Aber Kunst, Kunst, darüber läßt sich reden; Kunst ist immer friedlich. Sagt, Kinder, was war das eigentlich mit dem berliner Jargon in dem Stück? Schon gleich als die Straußberger kamen und der Thorwart nach ihnen auslugte, ging es damit los. Und das alles so um 1411 herum." "Jch denke mir," sagte Therese, "der Dichter, ein Mann von Familie, wird doch wohl seine Studien dazu gemacht haben. Vielleicht, daß er Wendungen und Ausdrücke, die dich verwundern, in alten Magistratsakten gefunden hat." "Ach, Kind, das Berlinische, das da gesprochen wird, das ist noch keine hundert Jahre alt und manches noch keine zwanzig. Aber es mag wohl schwer sein. Am besten hat mir die polnische Gräfin gefallen, ich glaube Barbara mit Namen, eine schöne Person, das muß wahr sein. Auf dem Zettel stand: ,Natürliche Tochter König Jagellos von Polen.' Will ich gern in Wilkens Keller in Hamburg säßen. Es sind das noch so Erinnerungen von Achtundvierzig her, wo ich ein blutjunger Leutnant war, so wie Leo jetzt, nur schmalere Gage.“ „Kann ich mir kaum denken, Onkel.“ „Nun, wir wollen das fallen lassen; so was wird leicht persönlich und im Persönlichen liegen immer die Keime zu Streitigkeiten. Aber Kunst, Kunst, darüber läßt sich reden; Kunst ist immer friedlich. Sagt, Kinder, was war das eigentlich mit dem berliner Jargon in dem Stück? Schon gleich als die Straußberger kamen und der Thorwart nach ihnen auslugte, ging es damit los. Und das alles so um 1411 herum.“ „Jch denke mir,“ sagte Therese, „der Dichter, ein Mann von Familie, wird doch wohl seine Studien dazu gemacht haben. Vielleicht, daß er Wendungen und Ausdrücke, die dich verwundern, in alten Magistratsakten gefunden hat.“ „Ach, Kind, das Berlinische, das da gesprochen wird, das ist noch keine hundert Jahre alt und manches noch keine zwanzig. Aber es mag wohl schwer sein. Am besten hat mir die polnische Gräfin gefallen, ich glaube Barbara mit Namen, eine schöne Person, das muß wahr sein. Auf dem Zettel stand: ‚Natürliche Tochter König Jagellos von Polen.‘ Will ich gern <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0074" n="67"/> in Wilkens Keller in Hamburg säßen. Es sind das noch so Erinnerungen von Achtundvierzig her, wo ich ein blutjunger Leutnant war, so wie Leo jetzt, nur schmalere Gage.“</p><lb/> <p>„Kann ich mir kaum denken, Onkel.“</p><lb/> <p>„Nun, wir wollen das fallen lassen; so was wird leicht persönlich und im Persönlichen liegen immer die Keime zu Streitigkeiten. Aber Kunst, Kunst, darüber läßt sich reden; Kunst ist immer friedlich. Sagt, Kinder, was war das eigentlich mit dem berliner Jargon in dem Stück? Schon gleich als die Straußberger kamen und der Thorwart nach ihnen auslugte, ging es damit los. Und das alles so um 1411 herum.“</p><lb/> <p>„Jch denke mir,“ sagte Therese, „der Dichter, ein Mann von Familie, wird doch wohl seine Studien dazu gemacht haben. Vielleicht, daß er Wendungen und Ausdrücke, die dich verwundern, in alten Magistratsakten gefunden hat.“</p><lb/> <p>„Ach, Kind, das Berlinische, das da gesprochen wird, das ist noch keine hundert Jahre alt und manches noch keine zwanzig. Aber es mag wohl schwer sein. Am besten hat mir die polnische Gräfin gefallen, ich glaube Barbara mit Namen, eine schöne Person, das muß wahr sein. Auf dem Zettel stand: ‚Natürliche Tochter König Jagellos von Polen.‘ Will ich gern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [67/0074]
in Wilkens Keller in Hamburg säßen. Es sind das noch so Erinnerungen von Achtundvierzig her, wo ich ein blutjunger Leutnant war, so wie Leo jetzt, nur schmalere Gage.“
„Kann ich mir kaum denken, Onkel.“
„Nun, wir wollen das fallen lassen; so was wird leicht persönlich und im Persönlichen liegen immer die Keime zu Streitigkeiten. Aber Kunst, Kunst, darüber läßt sich reden; Kunst ist immer friedlich. Sagt, Kinder, was war das eigentlich mit dem berliner Jargon in dem Stück? Schon gleich als die Straußberger kamen und der Thorwart nach ihnen auslugte, ging es damit los. Und das alles so um 1411 herum.“
„Jch denke mir,“ sagte Therese, „der Dichter, ein Mann von Familie, wird doch wohl seine Studien dazu gemacht haben. Vielleicht, daß er Wendungen und Ausdrücke, die dich verwundern, in alten Magistratsakten gefunden hat.“
„Ach, Kind, das Berlinische, das da gesprochen wird, das ist noch keine hundert Jahre alt und manches noch keine zwanzig. Aber es mag wohl schwer sein. Am besten hat mir die polnische Gräfin gefallen, ich glaube Barbara mit Namen, eine schöne Person, das muß wahr sein. Auf dem Zettel stand: ‚Natürliche Tochter König Jagellos von Polen.‘ Will ich gern
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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