Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.

Bild:
<< vorherige Seite

was hier hing. Unmittelbar über ihr präsentierte sich noch ein Oelbild von einigem Umfang, eine Kunstschöpfung dritten oder vierten Ranges, die den historisch bedeutendsten Moment aus dem Leben der Familie darstellte. Das meiste, was man darauf sehen konnte, war freilich nur Pulverqualm, aber inmitten desselben erkannte man doch ziemlich deutlich noch eine Kirche samt Kirchhof, auf welch letzterem ein verzweifelter Nachtkampf zu toben schien.

Es war der Ueberfall von Hochkirch, die Oesterreicher bestens "ajustiert", die armen Preußen in einem pitoyablen Bekleidungszustande. Ganz in Front aber stand ein älterer Offizier in Unterkleid und Weste, von Stiefeln keine Rede, dafür ein Gewehr in der Hand. Dieser Alte war Major Balthasar von Poggenpuhl, der den Kirchhof eine halbe Stunde hielt, bis er mit unter den Toten lag. Eben dieses Bild, wohl in Würdigung seines Familienaffektionswertes, war denn auch in einen breiten und stattlichen Barockrahmen gefaßt, während die bloß unter Glas gebrachten Lichtbilder nichts als eine Goldborte zeigten.

Alle Mitglieder der Familie, selbst der in Kunstsachen etwas skeptische Leo mit einbegriffen, übertrugen ihre Pietät gegen den "Hochkircher" - wie der Hochkirch-Major zur Unterscheidung von vielen

was hier hing. Unmittelbar über ihr präsentierte sich noch ein Oelbild von einigem Umfang, eine Kunstschöpfung dritten oder vierten Ranges, die den historisch bedeutendsten Moment aus dem Leben der Familie darstellte. Das meiste, was man darauf sehen konnte, war freilich nur Pulverqualm, aber inmitten desselben erkannte man doch ziemlich deutlich noch eine Kirche samt Kirchhof, auf welch letzterem ein verzweifelter Nachtkampf zu toben schien.

Es war der Ueberfall von Hochkirch, die Oesterreicher bestens „ajustiert“, die armen Preußen in einem pitoyablen Bekleidungszustande. Ganz in Front aber stand ein älterer Offizier in Unterkleid und Weste, von Stiefeln keine Rede, dafür ein Gewehr in der Hand. Dieser Alte war Major Balthasar von Poggenpuhl, der den Kirchhof eine halbe Stunde hielt, bis er mit unter den Toten lag. Eben dieses Bild, wohl in Würdigung seines Familienaffektionswertes, war denn auch in einen breiten und stattlichen Barockrahmen gefaßt, während die bloß unter Glas gebrachten Lichtbilder nichts als eine Goldborte zeigten.

Alle Mitglieder der Familie, selbst der in Kunstsachen etwas skeptische Leo mit einbegriffen, übertrugen ihre Pietät gegen den „Hochkircher“ – wie der Hochkirch-Major zur Unterscheidung von vielen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0022" n="15"/>
was hier hing. Unmittelbar über ihr präsentierte sich                      noch ein Oelbild von einigem Umfang, eine Kunstschöpfung dritten oder vierten                      Ranges, die den historisch bedeutendsten Moment aus dem Leben der Familie                      darstellte. Das meiste, was man darauf sehen konnte, war freilich nur                      Pulverqualm, aber inmitten desselben erkannte man doch ziemlich deutlich noch                      eine Kirche samt Kirchhof, auf welch letzterem ein verzweifelter Nachtkampf zu                      toben schien.</p><lb/>
        <p>Es war der Ueberfall von Hochkirch, die Oesterreicher bestens &#x201E;ajustiert&#x201C;, die                      armen Preußen in einem pitoyablen Bekleidungszustande. Ganz in Front aber stand                      ein älterer Offizier in Unterkleid und Weste, von Stiefeln keine Rede, dafür ein                      Gewehr in der Hand. Dieser Alte war Major Balthasar von Poggenpuhl, der den                      Kirchhof eine halbe Stunde hielt, bis er mit unter den Toten lag. Eben dieses                      Bild, wohl in Würdigung seines Familienaffektionswertes, war denn auch in einen                      breiten und stattlichen Barockrahmen gefaßt, während die bloß unter Glas                      gebrachten Lichtbilder nichts als eine Goldborte zeigten.</p><lb/>
        <p>Alle Mitglieder der Familie, selbst der in Kunstsachen etwas skeptische Leo mit                      einbegriffen, übertrugen ihre Pietät gegen den &#x201E;Hochkircher&#x201C; &#x2013; wie der                      Hochkirch-Major zur Unterscheidung von vielen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0022] was hier hing. Unmittelbar über ihr präsentierte sich noch ein Oelbild von einigem Umfang, eine Kunstschöpfung dritten oder vierten Ranges, die den historisch bedeutendsten Moment aus dem Leben der Familie darstellte. Das meiste, was man darauf sehen konnte, war freilich nur Pulverqualm, aber inmitten desselben erkannte man doch ziemlich deutlich noch eine Kirche samt Kirchhof, auf welch letzterem ein verzweifelter Nachtkampf zu toben schien. Es war der Ueberfall von Hochkirch, die Oesterreicher bestens „ajustiert“, die armen Preußen in einem pitoyablen Bekleidungszustande. Ganz in Front aber stand ein älterer Offizier in Unterkleid und Weste, von Stiefeln keine Rede, dafür ein Gewehr in der Hand. Dieser Alte war Major Balthasar von Poggenpuhl, der den Kirchhof eine halbe Stunde hielt, bis er mit unter den Toten lag. Eben dieses Bild, wohl in Würdigung seines Familienaffektionswertes, war denn auch in einen breiten und stattlichen Barockrahmen gefaßt, während die bloß unter Glas gebrachten Lichtbilder nichts als eine Goldborte zeigten. Alle Mitglieder der Familie, selbst der in Kunstsachen etwas skeptische Leo mit einbegriffen, übertrugen ihre Pietät gegen den „Hochkircher“ – wie der Hochkirch-Major zur Unterscheidung von vielen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T11:03:16Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T11:03:16Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/22
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/22>, abgerufen am 27.11.2024.