Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.diese doch die einzige der Familie, die noch unentwegt den langen Trauerschleier trug, was ihr, samt ihrer funebren Haltung, auch schon unterwegs allerlei Huldigungen eingetragen hatte. Man hatte sie für eine junge Offizierswitwe gehalten, deren Mann in einem schlesischen Bade gestorben sei. Hart neben dem Bürgersteige hielt noch immer die Droschke, mit deren Kutscher, einem ziemlich verschmitzt dreinschauenden Manne, Manon und Sophie wegen Heraufschaffung des Koffers parlamentierten; "er könne nicht von dem Pferde weg, er käme sonst in Strafe," so hieß es seinerseits immer wieder. Jn diesem Verlegenheitsmoment aber trat der sonst so zugeknöpfte Nebelung an die beiden jungen Damen heran und erklärte sich unter gefälliger Lüftung seines Fes bereit, den großen Koffer in die Wohnung hinaufzutragen. "Ach, Herr Nebelung ..." sagte Sophie. Dieser aber hatte schon Hand angelegt, wuchtete den Koffer ziemlich geschickt auf seine Schulter und ließ sich auch nicht irre machen, als ihm der in seiner Diplomatie verunglückte Droschkenkutscher spöttisch nachrief: "Na, schaden Sie sich man nich." Es hatte damit aber gute Wege, denn der Koffer, so groß er war, war nicht schwer, und Nebelung schien kaum außer Atem, als er oben ankam. Friederike diese doch die einzige der Familie, die noch unentwegt den langen Trauerschleier trug, was ihr, samt ihrer funebren Haltung, auch schon unterwegs allerlei Huldigungen eingetragen hatte. Man hatte sie für eine junge Offizierswitwe gehalten, deren Mann in einem schlesischen Bade gestorben sei. Hart neben dem Bürgersteige hielt noch immer die Droschke, mit deren Kutscher, einem ziemlich verschmitzt dreinschauenden Manne, Manon und Sophie wegen Heraufschaffung des Koffers parlamentierten; „er könne nicht von dem Pferde weg, er käme sonst in Strafe,“ so hieß es seinerseits immer wieder. Jn diesem Verlegenheitsmoment aber trat der sonst so zugeknöpfte Nebelung an die beiden jungen Damen heran und erklärte sich unter gefälliger Lüftung seines Fes bereit, den großen Koffer in die Wohnung hinaufzutragen. „Ach, Herr Nebelung …“ sagte Sophie. Dieser aber hatte schon Hand angelegt, wuchtete den Koffer ziemlich geschickt auf seine Schulter und ließ sich auch nicht irre machen, als ihm der in seiner Diplomatie verunglückte Droschkenkutscher spöttisch nachrief: „Na, schaden Sie sich man nich.“ Es hatte damit aber gute Wege, denn der Koffer, so groß er war, war nicht schwer, und Nebelung schien kaum außer Atem, als er oben ankam. Friederike <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0176" n="169"/> diese doch die einzige der Familie, die noch unentwegt den langen Trauerschleier trug, was ihr, samt ihrer funebren Haltung, auch schon unterwegs allerlei Huldigungen eingetragen hatte. Man hatte sie für eine junge Offizierswitwe gehalten, deren Mann in einem schlesischen Bade gestorben sei.</p><lb/> <p>Hart neben dem Bürgersteige hielt noch immer die Droschke, mit deren Kutscher, einem ziemlich verschmitzt dreinschauenden Manne, Manon und Sophie wegen Heraufschaffung des Koffers parlamentierten; „er könne nicht von dem Pferde weg, er käme sonst in Strafe,“ so hieß es seinerseits immer wieder. Jn diesem Verlegenheitsmoment aber trat der sonst so zugeknöpfte Nebelung an die beiden jungen Damen heran und erklärte sich unter gefälliger Lüftung seines Fes bereit, den großen Koffer in die Wohnung hinaufzutragen. „Ach, Herr Nebelung …“ sagte Sophie. Dieser aber hatte schon Hand angelegt, wuchtete den Koffer ziemlich geschickt auf seine Schulter und ließ sich auch nicht irre machen, als ihm der in seiner Diplomatie verunglückte Droschkenkutscher spöttisch nachrief: „Na, schaden Sie sich man nich.“</p><lb/> <p>Es hatte damit aber gute Wege, denn der Koffer, so groß er war, war nicht schwer, und Nebelung schien kaum außer Atem, als er oben ankam. Friederike<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [169/0176]
diese doch die einzige der Familie, die noch unentwegt den langen Trauerschleier trug, was ihr, samt ihrer funebren Haltung, auch schon unterwegs allerlei Huldigungen eingetragen hatte. Man hatte sie für eine junge Offizierswitwe gehalten, deren Mann in einem schlesischen Bade gestorben sei.
Hart neben dem Bürgersteige hielt noch immer die Droschke, mit deren Kutscher, einem ziemlich verschmitzt dreinschauenden Manne, Manon und Sophie wegen Heraufschaffung des Koffers parlamentierten; „er könne nicht von dem Pferde weg, er käme sonst in Strafe,“ so hieß es seinerseits immer wieder. Jn diesem Verlegenheitsmoment aber trat der sonst so zugeknöpfte Nebelung an die beiden jungen Damen heran und erklärte sich unter gefälliger Lüftung seines Fes bereit, den großen Koffer in die Wohnung hinaufzutragen. „Ach, Herr Nebelung …“ sagte Sophie. Dieser aber hatte schon Hand angelegt, wuchtete den Koffer ziemlich geschickt auf seine Schulter und ließ sich auch nicht irre machen, als ihm der in seiner Diplomatie verunglückte Droschkenkutscher spöttisch nachrief: „Na, schaden Sie sich man nich.“
Es hatte damit aber gute Wege, denn der Koffer, so groß er war, war nicht schwer, und Nebelung schien kaum außer Atem, als er oben ankam. Friederike
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_poggenpuhls_1897/176>, abgerufen am 27.07.2024. |