Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.war. Und Esther! Es ist merkwürdig, daß manchem Namen etwas wie eine mystische Macht innewohnt, eine Art geistiges Fluidum, das in rätselhafter Weise weiter wirkt. Raffe Dich auf, sei stärker als Ahasverus war (ich meine den Perserkönig), der auch der Macht der Esther erlag. Eben habe ich Deine Zeilen noch einmal überflogen und wieder den Eindruck davon gehabt, als hättest Du Dich bereits engagiert. Jst dem so, so weiß ich sehr wohl, daß die Welt darüber nicht zu Grunde gehen wird, aber mit Deiner Carriere ist es dann vorbei. Denn in der Provinz, und speziell in Deiner Provinz, ist das religiöse Gefühl - oder, wie sie bei Bartensteins immer sagen, das "Konfessionelle" (sie wählen gern solche sonderbar verschränkten Ausdrücke) - von viel eigensinnigerem Charakter, und der Uebertritt wird von den Eltern einfach verweigert werden. Jn diesem Falle bliebe Dir also nur Standesamt, ein, so aufgeklärt ich bin, mir geradezu schrecklicher Gedanke. Solch ein Schritt würde Dich nicht nur von der Armee, sondern, was mehr sagen will, auch von der "Gesellschaft" ausschließen und Du würdest von da ab in der Welt umherirren müssen, fremd, abgewiesen, ruhelos. Und da hätten wir dann den andern Ahasverus. Thu uns das nicht an. Therese würd' es nicht überleben. Deine Manon. war. Und Esther! Es ist merkwürdig, daß manchem Namen etwas wie eine mystische Macht innewohnt, eine Art geistiges Fluidum, das in rätselhafter Weise weiter wirkt. Raffe Dich auf, sei stärker als Ahasverus war (ich meine den Perserkönig), der auch der Macht der Esther erlag. Eben habe ich Deine Zeilen noch einmal überflogen und wieder den Eindruck davon gehabt, als hättest Du Dich bereits engagiert. Jst dem so, so weiß ich sehr wohl, daß die Welt darüber nicht zu Grunde gehen wird, aber mit Deiner Carriere ist es dann vorbei. Denn in der Provinz, und speziell in Deiner Provinz, ist das religiöse Gefühl – oder, wie sie bei Bartensteins immer sagen, das „Konfessionelle“ (sie wählen gern solche sonderbar verschränkten Ausdrücke) – von viel eigensinnigerem Charakter, und der Uebertritt wird von den Eltern einfach verweigert werden. Jn diesem Falle bliebe Dir also nur Standesamt, ein, so aufgeklärt ich bin, mir geradezu schrecklicher Gedanke. Solch ein Schritt würde Dich nicht nur von der Armee, sondern, was mehr sagen will, auch von der „Gesellschaft“ ausschließen und Du würdest von da ab in der Welt umherirren müssen, fremd, abgewiesen, ruhelos. Und da hätten wir dann den andern Ahasverus. Thu uns das nicht an. Therese würd’ es nicht überleben. Deine Manon. <TEI> <text> <body> <div> <floatingText> <body> <div type="letter"> <p><pb facs="#f0130" n="123"/> war. Und Esther! Es ist merkwürdig, daß manchem Namen etwas wie eine mystische Macht innewohnt, eine Art geistiges Fluidum, das in rätselhafter Weise weiter wirkt. Raffe Dich auf, sei stärker als Ahasverus war (ich meine den Perserkönig), der auch der Macht der Esther erlag. Eben habe ich Deine Zeilen noch einmal überflogen und wieder den Eindruck davon gehabt, als hättest Du Dich bereits engagiert. Jst dem so, so weiß ich sehr wohl, daß die Welt darüber nicht zu Grunde gehen wird, aber mit Deiner Carriere ist es dann vorbei. Denn in der Provinz, und speziell in <hi rendition="#g">Deiner</hi> Provinz, ist das religiöse Gefühl – oder, wie sie bei Bartensteins immer sagen, das „Konfessionelle“ (sie wählen gern solche sonderbar verschränkten Ausdrücke) – von viel eigensinnigerem Charakter, und der Uebertritt wird von den Eltern einfach verweigert werden. Jn diesem Falle bliebe Dir also nur Standesamt, ein, so aufgeklärt ich bin, mir geradezu schrecklicher Gedanke. Solch ein Schritt würde Dich nicht nur von der Armee, sondern, was mehr sagen will, auch von der „Gesellschaft“ ausschließen und Du würdest von da ab in der Welt umherirren müssen, fremd, abgewiesen, ruhelos. Und da hätten wir dann den <hi rendition="#g">andern</hi> Ahasverus. Thu uns das nicht an. Therese würd’ es nicht überleben.</p><lb/> <closer> <signed>Deine Manon.</signed> </closer><lb/> </div> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [123/0130]
war. Und Esther! Es ist merkwürdig, daß manchem Namen etwas wie eine mystische Macht innewohnt, eine Art geistiges Fluidum, das in rätselhafter Weise weiter wirkt. Raffe Dich auf, sei stärker als Ahasverus war (ich meine den Perserkönig), der auch der Macht der Esther erlag. Eben habe ich Deine Zeilen noch einmal überflogen und wieder den Eindruck davon gehabt, als hättest Du Dich bereits engagiert. Jst dem so, so weiß ich sehr wohl, daß die Welt darüber nicht zu Grunde gehen wird, aber mit Deiner Carriere ist es dann vorbei. Denn in der Provinz, und speziell in Deiner Provinz, ist das religiöse Gefühl – oder, wie sie bei Bartensteins immer sagen, das „Konfessionelle“ (sie wählen gern solche sonderbar verschränkten Ausdrücke) – von viel eigensinnigerem Charakter, und der Uebertritt wird von den Eltern einfach verweigert werden. Jn diesem Falle bliebe Dir also nur Standesamt, ein, so aufgeklärt ich bin, mir geradezu schrecklicher Gedanke. Solch ein Schritt würde Dich nicht nur von der Armee, sondern, was mehr sagen will, auch von der „Gesellschaft“ ausschließen und Du würdest von da ab in der Welt umherirren müssen, fremd, abgewiesen, ruhelos. Und da hätten wir dann den andern Ahasverus. Thu uns das nicht an. Therese würd’ es nicht überleben.
Deine Manon.
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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