Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

muß es Meißner Zwiebelmuster oder dem Aehnliches sein, damals aber bildeten die Tassen eine kleine Galerie von Miniaturbildern, auf denen in der Regel ein ans Knie der Venus sich anschmiegender Amor den Pfeil schärfte, meist aber schon den Bogen spannte, sicher das in Front eines Gebüsches stehende leichtbekleidete Paar mit seinem Liebespfeil zu treffen. Und dann wurde ich aufgefordert, die Kuchenkörbe herumzureichen, oft eine Tantalusqual für mich, wenn der lebhafte Gang der von den Damen geführten Unterhaltung über den alten Satz "daß der Arbeiter seines Lohnes würdig sei" hinweg sehen ließ.

All das ist mir im Plaudern wieder lebendig geworden und in der Rückerinnerung daran, habe ich zu meinem Leidwesen außer Acht gelassen, daß ich in erster Reihe nicht von den Kaffeegesellschaften meiner Mama, sondern von der Salon-Einrichtung erzählen wollte, die mein Vater damals, in liebenswürdigem Eifer in's Werk zu setzen sich abmühte. Zurück also zu dieser meiner Schilderung. An der Längswand, den drei Fenstern gegenüber, stand ein Sopha mit dicht gestellten Stühlen, so dicht, wie sie nur in einem Tanzsaale zu stehen pflegen; das Sopha selbst aber - in einem abgeplatteten Barockstil gehalten, wenn überhaupt noch von Stil die Rede sein konnte

muß es Meißner Zwiebelmuster oder dem Aehnliches sein, damals aber bildeten die Tassen eine kleine Galerie von Miniaturbildern, auf denen in der Regel ein ans Knie der Venus sich anschmiegender Amor den Pfeil schärfte, meist aber schon den Bogen spannte, sicher das in Front eines Gebüsches stehende leichtbekleidete Paar mit seinem Liebespfeil zu treffen. Und dann wurde ich aufgefordert, die Kuchenkörbe herumzureichen, oft eine Tantalusqual für mich, wenn der lebhafte Gang der von den Damen geführten Unterhaltung über den alten Satz „daß der Arbeiter seines Lohnes würdig sei“ hinweg sehen ließ.

All das ist mir im Plaudern wieder lebendig geworden und in der Rückerinnerung daran, habe ich zu meinem Leidwesen außer Acht gelassen, daß ich in erster Reihe nicht von den Kaffeegesellschaften meiner Mama, sondern von der Salon-Einrichtung erzählen wollte, die mein Vater damals, in liebenswürdigem Eifer in’s Werk zu setzen sich abmühte. Zurück also zu dieser meiner Schilderung. An der Längswand, den drei Fenstern gegenüber, stand ein Sopha mit dicht gestellten Stühlen, so dicht, wie sie nur in einem Tanzsaale zu stehen pflegen; das Sopha selbst aber – in einem abgeplatteten Barockstil gehalten, wenn überhaupt noch von Stil die Rede sein konnte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0075" n="67"/>
muß es Meißner Zwiebelmuster oder dem Aehnliches sein, damals aber bildeten die Tassen eine kleine Galerie von Miniaturbildern, auf denen in der Regel ein ans Knie der Venus sich anschmiegender Amor den Pfeil schärfte, meist aber schon den Bogen spannte, sicher das in Front eines Gebüsches stehende leichtbekleidete Paar mit seinem Liebespfeil zu treffen. Und dann wurde ich aufgefordert, die Kuchenkörbe herumzureichen, oft eine Tantalusqual für mich, wenn der lebhafte Gang der von den Damen geführten Unterhaltung über den alten Satz &#x201E;daß der Arbeiter seines Lohnes würdig sei&#x201C; hinweg sehen ließ.</p>
        <p>All das ist mir im Plaudern wieder lebendig geworden und in der Rückerinnerung daran, habe ich zu meinem Leidwesen außer Acht gelassen, daß ich in erster Reihe nicht von den Kaffeegesellschaften meiner Mama, sondern von der Salon-Einrichtung erzählen wollte, die mein Vater damals, in liebenswürdigem Eifer in&#x2019;s Werk zu setzen sich abmühte. Zurück also zu dieser meiner Schilderung. An der Längswand, den drei Fenstern gegenüber, stand ein Sopha mit dicht gestellten Stühlen, so dicht, wie sie nur in einem Tanzsaale zu stehen pflegen; das Sopha selbst aber &#x2013; in einem abgeplatteten Barockstil gehalten, wenn überhaupt noch von Stil die Rede sein konnte
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0075] muß es Meißner Zwiebelmuster oder dem Aehnliches sein, damals aber bildeten die Tassen eine kleine Galerie von Miniaturbildern, auf denen in der Regel ein ans Knie der Venus sich anschmiegender Amor den Pfeil schärfte, meist aber schon den Bogen spannte, sicher das in Front eines Gebüsches stehende leichtbekleidete Paar mit seinem Liebespfeil zu treffen. Und dann wurde ich aufgefordert, die Kuchenkörbe herumzureichen, oft eine Tantalusqual für mich, wenn der lebhafte Gang der von den Damen geführten Unterhaltung über den alten Satz „daß der Arbeiter seines Lohnes würdig sei“ hinweg sehen ließ. All das ist mir im Plaudern wieder lebendig geworden und in der Rückerinnerung daran, habe ich zu meinem Leidwesen außer Acht gelassen, daß ich in erster Reihe nicht von den Kaffeegesellschaften meiner Mama, sondern von der Salon-Einrichtung erzählen wollte, die mein Vater damals, in liebenswürdigem Eifer in’s Werk zu setzen sich abmühte. Zurück also zu dieser meiner Schilderung. An der Längswand, den drei Fenstern gegenüber, stand ein Sopha mit dicht gestellten Stühlen, so dicht, wie sie nur in einem Tanzsaale zu stehen pflegen; das Sopha selbst aber – in einem abgeplatteten Barockstil gehalten, wenn überhaupt noch von Stil die Rede sein konnte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/75
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/75>, abgerufen am 25.11.2024.