Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

"Mir ist es lieb, daß Du so jung warst."

"Ja, alles hat seine zwei Seiten und es hat wohl auch seine Vortheile gehabt, daß ich nicht morsch und mürbe war. Aber das mit der Unerfahrenheit bleibt doch ein schlimmes Ding und das Allerschlimmste war, daß ich nichts zu thun hatte. Da konnt' ichs denn kaum abwarten, bis Abends der verdammte Tisch aufgeklappt wurde."

"Sonderbar, ich habe so vieles von Dir geerbt, aber davon keine Spur. Spiel war mir immer langweilig."

Er lachte wehmütig. "Ach mein lieber Junge, da täuschst Du Dich sehr, wenn Du meinst, daß wir darin von einander abweichen. Es hat mir auch nie Vergnügen gemacht, auch nicht ein bischen. Und ich spielte noch dazu herzlich schlecht. Aber wenn ich mich dann den ganzen Tag über gelangweilt hatte, wollt' ich am Abend wenigstens einen Wechsel verspüren und dabei bin ich mein Geld los geworden und sitze nun hier einsam und Deine Mutter erschrickt vor dem Gedanken, ich könnte mich wieder bei ihr einfinden. Es sind nun beinah 50 Jahre, daß wir uns verlobten und sie schrieb mir damals zärtliche Briefe, denn sie liebte mich. Und das ist nun der Ausgang. Zuneigung allein ist nicht genug zum Heirathen; heirathen ist eine Sache für

„Mir ist es lieb, daß Du so jung warst.“

„Ja, alles hat seine zwei Seiten und es hat wohl auch seine Vortheile gehabt, daß ich nicht morsch und mürbe war. Aber das mit der Unerfahrenheit bleibt doch ein schlimmes Ding und das Allerschlimmste war, daß ich nichts zu thun hatte. Da konnt’ ichs denn kaum abwarten, bis Abends der verdammte Tisch aufgeklappt wurde.“

„Sonderbar, ich habe so vieles von Dir geerbt, aber davon keine Spur. Spiel war mir immer langweilig.“

Er lachte wehmütig. „Ach mein lieber Junge, da täuschst Du Dich sehr, wenn Du meinst, daß wir darin von einander abweichen. Es hat mir auch nie Vergnügen gemacht, auch nicht ein bischen. Und ich spielte noch dazu herzlich schlecht. Aber wenn ich mich dann den ganzen Tag über gelangweilt hatte, wollt’ ich am Abend wenigstens einen Wechsel verspüren und dabei bin ich mein Geld los geworden und sitze nun hier einsam und Deine Mutter erschrickt vor dem Gedanken, ich könnte mich wieder bei ihr einfinden. Es sind nun beinah 50 Jahre, daß wir uns verlobten und sie schrieb mir damals zärtliche Briefe, denn sie liebte mich. Und das ist nun der Ausgang. Zuneigung allein ist nicht genug zum Heirathen; heirathen ist eine Sache für

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0297" n="289"/>
        <p>&#x201E;Mir ist es lieb, daß Du so jung warst.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, alles hat seine zwei Seiten und es hat wohl auch seine Vortheile gehabt, daß ich nicht morsch und mürbe war. Aber das mit der Unerfahrenheit bleibt doch ein schlimmes Ding und das Allerschlimmste war, daß ich nichts zu thun hatte. Da konnt&#x2019; ichs denn kaum abwarten, bis Abends der verdammte Tisch aufgeklappt wurde.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Sonderbar, ich habe so vieles von Dir geerbt, aber davon keine Spur. Spiel war mir immer langweilig.&#x201C;</p>
        <p>Er lachte wehmütig. &#x201E;Ach mein lieber Junge, da täuschst Du Dich sehr, wenn Du meinst, daß wir darin von einander abweichen. Es hat mir auch nie Vergnügen gemacht, auch nicht ein bischen. Und ich spielte noch dazu herzlich schlecht. Aber wenn ich mich dann den ganzen Tag über gelangweilt hatte, wollt&#x2019; ich am Abend wenigstens einen Wechsel verspüren und dabei bin ich mein Geld los geworden und sitze nun hier einsam und Deine Mutter erschrickt vor dem Gedanken, ich könnte mich wieder bei ihr einfinden. Es sind nun beinah 50 Jahre, daß wir uns verlobten und sie schrieb mir damals zärtliche Briefe, denn sie liebte mich. Und das ist nun der Ausgang. Zuneigung allein ist nicht genug zum Heirathen; heirathen ist eine Sache für
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0297] „Mir ist es lieb, daß Du so jung warst.“ „Ja, alles hat seine zwei Seiten und es hat wohl auch seine Vortheile gehabt, daß ich nicht morsch und mürbe war. Aber das mit der Unerfahrenheit bleibt doch ein schlimmes Ding und das Allerschlimmste war, daß ich nichts zu thun hatte. Da konnt’ ichs denn kaum abwarten, bis Abends der verdammte Tisch aufgeklappt wurde.“ „Sonderbar, ich habe so vieles von Dir geerbt, aber davon keine Spur. Spiel war mir immer langweilig.“ Er lachte wehmütig. „Ach mein lieber Junge, da täuschst Du Dich sehr, wenn Du meinst, daß wir darin von einander abweichen. Es hat mir auch nie Vergnügen gemacht, auch nicht ein bischen. Und ich spielte noch dazu herzlich schlecht. Aber wenn ich mich dann den ganzen Tag über gelangweilt hatte, wollt’ ich am Abend wenigstens einen Wechsel verspüren und dabei bin ich mein Geld los geworden und sitze nun hier einsam und Deine Mutter erschrickt vor dem Gedanken, ich könnte mich wieder bei ihr einfinden. Es sind nun beinah 50 Jahre, daß wir uns verlobten und sie schrieb mir damals zärtliche Briefe, denn sie liebte mich. Und das ist nun der Ausgang. Zuneigung allein ist nicht genug zum Heirathen; heirathen ist eine Sache für

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/297
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/297>, abgerufen am 25.11.2024.