Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

daß es mit dem alten Geisler doch auch etwas auf sich haben müsse. Trotzdem konnt' ich nicht davon lassen, mich immer wieder an die Stelle zwischen Ofen und Schrank zu setzen, von der es hieß, da sei er gestorben.



Die Geschichte mit Mohr blieb für mich das große Stadtereigniß und nur Einzelnes, bei dem die Elemente eine Rolle spielten, prägte sich mir mit ähnlicher Lebendigkeit ein. Ein paar Vorkommnisse der Art will ich erzählen.

Es war ein sehr heißer Sommer, ich glaube 29 oder 30, und so weit sich's ermöglichte, waren wir im Freien oder machten auch wohl Partieen. Unter diesen war auch eine nach der Oberförsterei Pudagla, der, wie schon erwähnt, zu jener Zeit der Oberförster Schröder, ein Bruder unserer Mamsell Schröder, vorstand, ein vorzüglicher Herr, gütig, gewissenhaft, gastlich. Und eines Sonntags fuhren wir da hinaus: meine Mutter und ich und noch zwei jüngere Geschwister. Die Schröder blieb zu Haus, ich weiß nicht weßhalb, ebenso mein Vater, der nicht dabei sein konnte, weil er "Wache" hatte. "Wache haben" war ein terminus technicus und hieß soviel, wie, statt des Gehülfen, der seinen

daß es mit dem alten Geisler doch auch etwas auf sich haben müsse. Trotzdem konnt’ ich nicht davon lassen, mich immer wieder an die Stelle zwischen Ofen und Schrank zu setzen, von der es hieß, da sei er gestorben.



Die Geschichte mit Mohr blieb für mich das große Stadtereigniß und nur Einzelnes, bei dem die Elemente eine Rolle spielten, prägte sich mir mit ähnlicher Lebendigkeit ein. Ein paar Vorkommnisse der Art will ich erzählen.

Es war ein sehr heißer Sommer, ich glaube 29 oder 30, und so weit sich’s ermöglichte, waren wir im Freien oder machten auch wohl Partieen. Unter diesen war auch eine nach der Oberförsterei Pudagla, der, wie schon erwähnt, zu jener Zeit der Oberförster Schröder, ein Bruder unserer Mamsell Schröder, vorstand, ein vorzüglicher Herr, gütig, gewissenhaft, gastlich. Und eines Sonntags fuhren wir da hinaus: meine Mutter und ich und noch zwei jüngere Geschwister. Die Schröder blieb zu Haus, ich weiß nicht weßhalb, ebenso mein Vater, der nicht dabei sein konnte, weil er „Wache“ hatte. „Wache haben“ war ein terminus technicus und hieß soviel, wie, statt des Gehülfen, der seinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="176"/>
daß es mit dem alten Geisler doch auch etwas auf sich haben müsse. Trotzdem konnt&#x2019; ich nicht davon lassen, mich immer wieder an die Stelle zwischen Ofen und Schrank zu setzen, von der es hieß, da sei er gestorben.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die Geschichte mit Mohr blieb für mich das große Stadtereigniß und nur Einzelnes, bei dem die Elemente eine Rolle spielten, prägte sich mir mit ähnlicher Lebendigkeit ein. Ein paar Vorkommnisse der Art will ich erzählen.</p>
        <p>Es war ein sehr heißer Sommer, ich glaube 29 oder 30, und so weit sich&#x2019;s ermöglichte, waren wir im Freien oder machten auch wohl Partieen. Unter diesen war auch eine nach der Oberförsterei Pudagla, der, wie schon erwähnt, zu jener Zeit der Oberförster Schröder, ein Bruder unserer Mamsell Schröder, vorstand, ein vorzüglicher Herr, gütig, gewissenhaft, gastlich. Und eines Sonntags fuhren wir da hinaus: meine Mutter und ich und noch zwei jüngere Geschwister. Die Schröder blieb zu Haus, ich weiß nicht weßhalb, ebenso mein Vater, der nicht dabei sein konnte, weil er &#x201E;Wache&#x201C; hatte. &#x201E;Wache haben&#x201C; war ein <hi rendition="#aq">terminus technicus</hi> und hieß soviel, wie, statt des Gehülfen, der seinen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0184] daß es mit dem alten Geisler doch auch etwas auf sich haben müsse. Trotzdem konnt’ ich nicht davon lassen, mich immer wieder an die Stelle zwischen Ofen und Schrank zu setzen, von der es hieß, da sei er gestorben. Die Geschichte mit Mohr blieb für mich das große Stadtereigniß und nur Einzelnes, bei dem die Elemente eine Rolle spielten, prägte sich mir mit ähnlicher Lebendigkeit ein. Ein paar Vorkommnisse der Art will ich erzählen. Es war ein sehr heißer Sommer, ich glaube 29 oder 30, und so weit sich’s ermöglichte, waren wir im Freien oder machten auch wohl Partieen. Unter diesen war auch eine nach der Oberförsterei Pudagla, der, wie schon erwähnt, zu jener Zeit der Oberförster Schröder, ein Bruder unserer Mamsell Schröder, vorstand, ein vorzüglicher Herr, gütig, gewissenhaft, gastlich. Und eines Sonntags fuhren wir da hinaus: meine Mutter und ich und noch zwei jüngere Geschwister. Die Schröder blieb zu Haus, ich weiß nicht weßhalb, ebenso mein Vater, der nicht dabei sein konnte, weil er „Wache“ hatte. „Wache haben“ war ein terminus technicus und hieß soviel, wie, statt des Gehülfen, der seinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T13:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Digitale Drucke der Uni Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T13:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T13:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/184
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_kinderjahre_1894/184>, abgerufen am 27.11.2024.