Fontane, Theodor: Meine Kinderjahre. Berlin, 1894.noch mit einer großen Einwohnerzahl begleiten konnte. Neben dem Predigerhause stand das Burgemeisterhaus, drin Burgemeister Beda wohnte. Wie Kastner, so war auch Beda schon alt und krank und sein Stadtregiment, wenn er ein solches überhaupt noch führte, währte nicht lange mehr. Kaum ist mir ein Bild von ihm geblieben, desto deutlicher aber von seiner (zweiten) Frau. Diese war, bei Hinscheiden ihres Gatten, noch eine Schönheit ersten Ranges und stammte wahrscheinlich aus dem Süden, ich würde sagen aus Süd-Spanien, wenn sie nicht, statt klein und zierlich wie die meisten Südspanierinnen, von imposanter Erscheinung gewesen wäre, groß, ernst, hoheitlich. Jedenfalls war ihr etwas völlig Fremdartiges eigen und als ich einige zwanzig Jahre später Storm's Gedichte kennen und bewundern lernte, konnte ich eines dieser Gedichte nie lesen, ohne die Gestalt der schönen Frau Beda wieder vor mir aufsteigen zu sehen. Dies Gedicht hieß "Die Fremde" und lautete in seinen Schlußzeilen: Ich hörte niemals heim verlangen Den stolzen Mund der schönen Frau, Nur auf den südlich blassen Wangen Und über der gewölbten Brau noch mit einer großen Einwohnerzahl begleiten konnte. Neben dem Predigerhause stand das Burgemeisterhaus, drin Burgemeister Beda wohnte. Wie Kastner, so war auch Beda schon alt und krank und sein Stadtregiment, wenn er ein solches überhaupt noch führte, währte nicht lange mehr. Kaum ist mir ein Bild von ihm geblieben, desto deutlicher aber von seiner (zweiten) Frau. Diese war, bei Hinscheiden ihres Gatten, noch eine Schönheit ersten Ranges und stammte wahrscheinlich aus dem Süden, ich würde sagen aus Süd-Spanien, wenn sie nicht, statt klein und zierlich wie die meisten Südspanierinnen, von imposanter Erscheinung gewesen wäre, groß, ernst, hoheitlich. Jedenfalls war ihr etwas völlig Fremdartiges eigen und als ich einige zwanzig Jahre später Storm’s Gedichte kennen und bewundern lernte, konnte ich eines dieser Gedichte nie lesen, ohne die Gestalt der schönen Frau Beda wieder vor mir aufsteigen zu sehen. Dies Gedicht hieß „Die Fremde“ und lautete in seinen Schlußzeilen: Ich hörte niemals heim verlangen Den stolzen Mund der schönen Frau, Nur auf den südlich blassen Wangen Und über der gewölbten Brau <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0108" n="100"/> noch mit einer großen Einwohnerzahl <choice><sic>begleiteten</sic><corr type="editorial">begleiten</corr></choice> konnte.</p> <p>Neben dem Predigerhause stand das Burgemeisterhaus, drin Burgemeister <hi rendition="#g">Beda</hi> wohnte. Wie Kastner, so war auch Beda schon alt und krank und sein Stadtregiment, wenn er ein solches überhaupt noch führte, währte nicht lange mehr. Kaum ist mir ein Bild von ihm geblieben, desto deutlicher aber von seiner (zweiten) Frau. Diese war, bei Hinscheiden ihres Gatten, noch eine Schönheit ersten Ranges und stammte wahrscheinlich aus dem Süden, ich würde sagen aus Süd-Spanien, wenn sie nicht, statt klein und zierlich wie die meisten Südspanierinnen, von imposanter Erscheinung gewesen wäre, groß, ernst, hoheitlich. Jedenfalls war ihr etwas völlig Fremdartiges eigen und als ich einige zwanzig Jahre später Storm’s Gedichte kennen und bewundern lernte, konnte ich eines dieser Gedichte nie lesen, ohne die Gestalt der schönen Frau Beda wieder vor mir aufsteigen zu sehen. Dies Gedicht hieß „Die Fremde“ und lautete in seinen Schlußzeilen:</p> <lg type="poem"> <l>Ich hörte niemals heim verlangen</l><lb/> <l>Den stolzen Mund der schönen Frau,</l><lb/> <l>Nur auf den südlich blassen Wangen</l><lb/> <l>Und über der gewölbten Brau</l><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [100/0108]
noch mit einer großen Einwohnerzahl begleiten konnte.
Neben dem Predigerhause stand das Burgemeisterhaus, drin Burgemeister Beda wohnte. Wie Kastner, so war auch Beda schon alt und krank und sein Stadtregiment, wenn er ein solches überhaupt noch führte, währte nicht lange mehr. Kaum ist mir ein Bild von ihm geblieben, desto deutlicher aber von seiner (zweiten) Frau. Diese war, bei Hinscheiden ihres Gatten, noch eine Schönheit ersten Ranges und stammte wahrscheinlich aus dem Süden, ich würde sagen aus Süd-Spanien, wenn sie nicht, statt klein und zierlich wie die meisten Südspanierinnen, von imposanter Erscheinung gewesen wäre, groß, ernst, hoheitlich. Jedenfalls war ihr etwas völlig Fremdartiges eigen und als ich einige zwanzig Jahre später Storm’s Gedichte kennen und bewundern lernte, konnte ich eines dieser Gedichte nie lesen, ohne die Gestalt der schönen Frau Beda wieder vor mir aufsteigen zu sehen. Dies Gedicht hieß „Die Fremde“ und lautete in seinen Schlußzeilen:
Ich hörte niemals heim verlangen
Den stolzen Mund der schönen Frau,
Nur auf den südlich blassen Wangen
Und über der gewölbten Brau
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