aus dem Kopf. Jetzt aber, und Lene hob sich sofort von ihrem Platz, kam eine kleine, feste Kugel und in einem eigenthümlichen Mischton von Elastizität und Härte hörte man sie vibrirend über das Brett hintanzen. "Alle neun," rief Lene. Und im Nu gab es drüben ein Fallen und der Kegeljunge be¬ stätigte nur, was kaum noch der Bestätigung bedurfte.
"Du sollst gewonnen haben, Lene. Wir essen heute noch ein Vielliebchen und dann geht alles in einem. Nicht wahr, Frau Dörr?"
"Versteht sich," zwinkerte diese, "alles in einem." Und dabei band sie den Hut ab und beschrieb Kreise damit, wie wenn es ihr Markthut gewesen wäre.
Mittlerweile sank die Sonne hinter den Wilmers¬ dorfer Kirchthurm und Lene schlug vor aufzubrechen und den Rückweg anzutreten, "es werde so fröstlich; unterwegs aber wollte man spielen und sich greifen: sie sei sicher, Botho werde sie nicht fangen."
"Ei, da wollen wir doch sehn."
Und nun begann ein Jagen und Haschen, bei dem Lene wirklich nicht gefangen werden konnte, bis sie zuletzt vor Lachen und Aufregung so abgeäschert war, daß sie sich hinter die stattliche Frau Dörr flüchtete.
"Nun hab' ich meinen Baum," lachte sie, "nun kriegst Du mich erst recht nicht." Und dabei hielt sie sich an Frau Dörr's etwas abstehender Schooßjacke fest
aus dem Kopf. Jetzt aber, und Lene hob ſich ſofort von ihrem Platz, kam eine kleine, feſte Kugel und in einem eigenthümlichen Miſchton von Elaſtizität und Härte hörte man ſie vibrirend über das Brett hintanzen. „Alle neun,“ rief Lene. Und im Nu gab es drüben ein Fallen und der Kegeljunge be¬ ſtätigte nur, was kaum noch der Beſtätigung bedurfte.
„Du ſollſt gewonnen haben, Lene. Wir eſſen heute noch ein Vielliebchen und dann geht alles in einem. Nicht wahr, Frau Dörr?“
„Verſteht ſich,“ zwinkerte dieſe, „alles in einem.“ Und dabei band ſie den Hut ab und beſchrieb Kreiſe damit, wie wenn es ihr Markthut geweſen wäre.
Mittlerweile ſank die Sonne hinter den Wilmers¬ dorfer Kirchthurm und Lene ſchlug vor aufzubrechen und den Rückweg anzutreten, „es werde ſo fröſtlich; unterwegs aber wollte man ſpielen und ſich greifen: ſie ſei ſicher, Botho werde ſie nicht fangen.“
„Ei, da wollen wir doch ſehn.“
Und nun begann ein Jagen und Haſchen, bei dem Lene wirklich nicht gefangen werden konnte, bis ſie zuletzt vor Lachen und Aufregung ſo abgeäſchert war, daß ſie ſich hinter die ſtattliche Frau Dörr flüchtete.
„Nun hab' ich meinen Baum,“ lachte ſie, „nun kriegſt Du mich erſt recht nicht.“ Und dabei hielt ſie ſich an Frau Dörr's etwas abſtehender Schooßjacke feſt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0098"n="88"/>
aus dem Kopf. Jetzt aber, und Lene hob ſich ſofort<lb/>
von ihrem Platz, kam eine kleine, feſte Kugel und<lb/>
in einem eigenthümlichen Miſchton von Elaſtizität<lb/>
und Härte hörte man ſie vibrirend über das Brett<lb/>
hintanzen. „Alle neun,“ rief Lene. Und im Nu<lb/>
gab es drüben ein Fallen und der Kegeljunge be¬<lb/>ſtätigte nur, was kaum noch der Beſtätigung bedurfte.</p><lb/><p>„Du ſollſt gewonnen haben, Lene. Wir eſſen<lb/>
heute noch ein Vielliebchen und dann geht alles in<lb/>
einem. Nicht wahr, Frau Dörr?“</p><lb/><p>„Verſteht ſich,“ zwinkerte dieſe, „alles in einem.“<lb/>
Und dabei band ſie den Hut ab und beſchrieb Kreiſe<lb/>
damit, wie wenn es ihr Markthut geweſen wäre.</p><lb/><p>Mittlerweile ſank die Sonne hinter den Wilmers¬<lb/>
dorfer Kirchthurm und Lene ſchlug vor aufzubrechen<lb/>
und den Rückweg anzutreten, „es werde ſo fröſtlich;<lb/>
unterwegs aber wollte man ſpielen und ſich greifen:<lb/>ſie ſei ſicher, Botho werde ſie nicht fangen.“</p><lb/><p>„Ei, da wollen wir doch ſehn.“</p><lb/><p>Und nun begann ein Jagen und Haſchen, bei<lb/>
dem Lene wirklich nicht gefangen werden konnte, bis<lb/>ſie zuletzt vor Lachen und Aufregung ſo abgeäſchert<lb/>
war, daß ſie ſich hinter die ſtattliche Frau Dörr<lb/>
flüchtete.</p><lb/><p>„Nun hab' ich meinen Baum,“ lachte ſie, „nun<lb/>
kriegſt Du mich erſt recht nicht.“ Und dabei hielt ſie ſich<lb/>
an Frau Dörr's etwas abſtehender Schooßjacke feſt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0098]
aus dem Kopf. Jetzt aber, und Lene hob ſich ſofort
von ihrem Platz, kam eine kleine, feſte Kugel und
in einem eigenthümlichen Miſchton von Elaſtizität
und Härte hörte man ſie vibrirend über das Brett
hintanzen. „Alle neun,“ rief Lene. Und im Nu
gab es drüben ein Fallen und der Kegeljunge be¬
ſtätigte nur, was kaum noch der Beſtätigung bedurfte.
„Du ſollſt gewonnen haben, Lene. Wir eſſen
heute noch ein Vielliebchen und dann geht alles in
einem. Nicht wahr, Frau Dörr?“
„Verſteht ſich,“ zwinkerte dieſe, „alles in einem.“
Und dabei band ſie den Hut ab und beſchrieb Kreiſe
damit, wie wenn es ihr Markthut geweſen wäre.
Mittlerweile ſank die Sonne hinter den Wilmers¬
dorfer Kirchthurm und Lene ſchlug vor aufzubrechen
und den Rückweg anzutreten, „es werde ſo fröſtlich;
unterwegs aber wollte man ſpielen und ſich greifen:
ſie ſei ſicher, Botho werde ſie nicht fangen.“
„Ei, da wollen wir doch ſehn.“
Und nun begann ein Jagen und Haſchen, bei
dem Lene wirklich nicht gefangen werden konnte, bis
ſie zuletzt vor Lachen und Aufregung ſo abgeäſchert
war, daß ſie ſich hinter die ſtattliche Frau Dörr
flüchtete.
„Nun hab' ich meinen Baum,“ lachte ſie, „nun
kriegſt Du mich erſt recht nicht.“ Und dabei hielt ſie ſich
an Frau Dörr's etwas abſtehender Schooßjacke feſt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/98>, abgerufen am 08.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.