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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Himmelwetter, war das ein Mann! Ein Mann
wie ein Kind. Aber wenn es mal schlecht ging
und nicht klappen wollte, wenn er einen dann ansah,
den hätt' ich sehen wollen, der den Blick ausgehalten
hätte. Richtiger alter Ostpreuße noch von Anno 13
und 14 her. Wir fürchteten ihn, aber wir liebten
ihn auch. Denn er war wie ein Vater. Und, wissen
Sie, Herr v. Wedell, wer mein Rittmeister war...?"

In diesem Augenblicke kam auch der Champagner.

"Mein Rittmeister war Manteuffel, derselbe, dem
wir alles verdanken, der uns die Armee gemacht hat
und mit der Armee den Sieg."

Herr v. Wedell verbeugte sich, während Botho
leicht hin sagte: "Gewiß, man kann es sagen."

Aber das war nicht klug und weise von Botho,
wie sich gleich herausstellen sollte, denn der ohnehin
an Kongestionen leidende alte Baron wurde roth
über den ganzen kahlen Kopf weg und das bischen
krause Haar an seinen Schläfen schien noch krauser
werden zu wollen. "Ich verstehe Dich nicht, Botho;
was soll dies ,Man kann es sagen', das heißt so
viel wie ,man kann es auch nicht sagen'. Und
ich weiß auch, worauf das alles hinaus will. Es
will andeuten, daß ein gewisser Kürassieroffizier aus
der Reserve, der im Uebrigen mit nichts in Reserve
gehalten hat, am wenigsten mit revolutionären Ma߬
nahmen, es will andeuten, sag' ich, daß ein gewisser

Fontane, Irrungen. 5

Himmelwetter, war das ein Mann! Ein Mann
wie ein Kind. Aber wenn es mal ſchlecht ging
und nicht klappen wollte, wenn er einen dann anſah,
den hätt' ich ſehen wollen, der den Blick ausgehalten
hätte. Richtiger alter Oſtpreuße noch von Anno 13
und 14 her. Wir fürchteten ihn, aber wir liebten
ihn auch. Denn er war wie ein Vater. Und, wiſſen
Sie, Herr v. Wedell, wer mein Rittmeiſter war...?“

In dieſem Augenblicke kam auch der Champagner.

„Mein Rittmeiſter war Manteuffel, derſelbe, dem
wir alles verdanken, der uns die Armee gemacht hat
und mit der Armee den Sieg.“

Herr v. Wedell verbeugte ſich, während Botho
leicht hin ſagte: „Gewiß, man kann es ſagen.“

Aber das war nicht klug und weiſe von Botho,
wie ſich gleich herausſtellen ſollte, denn der ohnehin
an Kongeſtionen leidende alte Baron wurde roth
über den ganzen kahlen Kopf weg und das bischen
krauſe Haar an ſeinen Schläfen ſchien noch krauſer
werden zu wollen. „Ich verſtehe Dich nicht, Botho;
was ſoll dies ,Man kann es ſagen', das heißt ſo
viel wie ,man kann es auch nicht ſagen'. Und
ich weiß auch, worauf das alles hinaus will. Es
will andeuten, daß ein gewiſſer Küraſſieroffizier aus
der Reſerve, der im Uebrigen mit nichts in Reſerve
gehalten hat, am wenigſten mit revolutionären Ma߬
nahmen, es will andeuten, ſag' ich, daß ein gewiſſer

Fontane, Irrungen. 5
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[65/0075] Himmelwetter, war das ein Mann! Ein Mann wie ein Kind. Aber wenn es mal ſchlecht ging und nicht klappen wollte, wenn er einen dann anſah, den hätt' ich ſehen wollen, der den Blick ausgehalten hätte. Richtiger alter Oſtpreuße noch von Anno 13 und 14 her. Wir fürchteten ihn, aber wir liebten ihn auch. Denn er war wie ein Vater. Und, wiſſen Sie, Herr v. Wedell, wer mein Rittmeiſter war...?“ In dieſem Augenblicke kam auch der Champagner. „Mein Rittmeiſter war Manteuffel, derſelbe, dem wir alles verdanken, der uns die Armee gemacht hat und mit der Armee den Sieg.“ Herr v. Wedell verbeugte ſich, während Botho leicht hin ſagte: „Gewiß, man kann es ſagen.“ Aber das war nicht klug und weiſe von Botho, wie ſich gleich herausſtellen ſollte, denn der ohnehin an Kongeſtionen leidende alte Baron wurde roth über den ganzen kahlen Kopf weg und das bischen krauſe Haar an ſeinen Schläfen ſchien noch krauſer werden zu wollen. „Ich verſtehe Dich nicht, Botho; was ſoll dies ,Man kann es ſagen', das heißt ſo viel wie ,man kann es auch nicht ſagen'. Und ich weiß auch, worauf das alles hinaus will. Es will andeuten, daß ein gewiſſer Küraſſieroffizier aus der Reſerve, der im Uebrigen mit nichts in Reſerve gehalten hat, am wenigſten mit revolutionären Ma߬ nahmen, es will andeuten, ſag' ich, daß ein gewiſſer Fontane, Irrungen. 5

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/75>, abgerufen am 24.11.2024.