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Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

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Und nun sage mir noch etwas über den Charakter
meiner Mutter. Aber rathe besser."

"Ich denke mir sie sehr besorgt um das Glück
ihrer Kinder."

"Getroffen. . ."

" . . . Und daß all' ihre Kinder reiche, das
heißt sehr reiche Partieen machen. Und ich weiß
auch, wen sie für Dich in Bereitschaft hält."

"Eine Unglückliche, die Du. . ."

"Wie Du mich verkennst. Glaube mir, daß ich
Dich habe, diese Stunde habe, das ist mein Glück.
Was daraus wird, das kümmert mich nicht. Eines
Tages bist Du weggeflogen. . ."

Er schüttelte den Kopf.

"Schüttle nicht den Kopf; es ist so, wie ich sage.
Du liebst mich und bist mir treu, wenigstens bin
ich in meiner Liebe kindisch und eitel genug, es mir
einzubilden. Aber wegfliegen wirst Du, das seh' ich
klar und gewiß. Du wirst es müssen. Es heißt
immer, die Liebe mache blind, aber sie macht auch
hell und fernsichtig."

"Ach, Lene, Du weißt gar nicht, wie lieb ich
Dich habe."

"Doch, ich weiß es. Und weiß auch, daß Du
Deine Lene für 'was Besondres hältst und jeden
Tag denkst, "wenn sie doch eine Gräfin wäre".
Damit ist es nun aber zu spät, das bring' ich nicht

Fontane, Irrungen. 4

Und nun ſage mir noch etwas über den Charakter
meiner Mutter. Aber rathe beſſer.“

„Ich denke mir ſie ſehr beſorgt um das Glück
ihrer Kinder.“

„Getroffen. . .“

„ . . . Und daß all' ihre Kinder reiche, das
heißt ſehr reiche Partieen machen. Und ich weiß
auch, wen ſie für Dich in Bereitſchaft hält.“

„Eine Unglückliche, die Du. . .“

„Wie Du mich verkennſt. Glaube mir, daß ich
Dich habe, dieſe Stunde habe, das iſt mein Glück.
Was daraus wird, das kümmert mich nicht. Eines
Tages biſt Du weggeflogen. . .“

Er ſchüttelte den Kopf.

„Schüttle nicht den Kopf; es iſt ſo, wie ich ſage.
Du liebſt mich und biſt mir treu, wenigſtens bin
ich in meiner Liebe kindiſch und eitel genug, es mir
einzubilden. Aber wegfliegen wirſt Du, das ſeh' ich
klar und gewiß. Du wirſt es müſſen. Es heißt
immer, die Liebe mache blind, aber ſie macht auch
hell und fernſichtig.“

„Ach, Lene, Du weißt gar nicht, wie lieb ich
Dich habe.“

„Doch, ich weiß es. Und weiß auch, daß Du
Deine Lene für 'was Beſondres hältſt und jeden
Tag denkſt, „wenn ſie doch eine Gräfin wäre“.
Damit iſt es nun aber zu ſpät, das bring' ich nicht

Fontane, Irrungen. 4
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[49/0059] Und nun ſage mir noch etwas über den Charakter meiner Mutter. Aber rathe beſſer.“ „Ich denke mir ſie ſehr beſorgt um das Glück ihrer Kinder.“ „Getroffen. . .“ „ . . . Und daß all' ihre Kinder reiche, das heißt ſehr reiche Partieen machen. Und ich weiß auch, wen ſie für Dich in Bereitſchaft hält.“ „Eine Unglückliche, die Du. . .“ „Wie Du mich verkennſt. Glaube mir, daß ich Dich habe, dieſe Stunde habe, das iſt mein Glück. Was daraus wird, das kümmert mich nicht. Eines Tages biſt Du weggeflogen. . .“ Er ſchüttelte den Kopf. „Schüttle nicht den Kopf; es iſt ſo, wie ich ſage. Du liebſt mich und biſt mir treu, wenigſtens bin ich in meiner Liebe kindiſch und eitel genug, es mir einzubilden. Aber wegfliegen wirſt Du, das ſeh' ich klar und gewiß. Du wirſt es müſſen. Es heißt immer, die Liebe mache blind, aber ſie macht auch hell und fernſichtig.“ „Ach, Lene, Du weißt gar nicht, wie lieb ich Dich habe.“ „Doch, ich weiß es. Und weiß auch, daß Du Deine Lene für 'was Beſondres hältſt und jeden Tag denkſt, „wenn ſie doch eine Gräfin wäre“. Damit iſt es nun aber zu ſpät, das bring' ich nicht Fontane, Irrungen. 4

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/59>, abgerufen am 23.11.2024.