Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

aber doch unsere Freundin, Frau Dörr, "weil's ihr
so geschuddert hat", und so bring' ich denn gleich
noch eine zweite Gesundheit aus: Frau Dörr, sie
lebe hoch."

"Sie lebe hoch," riefen alle durcheinander und
der alte Dörr schlug wieder mit seinem Knöchel ans
Brett.

Alle fanden, daß es ein feines Getränk sei, viel
feiner als Punschextrakt, der im Sommer immer
nach bittrer Zitrone schmecke, weil es meistens alte
Flaschen seien, die schon, von Fastnacht an, im
Ladenfenster in der grellen Sonne gestanden hätten.
Kirschwasser aber, das sei was Gesundes und nie
verdorben und ehe man sich mit dem Bittermandel¬
gift vergifte, da müßte man doch schon was Ordent¬
liches einnehmen, wenigstens eine Flasche.

Diese Bemerkung machte Frau Dörr und der
Alte, der es nicht darauf ankommen lassen wollte,
vielleicht weil er diese hervorragendste Passion seiner
Frau kannte, drang auf Aufbruch: "Morgen sei
auch noch ein Tag."

Botho und Lene redeten zu, doch noch zu bleiben.
Aber die gute Frau Dörr, die wohl wußte, "daß
man zu Zeiten nachgeben müsse, wenn man die
Herrschaft behalten wolle", sagte nur: "Laß, Leneken,
ich kenn' ihn; er geht nu mal mit die Hühner zu
Bett," "Nun," sagte Botho, "wenn es beschlossen

aber doch unſere Freundin, Frau Dörr, „weil's ihr
ſo geſchuddert hat“, und ſo bring' ich denn gleich
noch eine zweite Geſundheit aus: Frau Dörr, ſie
lebe hoch.“

„Sie lebe hoch,“ riefen alle durcheinander und
der alte Dörr ſchlug wieder mit ſeinem Knöchel ans
Brett.

Alle fanden, daß es ein feines Getränk ſei, viel
feiner als Punſchextrakt, der im Sommer immer
nach bittrer Zitrone ſchmecke, weil es meiſtens alte
Flaſchen ſeien, die ſchon, von Faſtnacht an, im
Ladenfenſter in der grellen Sonne geſtanden hätten.
Kirſchwaſſer aber, das ſei was Geſundes und nie
verdorben und ehe man ſich mit dem Bittermandel¬
gift vergifte, da müßte man doch ſchon was Ordent¬
liches einnehmen, wenigſtens eine Flaſche.

Dieſe Bemerkung machte Frau Dörr und der
Alte, der es nicht darauf ankommen laſſen wollte,
vielleicht weil er dieſe hervorragendſte Paſſion ſeiner
Frau kannte, drang auf Aufbruch: „Morgen ſei
auch noch ein Tag.“

Botho und Lene redeten zu, doch noch zu bleiben.
Aber die gute Frau Dörr, die wohl wußte, „daß
man zu Zeiten nachgeben müſſe, wenn man die
Herrſchaft behalten wolle“, ſagte nur: „Laß, Leneken,
ich kenn' ihn; er geht nu mal mit die Hühner zu
Bett,“ „Nun,“ ſagte Botho, „wenn es beſchloſſen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0051" n="41"/>
aber doch un&#x017F;ere Freundin, Frau Dörr, &#x201E;weil's ihr<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chuddert hat&#x201C;, und &#x017F;o bring' ich denn gleich<lb/>
noch eine zweite Ge&#x017F;undheit aus: Frau Dörr, &#x017F;ie<lb/>
lebe hoch.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie lebe hoch,&#x201C; riefen alle durcheinander und<lb/>
der alte Dörr &#x017F;chlug wieder mit &#x017F;einem Knöchel ans<lb/>
Brett.</p><lb/>
        <p>Alle fanden, daß es ein feines Getränk &#x017F;ei, viel<lb/>
feiner als Pun&#x017F;chextrakt, der im Sommer immer<lb/>
nach bittrer Zitrone &#x017F;chmecke, weil es mei&#x017F;tens alte<lb/>
Fla&#x017F;chen &#x017F;eien, die &#x017F;chon, von Fa&#x017F;tnacht an, im<lb/>
Ladenfen&#x017F;ter in der grellen Sonne ge&#x017F;tanden hätten.<lb/>
Kir&#x017F;chwa&#x017F;&#x017F;er aber, das &#x017F;ei was Ge&#x017F;undes und nie<lb/>
verdorben und ehe man &#x017F;ich mit dem Bittermandel¬<lb/>
gift vergifte, da müßte man doch &#x017F;chon was Ordent¬<lb/>
liches einnehmen, wenig&#x017F;tens eine Fla&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Bemerkung machte Frau Dörr und der<lb/>
Alte, der es nicht darauf ankommen la&#x017F;&#x017F;en wollte,<lb/>
vielleicht weil er die&#x017F;e hervorragend&#x017F;te Pa&#x017F;&#x017F;ion &#x017F;einer<lb/>
Frau kannte, drang auf Aufbruch: &#x201E;Morgen &#x017F;ei<lb/>
auch noch ein Tag.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Botho und Lene redeten zu, doch noch zu bleiben.<lb/>
Aber die gute Frau Dörr, die wohl wußte, &#x201E;daß<lb/>
man zu Zeiten nachgeben mü&#x017F;&#x017F;e, wenn man die<lb/>
Herr&#x017F;chaft behalten wolle&#x201C;, &#x017F;agte nur: &#x201E;Laß, Leneken,<lb/>
ich kenn' ihn; er geht nu mal mit die Hühner zu<lb/>
Bett,&#x201C; &#x201E;Nun,&#x201C; &#x017F;agte Botho, &#x201E;wenn es be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0051] aber doch unſere Freundin, Frau Dörr, „weil's ihr ſo geſchuddert hat“, und ſo bring' ich denn gleich noch eine zweite Geſundheit aus: Frau Dörr, ſie lebe hoch.“ „Sie lebe hoch,“ riefen alle durcheinander und der alte Dörr ſchlug wieder mit ſeinem Knöchel ans Brett. Alle fanden, daß es ein feines Getränk ſei, viel feiner als Punſchextrakt, der im Sommer immer nach bittrer Zitrone ſchmecke, weil es meiſtens alte Flaſchen ſeien, die ſchon, von Faſtnacht an, im Ladenfenſter in der grellen Sonne geſtanden hätten. Kirſchwaſſer aber, das ſei was Geſundes und nie verdorben und ehe man ſich mit dem Bittermandel¬ gift vergifte, da müßte man doch ſchon was Ordent¬ liches einnehmen, wenigſtens eine Flaſche. Dieſe Bemerkung machte Frau Dörr und der Alte, der es nicht darauf ankommen laſſen wollte, vielleicht weil er dieſe hervorragendſte Paſſion ſeiner Frau kannte, drang auf Aufbruch: „Morgen ſei auch noch ein Tag.“ Botho und Lene redeten zu, doch noch zu bleiben. Aber die gute Frau Dörr, die wohl wußte, „daß man zu Zeiten nachgeben müſſe, wenn man die Herrſchaft behalten wolle“, ſagte nur: „Laß, Leneken, ich kenn' ihn; er geht nu mal mit die Hühner zu Bett,“ „Nun,“ ſagte Botho, „wenn es beſchloſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/51
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/51>, abgerufen am 24.11.2024.