ich Dich zu Tische geführt und Platz genommen und nun sind wir beim ersten Löffel Suppe."
"Gut. Gut. Aber nun?"
"Und nun sag' ich: Irr' ich nicht, meine gnädigste Komtesse, so sah ich Sie gestern in der Flora, Sie und Ihre Frau Mama. Nicht zu verwundern. Das Wetter lockt ja jetzt täglich heraus und man könnte schon von Reisewetter sprechen. Haben Sie Pläne, Sommerpläne, meine gnädigste Gräfin? Und nun antwortest Du, daß leider noch nichts feststünde, weil der Papa durchaus nach dem Bayrischen wolle, daß aber die sächsische Schweiz mit dem Königstein und der Bastei Dein Herzenswunsch wäre."
"Das ist es auch wirklich," lachte Lene.
"Nun sieh, das trifft sich gut. Und so fahr' ich denn fort: "Ja, gnädigste Komtesse, da begegnen sich unsere Geschmacksrichtungen. Ich ziehe die säch¬ sische Schweiz ebenfalls jedem anderen Theile der Welt vor, namentlich auch der eigentlichen Schweiz. Man kann nicht immer große Natur schwelgen, nicht immer klettern und außer Athem sein. Aber säch¬ sische Schweiz! Himmlisch, ideal. Da hab' ich Dresden; in einer Viertel- oder halben Stunde bin ich da, da seh' ich Bilder, Theater, Großen Garten, Zwinger, Grünes Gewölbe. Versäumen Sie nicht, sich die Kanne mit den thörichten Jungfrauen zeigen zu lassen, und vor allem den Kirschkern, auf dem
3 *
ich Dich zu Tiſche geführt und Platz genommen und nun ſind wir beim erſten Löffel Suppe.“
„Gut. Gut. Aber nun?“
„Und nun ſag' ich: Irr' ich nicht, meine gnädigſte Komteſſe, ſo ſah ich Sie geſtern in der Flora, Sie und Ihre Frau Mama. Nicht zu verwundern. Das Wetter lockt ja jetzt täglich heraus und man könnte ſchon von Reiſewetter ſprechen. Haben Sie Pläne, Sommerpläne, meine gnädigſte Gräfin? Und nun antworteſt Du, daß leider noch nichts feſtſtünde, weil der Papa durchaus nach dem Bayriſchen wolle, daß aber die ſächſiſche Schweiz mit dem Königſtein und der Baſtei Dein Herzenswunſch wäre.“
„Das iſt es auch wirklich,“ lachte Lene.
„Nun ſieh, das trifft ſich gut. Und ſo fahr' ich denn fort: „Ja, gnädigſte Komteſſe, da begegnen ſich unſere Geſchmacksrichtungen. Ich ziehe die ſäch¬ ſiſche Schweiz ebenfalls jedem anderen Theile der Welt vor, namentlich auch der eigentlichen Schweiz. Man kann nicht immer große Natur ſchwelgen, nicht immer klettern und außer Athem ſein. Aber ſäch¬ ſiſche Schweiz! Himmliſch, ideal. Da hab' ich Dresden; in einer Viertel- oder halben Stunde bin ich da, da ſeh' ich Bilder, Theater, Großen Garten, Zwinger, Grünes Gewölbe. Verſäumen Sie nicht, ſich die Kanne mit den thörichten Jungfrauen zeigen zu laſſen, und vor allem den Kirſchkern, auf dem
3 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0045"n="35"/>
ich Dich zu Tiſche geführt und Platz genommen und<lb/>
nun ſind wir beim erſten Löffel Suppe.“</p><lb/><p>„Gut. Gut. Aber nun?“</p><lb/><p>„Und nun ſag' ich: Irr' ich nicht, meine gnädigſte<lb/>
Komteſſe, ſo ſah ich Sie geſtern in der Flora, Sie<lb/>
und Ihre Frau Mama. Nicht zu verwundern. Das<lb/>
Wetter lockt ja jetzt täglich heraus und man könnte<lb/>ſchon von Reiſewetter ſprechen. Haben Sie Pläne,<lb/>
Sommerpläne, meine gnädigſte Gräfin? Und nun<lb/>
antworteſt Du, daß leider noch nichts feſtſtünde,<lb/>
weil der Papa durchaus nach dem Bayriſchen wolle,<lb/>
daß aber die ſächſiſche Schweiz mit dem Königſtein<lb/>
und der Baſtei Dein Herzenswunſch wäre.“</p><lb/><p>„Das iſt es auch wirklich,“ lachte Lene.</p><lb/><p>„Nun ſieh, das trifft ſich gut. Und ſo fahr' ich<lb/>
denn fort: „Ja, gnädigſte Komteſſe, da begegnen<lb/>ſich unſere Geſchmacksrichtungen. Ich ziehe die ſäch¬<lb/>ſiſche Schweiz ebenfalls jedem anderen Theile der<lb/>
Welt vor, namentlich auch der eigentlichen Schweiz.<lb/>
Man kann nicht immer große Natur ſchwelgen, nicht<lb/>
immer klettern und außer Athem ſein. Aber ſäch¬<lb/>ſiſche Schweiz! Himmliſch, ideal. Da hab' ich<lb/>
Dresden; in einer Viertel- oder halben Stunde bin<lb/>
ich da, da ſeh' ich Bilder, Theater, Großen Garten,<lb/>
Zwinger, Grünes Gewölbe. Verſäumen Sie nicht,<lb/>ſich die Kanne mit den thörichten Jungfrauen zeigen<lb/>
zu laſſen, und vor allem den Kirſchkern, auf dem<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3 *<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[35/0045]
ich Dich zu Tiſche geführt und Platz genommen und
nun ſind wir beim erſten Löffel Suppe.“
„Gut. Gut. Aber nun?“
„Und nun ſag' ich: Irr' ich nicht, meine gnädigſte
Komteſſe, ſo ſah ich Sie geſtern in der Flora, Sie
und Ihre Frau Mama. Nicht zu verwundern. Das
Wetter lockt ja jetzt täglich heraus und man könnte
ſchon von Reiſewetter ſprechen. Haben Sie Pläne,
Sommerpläne, meine gnädigſte Gräfin? Und nun
antworteſt Du, daß leider noch nichts feſtſtünde,
weil der Papa durchaus nach dem Bayriſchen wolle,
daß aber die ſächſiſche Schweiz mit dem Königſtein
und der Baſtei Dein Herzenswunſch wäre.“
„Das iſt es auch wirklich,“ lachte Lene.
„Nun ſieh, das trifft ſich gut. Und ſo fahr' ich
denn fort: „Ja, gnädigſte Komteſſe, da begegnen
ſich unſere Geſchmacksrichtungen. Ich ziehe die ſäch¬
ſiſche Schweiz ebenfalls jedem anderen Theile der
Welt vor, namentlich auch der eigentlichen Schweiz.
Man kann nicht immer große Natur ſchwelgen, nicht
immer klettern und außer Athem ſein. Aber ſäch¬
ſiſche Schweiz! Himmliſch, ideal. Da hab' ich
Dresden; in einer Viertel- oder halben Stunde bin
ich da, da ſeh' ich Bilder, Theater, Großen Garten,
Zwinger, Grünes Gewölbe. Verſäumen Sie nicht,
ſich die Kanne mit den thörichten Jungfrauen zeigen
zu laſſen, und vor allem den Kirſchkern, auf dem
3 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Irrungen, Wirrungen. Leipzig, 1888, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_irrungen_1888/45>, abgerufen am 01.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.